Claus Störtebecker. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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nicht trennen. Dazu strafften sich die schlanken Beine, die er schon früher gespreizt aufgestemmt hielt, noch etwas fester in den Sehnen, und der ganze Bursche sah unbekümmert und keck aus, wie wenn nach seinem Wohlgefallen sich Regen und Sonnenschein zu richten hätten.

      Unbehaglich bemerkte es der Mönch. Gerade dieses Aufbegehren einer unbändigen Natur suchte er zum Heile des Knaben zu unterdrücken. Der Fischerssohn, dem er anhing, mußte gegen sein Blut geschützt werden. Das war's. Dazu gehörte, daß man seine Unwissenheit nicht allzusehr erhellte. Auch durfte er nicht über seinen Stand hinauswachsen oder gar, wie er es liebte, seine Gedanken fabulierend ins Weite schweifen lassen. Das Meer verlockte zu derartigen Nebelfahrten. Aber solches Entgleiten war einem Sassenkind nicht günstig – jedenfalls in solcher Jugend nicht.

      »Nimm der Dirne die Torheit aus den Haaren«, befahl er darum hart.

      Claus Beckera rührte sich nicht. Nur seine Augen blitzten hartnäckig auf, und seine Rechte vollführte eine ungläubige, fortschleudernde Bewegung, als könnte er damit die unbegreifliche und ihm unklug dünkende Abneigung des Klosterbruders zerstreuen.

      »Es sieht gut aus«, beharrte er noch immer in Bewunderung vor dem fremden Glanz. »Es sind Maimuscheln. Die Gnadenbilder in der Klosterkirche und die Fräuleins auf dem Schloß tragen auch solch bunte Steine.«

      »Eben darum ziemt sich der Tand nicht für Anna Knuth, die Tochter der Strohflechterin«, belehrte Bruder Franziskus ruhig und streckte die Hand nach dem abenteuerlichen Schmuck aus, wobei er sich stellte, als bemerke er das heftige Zusammenzucken des wilden Jungen nicht. »Es sind Unterschiede in die Welt gesetzt. Sie stammen von Gott.«

      Er zerpflückte jetzt die Muschelschnur zwischen den Fingern, und da er wahrnahm, wie sein halbwüchsiger Freund, um den er sich sorgte, die rote Unterlippe nagte, fuhr er begütigend fort: »Schau um dich, Nikolaus, schau auf den Wald. Hier blüht der Haselstamm und wird nur ein Strauch. Daneben aber die Buche wächst über zwanzig Ellen. Und machen doch zusammen den schattigen Wald aus und müssen sich dulden. So geht es auch bei den Menschen.«

      Eine Weile raschelte der Wind durch die Zweige. Dann lachte der Knabe mit einem Male hell auf.

      »Was hast du?« fragte Franziskus verwundert.

      Heftig reckte sich der im weißen Kittel. Ein Zug von Vorwitz und frühreifer Spottsucht lief über sein schmales Antlitz, als er nun die Rechte bestimmt vorwarf.

      »Da sieh, Geweihter«, rief er selbstsicher, denn er gebrauchte häufig für den Mönch die ehrfürchtige Bezeichnung seiner Mutter, »den Hasel — und den Buchbaum hier. Ob die einander gleichen?«

      »Nein«, murmelte der Zisterzienser noch im Ungewissen, »sie gleichen einander nicht. Sie sind von verschiedener Art.«

      »Aber die Menschen, die gleichen einander«, vollendete der Knabe jetzt rechthaberisch, tat einen Luftsprung und warf seiner Begleiterin einen Blick des Schutzes zu. »Du hast selbst gesagt, wir wären alle nach dem Bild Gottvaters gemacht.«

      Da brach der Mönch verstimmt und finster das aussichtslose Gespräch ab. Zumal er auffangen mußte, wie das kleine Mädchen ob der Keckheit des Burschen verstohlen zu lächeln anhob.

      »Es wäre dir besser«, brummte er aufgebracht, indem er sich ratlos mit beiden Handflächen die ergrauten Schläfenhaare zurückstrich, »dein Vater hätte dir öfter mit dem Gürtelriemen den Rücken gewalkt.«

      Als des Vaters Erwähnung geschah, wich das vorlaute Wesen des Knaben gedankenschnell. Kleinlaut senkte er das Haupt und scharrte mit dem nackten Fuß über den Moosboden.

      »Vater rührt mich nicht an«, meldete er nachdenklich. »Er sitzt den ganzen Tag auf der Düne und sonnt sich.«

      Jetzt fuhr der Bruder mitleidsvoll über das wellige Gelock des Burschen. Sein Groll war verschwunden. Die Erinnerung an ein ehrenhaft mühselig Leben hielt ihn gefangen. »In deinem Vater sitzt die zehrende Sucht«, sprach er leise, »der Frühling ist für ihn ein gefährlich Ding. Und was tust du, sein Los zu erleichtern, Nikolaus?«

      »Ich? –« Der Gefragte blickte suchend umher. Endlich schienen die scharfen Augen etwas erwischt zu haben, als sie rückschweifend einen schmalen Ausschnitt des durch die Stämme schimmernden Meeres entdeckten. »Ich fahre hinaus und lege seine Netze«, verteidigte er sich erwartungsvoll, denn er wollte gelobt werden. »Ich bringe mehr heim als er. Manchmal bin ich die ganze Nacht fort. Und ein sein Segel hab' ich gemacht aus rotem Packtuch«, setzte er befriedigt hinzu, »und kann den Wind vor — und rückwärts abfangen. Davon hat der Vater nichts verstanden. Das ist ein neu und gut Ding. Und Mühe hat es gekostet.«

      »Dich nicht«, versetzte der Mönch unbeirrt, wobei er versuchte, den irrlichternden Strahl der schwarzen Augen auszuhalten. »Lüge nicht, Bursche. Dir ist es eine Lust, auf dem Wasser zu liegen und dich mit dem Wind herumzuschlagen. Du dünkst dich dann besser als andere Menschenkinder. Dort draußen fängst du auch die grilligen Gedanken, die dir nicht taugen. Sage, was führt dich heute her?«

      Jetzt trat der Knabe näher und küßte zärtlich die feine weiße Kutte des Mönches. Ein Staatskleid der Brüder, das nur bei besonderen Anlässen getragen wurde.

      »Mir war bange nach dir, Geweihter«, brach es inbrünstig aus ihm heraus, und er streichelte verstohlen das Tuch des faltenreichen Gewandes. »Es quält mich oft eine Unruhe, wenn ich dich nicht nach diesem oder jenem fragen kann. Denn du weißt alles, was mir fehlt.«

      Da verbarg Pater Franziskus ein halbes Lächeln.

      »Du Tor«, wies er bescheiden die übertriebene Meinung ab, »ich weiß nicht einmal, was deine Gespielin dort zwischen den beiden Binsendeckeln trägt. Was ist's?«

      »Ja, das rätst du nicht«, schrie Nikolaus Beckera, plötzlich wieder in seine wilde Heftigkeit zurückfahrend, und dabei stürzte er auf das Mädchen zu und riß ihm ohne weiteres das grüne Geflecht aus den Händen. »Gib her – ein wunderlich Tier«, stammelte er atemlos und brach die Deckel auseinander. »Dergleichen gibt es sonst nicht in unserem Wasser. Und dir gehört es, Geweihter, dir allein.«

      Eine ungeheure Scholle kam zum Vorschein, dunkelgrau mit roten Punkten und wohl anderthalb Fuß im Durchmaß. Der Fisch glänzte perlmutterfarbig in der Sonne. Bewundernd standen die drei um den seltenen Fang herum, und die Kinder lachten vor Freude, als der Pater mit Kennermiene den Finger spitz in den Rücken der Scholle setzte, um wohlgefällig das Fleisch des Tieres auf seine Festigkeit hin zu prüfen.

      »Ein herrlich Stück«, gestand der Bruder selbstvergessen und klopfte dem Spender dankbar die Wange. Allein unvermutet hielt er inne, ein feindlicher Gedanke schien seine offene Lust zu hemmen.

      »Was gibt's?« rief der Junge erschreckt.

      Der Bruder maß ihn prüfend von oben bis unten.

      »Hat der Vogt deinen Fang gesehen?«

      Jetzt zuckte das kleine Mädchen, wie von einem Streich getroffen, zurück und sprang schutzsuchend hinter den nächsten Baumstamm. Claus Beckera aber wurde seltsam bleich. Dann begannen seine schlanken Glieder vor Zorn oder vor Scham zu zittern. Etwas Haßerfülltes, von Leidenschaft Überwältigtes brodelte aus seinen schwarzen Augen.

      »Der Vogt weiß von nichts«, widersprach er hart und schob die Faust geballt von sich. »Ich hab' das Tier die ganze Nacht über zwischen den Strandsteinen versteckt.«

      Kopfschüttelnd wies der Mönch das Geschenk von sich, auch entsetzte er sich heimlich darüber, wie wenig sein Zögling zu Bescheidenheit und zu geduldigem Dienst zu lenken wäre.

      »Weißt du nicht«, ermahnte er heftig und hob drohend den Finger, »daß all dein Fang dem Grafen eignet? Was soll ich mit dem entwendeten Gut?«

      »Essen«, schrie Claus, der noch immer zitterte und bebte. Und wie tückische Pfeile schnellten die Worte von ihm: »Der Graf hat satt. Wie kann er uns das nehmen, was wir fangen? Gehört ihm die See?«

      »Wem gehört sie sonst?«

      »Dem, der auf ihr segelt und Netze legt«, eiferte der Knabe ohne jedes Besinnen. Schmetternd warf er den