Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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mitgeteilt, daß gar nicht so sehr lange nach der Ankunft des Dr. Johnson eine schöne Amerikanerin einem indianischen Gentleman ihre Hand gereicht habe.

      Glauben Sie nun«, wandte sich Robinson an mich, »daß einer der hiesigen Indianer jemals die Rolle des »Wiesels« spielen könnte?«

      »Allerdings!« gab ich ihm zur Antwort. »Ich will zwar nicht von den Apachen sprechen, doch bin ich überzeugt, daß der eigentliche Charakter der ackerbauenden Stämme im Tal des Colorado im allgemeinen ebenso viele und vielleicht mehr gute Eigenschaften birgt, als die meisten Eingeborenen östlich von den Rocky Mountains aufzuweisen haben. Es ist nur ein Unglück, daß bei der ersten Bekanntschaft der Indianer mit den Weißen ihnen gewöhnlich ein schlechtes Beispiel gegeben wird und daß, wenn bessere Elemente erst dorthin gelangen, die Übel schon so tief Wurzel geschlagen haben, daß das Verdrängen derselben fast zur Unmöglichkeit geworden ist. In der Brust jedes Menschen — seine Farbe mag sein, welche sie will — liegt ein Keim zum Guten und ein Keim zum Bösen; was den einen weckt und emportreibt, tötet den anderen; nur mit dem Unterschied, daß der letztere weniger Nahrung bedarf und unter gleich starken Einflüssen üppig wuchert, während ersterer nur verstohlen langsam fortwächst.«

      »Sie mögen recht haben«, antwortete Robinson, »doch glaube ich kaum, daß Sie in Amerika viele finden werden, die hinsichtlich der Indianer Ihre Meinung teilen.«

      Neuntes Kapitel

      Das Winden über Sandbänke — Der weiße Ansiedler — Purple-Hill-Paß — Die schönen Aussichten — Die Kieswüste — Biber im Colorado — Musik im Lager — Brechen des Steuerruders — Der ChimneyPeak — Reise um den ChimneyPeak — Angeschwemmtes Land — Der Schläferfelsen — Red Rock Gate — Light House Rock — Porphyrpaß — Kiesebenen — Lang Range und Short Range — Indianer am Ufer — Hohe Ufer — Uferschwalben — Lager auf der Sandinsel

      Der Morgen des 13. Januar wurde mit Holzeinnehmen begonnen; ich benutzte daher die kurze Zeit, einen Spaziergang zu unternehmen, um mich von dem Charakter einer Reihe niedriger Felsenhügel zu überzeugen, die in geringer Entfernung über dem Schilf und den Weiden emportauchten. Der Weg dorthin war indessen so schwierig, und dichtes, verworrenes Gestrüpp hinderte dermaßen meine Schritte, daß ich nur langsam vorwärtskam und die Pfeife der »Explorer« mich zurückrief, noch ehe ich den bezeichneten Punkt erreicht hatte. Ich erkannte indessen aus der Ferne, daß die Formation, ähnlich der des Pilot Knob, vulkanischer Art war, welche Meinung Dr. Newberry, unser Geologe, bestätigte.

      Als ich wieder auf dem Ufer anlangte, war das Dampfboot zur Abfahrt bereit; Dr. Newberry und ich, die anerkannten Nachzügler der Expedition, nahmen unsere Plätze ein, und kurze Zeit darauf befand sich die »Explorer« vor der Sandbank an derselben Stelle, an der wir am vorhergehenden Abend aufgelaufen waren. Der Anker wurde wieder ausgeworfen, die langweilige Arbeit des Windens begann, und ich präparierte einige Vögel, die ich in der Frühe auf dem Ufer geschossen hatte. Die Seichtigkeit des Flusses erschwerte das Winden so sehr, daß Kapitän Robinson auf Erleichterung des Dampfbootes drang und die ganze Bemannung, mit Ausnahme der bei der Winde Beschäftigten, im Ruderboot ans linke Ufer sendete. Auch hier weckten einige Felsenhügel in der Ferne unsere Neugierde, so daß Dr. Newberry und ich aufbrachen, um über die mit Weiden bewachsenen Ebenen zu diesen hinzueilen.

      Wir gerieten indessen bald zwischen eine große Anzahl langgestreckter Lachen und morastiger Teiche, so daß wir in dem hohen Schilf nicht nur voneinander getrennt wurden, sondern uns auch glücklich schätzten, unseren Weg wieder aus dem gefährlichen Labyrinth herausgefunden zu haben; geduldig warteten wir daher auf dem sandigen Ufer auf das Flottwerden unserer Expedition. Nach harter Arbeit gelangte das Boot endlich wieder in tiefes Wasser, und während mehrerer Stunden hinderte uns trotz der vielen Krümmungen des Flusses nichts in unserer Fahrt. Wir erblickten zahlreiche Herden von Gänsen, doch gelang es uns nicht, einen der so erwünschten Braten zu erhalten, indem das Stöhnen der Maschinen die Scheu dieser vorsichtigen Vögel noch vergrößerte. Auch Indianer sahen wir hin und wieder auf dem Ufer; es waren kleine, wild aussehende Gestalten, die man auf den ersten Blick als Fremdlinge in dieser Gegend erkannte. Sie gehörten nach Mariandos Aussage zum Stamm der verräterischen Apachen, und beide Dolmetscher rieten uns, stets vor ihnen auf unserer Hut zu sein, da diese Wüstenbewohner nur zum Rauben an den Colorado gekommen seien.

      Zu unserer rechten Seite näherte sich die Kieswüste immer mehr dem Fluß, so daß sich zwischen derselben und den trüben Fluten nur noch ein ganz schmaler Uferstreifen befand, der spärlich mit schlanken, aber durch einen alten Brand versengten und getöteten Weidenbäumen und niedrigem, noch lebendem Gestrüpp bewachsen war. Zu unserer Linken dehnte sich der fruchtbare Boden des Tals weiter aus, und wir erblickten dort sogar Spuren einer neuen Kultur sowie am Abhang eines kleinen Hügels die flüchtig zusammengefügte Hütte eines weißen Ansiedlers.

      Holstedt ist der Name des Mannes, der jene Strecke kulturfähigen Bodens zu seinem Eigentum ausersehen hat und zu jener Zeit eine Anzahl von Arbeitern damit beschäftigte, Kanäle und Wasserrinnen zu ziehen, um mittels derselben auch in trockenen Jahreszeiten seinem Acker eine befruchtende Feuchtigkeit erhalten zu können. Es gehört gewiß eine bedeutende Selbstverleugnung und sichere Aussicht auf späteren Gewinn dazu, sich in so tiefer Wildnis eine Heimat zu gründen; denn es ist nicht anzunehmen, daß sich dorthin jemand zurückzieht, der mit sich und der ihn umgebenden Natur allein zu sein trachtet und in letzterer gleichsam Ersatz sucht für das, was er in der zivilisierten Heimat hinter sich zurückließ. Amerika ist aber das Land greller Widersprüche; blendende Schätze birgt die leblose Wüste; paradiesische Landstriche bleiben unbeachtet, und über dieselben hinweg zieht gleichgültig der goldgierige Mensch, um in jener sein einziges, aber verführerisches Ziel zu verfolgen.

      Doch auch auf dem rechten Ufer wurde das Tal allmählich verdrängt, und zwar nicht durch Kiesebenen, sondern durch hohe, imposante Felsmassen, die steil und majestätisch emporragten. Die Vegetation verschwand mehr und mehr und beschränkte sich zuletzt auf kleine Weidenwaldungen in den Mündungen der Schluchten und auf den sandigen Inseln, während die buntfarbigen Trachyt- und Porphyrmassen den eigentümlichen Anblick riesenhafter Kakteen zeigten, die teils kandelaberförmig oder einsamen Schildwachen nicht unähnlich über dem kahlen Gestein emporragten, teils wie runde Auswüchse gleichsam an den Abhängen klebten und aus der Ferne kaum von den Felsen selbst zu unterscheiden waren.

      Der gewöhnlich klare Himmel hatte sich an diesem Tag mit einem dichten, grauen Wolkenschleier überzogen; eisiger Wind sauste uns aus den wilden Schluchten entgegen und kräuselte das gelbe Wasser des Stroms, der sich im wilden Andrang schaumerzeugend über verborgene Felsen und Holzklippen dahinstürzte und dem Steuermann die gefährlichen Stellen verriet.

      Da wir auf der geringen Räumlichkeit des Dampfbootes uns weder durch Bewegung noch durch andere Mittel der empfindlichen Wirkung des eisigen Windes zu entziehen vermochten, so war es uns fast erwünscht, als wir schon gegen vier Uhr nachmittags, nach Zurücklegung von etwa zehn Meilen, durch zahlreiche Sandbänke gezwungen wurden, auf dem rechten Ufer zu landen. Wir schlugen daselbst unser Lager auf, und fanden in den ausgewaschenen Höhlen am Fuß der Berge Schutz vor der rauhen Witterung und Holz genug, um eine angenehme, wärmende Temperatur um uns zu verbreiten. Die Nacht war stürmisch und kalt; der Regen schlug schauerweise an die straffen Wände unserer Zelte; doch als ich in der Frühe des 14. Januar ins Freie trat, schwamm das ganze westliche Ufer des Colorado in Sonnenschein, während auf der Ostseite bläuliche Schatten sich lagerten und zackige Gebirgszüge phantastische Linien auf dem glänzenden Spiegel des Stroms zeichneten. Die hellroten und violetten Felswände, noch feucht vom nächtlichen Regen, schienen mit frischer Farbe überstrichen zu sein und verliehen der Landschaft durch die grellen Kontraste einen überaus lieblichen Reiz. Ich erstieg die nächste Höhe, um mir von dort aus eine Ansicht des Felspasses zu verschaffen, durch den am vorhergehenden Tag unser Weg geführt hatte und den wir, auf Veranlassung der schönen Färbung des Gesteins, mit dem Namen »Purple-Hill-Paß« belegt hatten.

      Wir brachen endlich auf, und es wurden, nachdem wir kaum die Mitte des Stroms erreicht hatten, die ganzen Kräfte unserer Mannschaft in Anspruch genommen, um die »Explorer« über eine Reihe von Sandbänken zu schaffen. Welcher Verlust an Zeit mit diesen rasch aufeinanderfolgenden Hindernissen verbunden war, geht daraus hervor, daß wir uns