Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
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die ganze Fracht nach Fort Yuma, unserem Versammlungsort, hinaufzuschaffen. Seine Abreise war auf den 2. November festgelegt worden. Alle übrigen Mitglieder sollten sich am 3. November in einem nach San Diego abgehenden Dampfboot einschiffen, in zwei Abteilungen an verschiedenen Punkten der kalifornischen Küste landen und sich demnächst auf ihnen vorgeschriebenen Routen nach Fort Yuma begeben.

      Die erste Abteilung, bestehend aus Mr. Peacock und Mr. Taylor, erhielt den Auftrag, in San Pedro, dem Hafen von Pueblo de los Angeles, das Dampfboot zu verlassen, an letzterem Ort Packknechte und Maultiertreiber zu dingen und mit diesen in gemieteten Wagen nach Fort Tejon, einem Militärposten der Vereinigten Staaten im Innern Kaliforniens, zu reisen. Dort sollte sie 120 Maultiere in Empfang nehmen und mit diesen in mäßigen Märschen nach Fort Yuma gehen. Diesem Kommando wurde Herr von Egloffstein gewissermaßen als Lehrer des Mr. Taylor zugeteilt, so wie an mich die Aufforderung erging, mich als Naturaliensammler und Zeichner anzuschließen. Die andere Abteilung, bestehend aus Dr. Newberry, Mr. Bielawski, Mr. Booker und Lieutenant Tipton, dem Kommandeur unserer Eskorte, erhielt den Befehl, in San Diego zu landen, dort auf dem Militärposten die nötige Ausrüstung zu beziehen und in nächster Richtung unserem Vereinigungspunkt am Colorado zuzueilen.

      San Franzisko machte auf mich bei weitem nicht mehr denselben Eindruck wie im Jahre 1854, als ich von einer Expedition zurückkehrte und einige Tage hier verweilte. Schon auf der Fahrt vom Kai zum Gasthof vermißte ich das rege, geschäftige Treiben, das mich damals so sehr überraschte. Die Kaufläden erschienen mir nicht mehr so überfüllt; auf den Märkten und öffentlichen Plätzen konnte man gehen, ohne gedrängt zu werden, und es erforderte nicht mehr so große Gewandtheit, den schwerbeladenen Güterkarren, deren Zahl sich augenscheinlich verringert hatte, in den Straßen auszuweichen.

      Die Stadt hatte sich aber auch in den ersten Jahren nach der Entdeckung des Goldes in ihrem Wachstum überstürzt, und das Innere des Landes war noch nicht hinreichend bevölkert und organisiert, um ein solches Wachsen auf die Dauer zu gestatten und zu unterstützen. Hierzu kam noch, daß die Einwohner, von denen die meisten sich nur auf ungewisse Zeit in der neuen Weltstadt niedergelassen hatten, begannen, sich dem Strom der Einwandernden anzuschließen, tiefer im Lande neue Kolonien zu gründen und sich mehr auf den Ackerbau zu verlegen, was natürlich den plötzlichen Aufschwung der Stadt hemmen, aber in eine geregeltere und sichere Zunahme verwandeln mußte. Die Geschäfte in San Franzisko waren infolge der in allen Weltteilen fühlbaren Geldkrise von 1857 sehr gedrückt, und dort um so mehr, als der Konsum des Landes in keinem Verhältnis zu der Einfuhr stand und die Stadt im ersten Andrang so sehr mit Artikeln jeder Art überflutet worden war, daß in vielen Fällen die Preise noch unter die von New York herabsanken. Nur die Auswahl und die Pracht der auf den Märkten feilgebotenen Erzeugnisse des Landes schienen zugenommen zu haben, und so gewährte es mir auch diesmal eine besondere Freude, die Frühstunden auf den verschiedenen Märkten zuzubringen.

      Es war nicht allein der Wildmarkt, auf den Berg, Wald und Ebene ihr Bestes lieferten, was mich dorthin zog; es war nicht allein der Fischmarkt, auf dem das Schönste und Seltenste, was Meer und Fluß zu bieten hatten, vor dem Kauflustigen ausgebreitet lag, sondern es waren auch die langen Reihen der Tische, Buden und Wagen, in denen Gartenerzeugnisse, Blumen und Früchte feilgehalten wurden. Oft habe ich staunend vor riesenhaften Kürbissen, Melonen, Kartoffeln und Rüben gestanden und einzelne Wurzeln prüfend mit der Hand gewogen; öfter noch war ich versunken im Anschauen von Blumen und Früchten, die, geschmackvoll geordnet, die schönsten und prächtigsten Farben zeigten. Da waren Äpfel und Birnen von unglaublicher Größe, und dabei geschmückt mit so zarten Schattierungen, daß man fast zögerte, das schöne Farbenspiel auf der Rinde mit dem Messer zu zerstören. Auch Weintrauben und Südfrüchte wetteiferten gleichsam um den Vorrang in diesen täglichen Ausstellungen.

      Unter anderen Sehenswürdigkeiten interessierte mich besonders eine große Sammlung lebender Bären, die von einem alten Jäger in einem geräumigen Saal gezeigt wurden. Außer einem kalifornischen Löwen und einem 1500 Pfund schweren, kolossalen grauen Bären, die sich beide in Käfigen befanden, lagen an Ketten in einem abgesteckten Zirkus noch 18 Bären verschiedener Größe und unter diesen die prachtvollsten Exemplare der amerikanischen Spezies. Alle diese Tiere waren sehr zahm, und in ihrer Gesellschaft wohnte und lebte der in ein indianisches Lederwams gekleidete alte graubärtige Adams.

      Ein wissenschaftlicher Verein hat sich auch schon seit einigen Jahren in San Franzisko gebildet, und ich fand Gelegenheit, in dessen Lokal eine ziemlich vollständige Sammlung kalifornischer Mineralien sowie auch Proben von den zahlreichen dort vorkommenden Koniferen in Augenschein zu nehmen. Der deutsche Konzertchor verdient ebenfalls Erwähnung, sowohl wegen seiner Leistungen als auch wegen des riesigen, geschmackvoll eingerichteten Zeltes, das zu den Aufführungen bestimmt war und in dem ich manchen Abend bei dem wohlbesetzten Orchester und bei den lieben bekannten Musikstücken vergaß, daß mich Tausende von Meilen von der Heimat trennten.

      Es war am 2. November um die Mittagszeit, als wir Lieutenant Ives zum Kai hinunterbegleiteten, um dort von ihm auf zwei Monate Abschied zu nehmen und ihm Glück zu seiner langen Seereise zu wünschen. »Auf Wiedersehen am Colorado!« hieß es, als wir uns die Hand reichten; der kleine Schoner spannte seine schwingenartigen Segel aus und flog dahin vor einer scharfen Brise der Golden Gate zu.

      Am 3. November befanden wir uns abermals am Kai, doch diesmal mit unseren Sachen, um an Bord des Küstendampfers »Senator« zu gehen und in diesem, dem Schoner nach, gegen Südosten zu steuern. Schönes Herbstwetter begünstigte unsere Reise; schon am Abend desselben Tages erreichten wir Monterey, und am folgenden Morgen warfen wir Anker vor dem Landungsplatz des neun Meilen tiefer im Lande gelegenen Missionsdorfes San Luis Obispo. Nur bei günstigem Wetter können an dieser Stelle Passagiere mittels Booten ausgeschifft werden, und selbst dann bedarf das Steuer einer sicheren, erfahrenen Hand, um das Fahrzeug nicht in der Brandung am felsigen, klippenreichen Strand zerschellen zu lassen. Die ruhige See und der in Aussicht stehende zwölfstündige Aufenthalt veranlaßten mehrere von uns, zu landen, und während Herr von Egloffstein und Mr. Taylor sich auf einer Anhöhe mit Übungsarbeiten am Meßtisch beschäftigten, unternahm ich in Gesellschaft meines Freundes Dr. Newberry einen kleinen Ausflug in die nahen Berge.

      Was man gewöhnlich an felsigen Küsten sieht, fanden wir auch hier; wir sammelten Muscheln, Seesterne und Krabben, wir schossen Pelikane, Enten und Schnepfen und folgten dann dem Lauf eines Baches aufwärts, der uns anfangs zwischen lehmigen Hügeln hindurchführte, die von Tausenden von Erdeichhörnchen belebt waren, dann aber in eine Felsenschlucht einbog, in der wir uns an den malerischen Formationen und der gefälligen Abwechslung von Fels und Wald, von Wiesen und Wasserspiegeln ergötzten. Wir kehrten am Nachmittag an den Strand zurück, wo wir in einer Hütte vom Kapitän der »Senator«, einem fröhlichen, sorglosen Seemann, zu einem ländlichen Mahl und einem tüchtigen Seemannspunsch eingeladen wurden. Das Ausschiffen der Fracht hinderte uns, vor Einbruch der Nacht wieder an Bord zurückzukehren, dafür bot uns der Strand durch die eingetretene Ebbe die angenehmste Unterhaltung, denn wir entdeckten immer neue Gegenstände, die in den kleinen, mit Wasser angefüllten Felsenhöhlen zurückgeblieben waren und daher eine leichte Beute für unsere Sammlung wurden. Beachtenswert erschienen mir die zahlreichen Ströme von Erdpech,In den Küstengebirgen des südlichen Kalifornien befinden sich zahlreiche Stellen, an denen Erdpech (Bitumen) aus dem Boden quillt und, durch die Sonnenglut in halbflüssigen Zustand versetzt, sich über nicht unbedeutende Flächen ausbreitet. Ich bemerkte dergleichen Naphta-Quellen an den Abhängen der Küstengebirge, wie bei San Luis Obispo; ich sah sie in den Ebenen, wie bei Pueblo de los Angeles; ich beobachtete aber auch Massen dieses Bitumens, die in jenen Breiten auf dem Meer umherschwammen und aus der Tiefe emporgekommen zu sein schienen, in den meisten Fällen aber wohl den Küsten entführt worden waren. Bei umsichtiger Behandlung eignet sich dieses Bitumen, wenn es mit Erde und Sand vermischt wird, vortrefflich zu Asphaltwegen und wasserdichten Dächern; auch findet man in jenen Gegenden die Häuser vielfach auf diese Weise gedeckt, wodurch aber zur heißen Jahreszeit die Unannehmlichkeit für die Fußgänger entsteht, daß sie beim zu nahen Herantreten an die Häuser von der erweichten, niedertropfenden Masse besudelt werden. die, zur Zeit verhärtet, von den nahen Abhängen bis ins Meer hineinreichten; zu heißen Jahreszeiten dagegen, durch Quellen in den Spalten der nahen Küstengebirge genährt, in halbflüssigem Zustand ihren kaum merklichen Lauf fortsetzen.

      Am