»Sie haben, verehrter Herr Professor, den Finger auf unsere wundeste Stelle gelegt und dürfen sich über diesen amerikanischen Temperamentsausbruch unsererseits nicht wundern. Die Frage, die Sie angeschnitten haben, ist ebenso furchtbar als kompliziert und tragisch. Wir Bewohner der Südstaaten und wohl auch unsere nördlichen Nachbarn leiden einfach für die Sünden unserer Väter und Großväter. Es war eine entsetzliche, menschenunwürdige, verbrecherische Tat, die Neger haufenweise wie das Vieh aus Afrika zu uns zu schleppen. Da sie aber hier waren, war es vom Standpunkt der Südstaatler selbstverständlich, diese uns wesensfremden und auf der niedrigsten Zivilisationsstufe stehenden Menschen als Sklaven, das heißt als gekauftes Eigentum zu behandeln. Ebenso selbstverständlich war es, daß eines Tages der Norden, der keine Negerfrage kannte, sich gegen dieses Sklavenwesen erhob, und wenn wir den Bruderkrieg, der letzten Endes deshalb begann, verloren haben, so war das nicht Sache des Zufalles oder der schlechten Führung oder gar des Verrates, sondern der eisernen Logik. Denn wir kämpften für eine Sache, die nicht zu verteidigen war. Also, die Neger wurden frei, und nicht genug damit, sie wurden von hysterischen Weibern und Männern sogar als uns gleichberechtigt in jeder Beziehung dekretiert. Sie sind uns aber nicht gleichberechtigt, durchaus nicht und in keiner Beziehung. Ich will nicht sagen, daß sie schlechter sind, ich denke nicht daran, sie auf eine Stufe mit Affen zu stellen, sondern ich behaupte, daß sie einfach uns gegenüber sich so verhalten, wie kleine Kinder den Erwachsenen gegenüber. Sie haben keine Vergangenheit, keine Geschichte, keine Tradition, sie sind eben erst Menschen geworden, wie das Kind, das gerade zu kriechen beginnt. Wer würde aber diesem Kinde Gleichberechtigung geben wollen, wer ihm erlauben, sich in die Angelegenheiten der Erwachsenen zu mengen! Täte man dies, so würden diese Kinder sich zu abscheulichen, bösartigen Quälgeistern entwickeln, statt zu vernünftigen Menschen heranzuwachsen.
So ähnlich ist es mit den Negern bestellt. Sie sind diebisch, verlogen, habgierig und, wenn man sie nicht im Zaum hält – frech. Das alles sind eben die Eigenschaften der Kinder, wie es jede Mutter wird bestätigen müssen. Was geht daraus hervor? Daß die Neger erst den Weg zum vollwertigen Menschen zurücklegen müssen, daß sie durch Jahrhunderte erzogen werden sollten. Tut man dies, so wird, ich bin dessen ganz sicher, dereinst der Neger an Intelligenz und Moral der weißen Rasse nicht sonderlich nachstehen. – Aber wie sollen wir zu diesem Ziel gelangen? Ein fast unlösbares Problem. Wie ein kleines Kind, will nämlich auch der Neger nicht einsehen, daß er erzogen werden muß. Nun, Kinder kann man, um ihnen das beizubringen, in eine Ecke stellen oder gar züchtigen, bei Negern kann man dies nicht. Sie sich selbst erziehen lassen? Das geht nicht an, weil dank des in dem Menschen tief eingegrabenen Rassegefühls der Weiße sich die Kinderunarten der Neger nicht würde gefallen lassen. Besonders hier im Süden nicht, wo wir zum Teil von der schwarzen Rasse majorisiert sind. Würden wir ihnen die Gleichberechtigung, die sie auf dem Papier haben, in der Praxis geben, so würde es geschehen, daß demnächst hier in Irvington auf der Terrasse einer schönen Villa nicht wir Weißen solche Gespräche führen würden, sondern Neger, die beraten würden, was sie mit den ihnen unbequemen Weißen tun sollen. –
Wo bleibt also der Ausweg? Drei Möglichkeiten gibt es. Man könnte die Schwarzen zurück nach Afrika bringen! Technisch und rechtlich nicht durchführbar, da ihnen ja unsere Konstitution die Gleichberechtigung gibt, man sie also zur Rückkehr nicht zwingen kann. Zweitens konnte man die Verfassung ändern und die Neger wieder als Sklaven erklären. Das geht nicht, weil die alten und jungen, die weiblichen und männlichen Waschlappen in der ganzen Welt schreien und jammern würden. Also bleibt nur ein Ausweg, und das ist der, den wir Südstaatler und eigentlich auch die anderen im Norden einschlagen: Die Neger zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu machen, sie sozial absolut von uns fernzuhalten, ihnen den Zutritt zur Wahlurne verwehren und sie im Beruf auf ihre körperlichen Fähigkeiten verweisen. Allerdings – ich gestehe Ihnen zu, daß dies kein Weg, sondern nur ein Ausweg ist, und die kommenden Generationen an der ungelösten Negerfrage schwer zu beißen haben werden.«
Wieder erhob sich ein lebhaftes Stimmengewirr. Ein alter Herr, der wie der leibhaftige alte Onkel Sam aussah, rief: »Wir sind Verbrecher, wenn wir unseren Kindern solche Erbschaft hinterlassen,« ein anderer sprach von einer Negerpest, die man künstlich züchten müßte, und der recht zynisch veranlagte Doktor Dobb meinte schmunzelnd: »Ich wüßte schon ein wunderbares Mittel, schmerzlos bei dem neugeborenen Negerknaben anzuwenden, aber ich kann darüber in Damengesellschaft nicht reden.« Da alle Damen wußten, was er meinte, waren sie gebührend schockiert, ohne aber ein herzliches Lachen zu unterdrücken.
Zeller wagte einen Einwand: »Und wäre es nicht möglich, zu einer einfacheren Lösung zu schreiten und über alle Rassenvorurteile hinweg das Aufgehen der Neger in den Weißen langsam zu dulden?«
Tiefe Stille entstand auf der Terrasse des großen Hauses. Zeller merkte an den teils entrüsteten, teils eiskalten Mienen ringsum, daß er für die Begriffe der Anwesenden Ungeheuerliches gesagt hatte. Ein alter Herr, dem die Zornesader auf die Stirne getreten war, unterbrach die peinliche Pause, indem er heiser sagte: »Sie sind ein Fremder, junger Mann, das halten wir Ihnen zugute, wenn ein Yankee solches vorgeschlagen hätte und noch dazu in Gegenwart der Damen, so gäbe es argen Verdruß!«
Oberst Whilcox, der es nicht zugeben konnte, daß sein Gast so schroff zurechtgewiesen wurde, griff ein:
»Sie sprechen als Gelehrter, als Botaniker, der eben die Wunder seltsamer Pflanzenkreuzungen gesehen hat. Aber würden wir solches Experiment an uns versuchen, so wäre das gleichbedeutend mit dem Aufgeben unserer selbst, mit der Afrikanisierung, Vernegerung von ganz Amerika und bald der ganzen Welt. Denn wissen Sie, Doktor Zeller: Ein Tropfen schwarzen Blutes macht einen Neger! Wir im Süden wissen das alles zu genau, um darüber streiten zu können. Die braune Mulattin, deren Vater ein Weißer war, vereinigt sich wieder mit einem Weißen. Ihr Kind ist ein Terzerone, nicht dunkler als ein sonnengebräunter Weißer, schön, schlank. Ist es ein Mädchen und vereinigt es sich wieder mit einem Weißen, so ist das Kind ein Quarterone, dem man nur mehr an dem bläulichen Schimmer der Fingernägel das Negerblut ansieht. Und ist es ein Mädchen und vereinigt sich wieder mit einem Weißen, so geschieht es, daß das Kind ein häßlicher, grauschwarzer Neger wird! Ein Tropfen Negerblut, und die ganze Generation ist vernegert! Da ist nichts zu machen, nichts zu wollen, das Blut Harns ist stärker als das der anderen, es kommt immer wieder zum Durchbruch! Sich mischen, heißt den weißen Menschen in sich umbringen und ein fluchbeladenes Geschlecht erzeugen!«
Es war halbdunkel geworden, als lautlos der schöne Neger erschien und durch leichtes Anschlagen auf den Gong ankündigte, daß das Souper die Gäste erwarte. Und die leichte Mißstimmung, die das Gespräch erregt hatte, machte bald einer heiteren, warmen Laune Platz. Professor Zeller war der Tischnachbar der schönen Hausfrau, und mitunter war es ihm, als würde ihr Knie sich an das seine lehnen, ihr Fuß den seinen suchen. Und als man später im Garten, in der südlich heißen Frühlingsluft von Georgia, promenierte, schmiegte sich Frau Harriett einen Augenblick lang dicht an den blonden Deutschen und flüsterte ihm zu: »Ich würde es Ihnen nie verzeihen, wenn Sie sich der schwarzen Brut nähern würden! Und verbergen könnten Sie es mir nicht, ich wittere und ahne den Geruch, den diese Tiere an allem haften lassen!«
Der Juli nahte mit sengenden Hitzwellen, unerträglich heißen Nächten, unerträglicher noch durch die Moskitoschwärme, die bei Sonnenuntergang auftauchten und den Aufenthalt im Freien unmöglich machten. Die ganze Terrasse, alle Fenster waren mit Drahtnetzen verhängt, und außerdem schwenkten, während man bei Eisgetränken auf der Terrasse in den Schaukelstühlen lag, schwarze Diener unaufhörlich ihr Räucherwerk, um etwaige blutsäugerische Eindringlinge zu vertreiben. Der Juli brachte aber auch neues Leben nach Irvington. Die Hochschulen im Osten und Westen hatten unmittelbar vor dem Unabhängigkeitstag mit den Ferien begonnen, und nun kamen alle studierenden Söhne und Neffen an, um sich im Süden bei ihren Leuten gründlich auszufaulenzen. Zur Ausübung irgend eines Sportes war es tagsüber zu heiß, daher rekelten sich die jungen