Satan und Ischariot I. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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verboten ist, bekommt er die Peitsche.«

      »Ja; aber ich bitte sehr höflich, zu bemerken, daß ich kein Pudel bin und daß auch selbst ein Pudel nicht jedesmal erwischt wird. Haben Sie bemerkt, daß das Zelt aus dem Reserve-Großsegel errichtet worden ist?«

      »Ich weiß nicht, wie die Segel alle heißen, habe aber gesehen, daß dieses so groß war, daß es nicht nur vollständig für das Zelt reichte, sondern hinter demselben auch noch eine Rolle bildet. Es mag also ein Großsegel sein.«

      »Das ist‘s ja, was ich meine. Zum Zelte hat das halbe Segel genügt. Die andere Hälfte ist hinter demselben zusammengerollt. Unter dieser Rolle oder diesem Knäuel findet ein Mann sehr gut Platz, und wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich da schlafen.«

      »Eine tolle Idee! Man wird Sie entdecken, wenn Sie husten oder niesen!«

      »Ich werde beides bleiben lassen.«

      »Sie scheinen Ihrer Nase sehr sicher zu sein. Aber selbst wenn man Sie nicht erwischen sollte, werden Sie sich vergeblich Mühe geben. Noch wissen Sie nicht, ob das Zelt wirklich für den Mormonen bestimmt ist, und falls Ihre Voraussetzung richtig sein sollte, ist es noch hundertmal fraglich, ob der Wärter dorthin kommen wird.«

      »Das müßte ich mir gefallen lassen, doch bin ich der Meinung, daß die Mühe, welche ich mir geben werde, nicht vergeblich sein wird. Ich habe so eine Ahnung, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß meine Ahnungen mich selten getäuscht haben.«

      »Na, dann will ich Ihnen weder zu- noch abreden, Wenn Ihre Idee Ihnen tüchtige Matrosenhiebe einbringt, so ist‘s nicht mein Rücken, der sie auszuhalten hat.«

      Ich gebe zu, daß das, was der Athlet »Ihre Idee« nannte, ein sehr fragwürdiges Geisteserzeugnis war, aber es lag mir, sozusagen, in den Fingerspitzen, daß ich diesen Gedanken ausführen müsse. Ich verließ also unsere Koje, um mich nach dem Deck zu schleichen. Das war nicht leicht. Die Kojen waren von einander und von dem engen Gange, durch den ich mußte, durch fast papierdünne Scheidewände getrennt; die Insassen konnten mich also leicht hören. Das war aber das wenigste. Viel bedenk- bedenklicher war die Begegnung mit einer Person der Schiffsbemannung, oder gar mit einem der beiden, die ich belauschen wollte. Doch kam ich, ohne auf jemand zu treffen, bis an die Luke, welche sich vom Raume aus auf das Deck öffnete. Indem ich auf der Treppe stehen blieb und nur den Kopf vorsichtig hervorstreckte, konnte ich, obgleich es nicht sehr hell war, die zwischen mir und dem Zelte liegende Strecke überblicken. Sie war frei.

      Hinten gab der Kapitän dem Steuermann Befehle für die Nacht. Er stand also im Begriffe, sich schlafen zu legen. Die Stimme des Mormonen sprach einige Worte drein; er befand sich folglich auch mit am Steuer. Vorn, in der Nähe des Buges, schwatzten und lachten die wenigen Matrosen; sie konnten mich nicht sehen. Ich schwang mich also schnell aus der Luke und huschte nach dem Zelte hin, um mich unter der übriggebliebenen Hälfte des Segels, aus welchem dasselbe gebildet war, zu verbergen. Das war in Zeit von nicht einer Minute geschehen. Ich lag zwar auf dem harten Deck, aber sonst ganz bequem und wurde von dem Segel so bedeckt, daß mich niemand sehen konnte. Mein Versteck war ein ganz vorzügliches; nur fragte es sich, ob dasselbe mir auch den erwarteten Nutzen bringen werde. Geschehen konnte mir nichts. Im schlimmsten Falle galt es eine kleine Geduldprobe, welche höchstens die Folge haben konnte, daß ich von dem Herkules ausgelacht wurde.

      Ich legte mich so, daß ich den Kopf unten in das Zelt schieben konnte, und langte mit dem Arme in das Innere desselben. Ich fühlte ein dünnes, aber weiches Lager, welches aus Decken hergerichtet worden war. Sehen konnte ich nichts.

      Nach kurzer Zeit hörte ich, daß der Kapitän dem Mormonen »gute Nacht« wünschte und nach der Kajüte ging. Der letztere spazierte noch eine Viertelstunde auf und ab und kam dann in das Zelt, um sich niederzulegen. Die eine Voraussetzung, nämlich die, daß das Zelt für ihn bestimmt sei, war also eingetroffen; es galt nun, abzuwarten, ob die andere, daß der Wärter kommen werde, sich ebenso bewahrheitete.

      Es verging eine Stunde und noch eine; es wurde Mitternacht. Das Geplauder der Matrosen hatte längst aufgehört. Es war so still geworden, daß ich den Sog des Schiffes hörte. Einmal erklang die Stimme des Sprietmannes, welcher dem Steuerer eine Meldung zurief. Ich begann Langeweile zu fühlen. Da hörte ich eine Bewegung im Innern des Zeltes, nicht als ob der Schläfer sich umwendete, sondern als ob er sich aufrichtete. Ich schob den Kopf vor, um besser hören zu können. Da vernahm ich das Anstreichen eines Zündholzes und dann leuchtete das Flämmchen desselben auf. Beim Scheine des Hölzchens sah ich, daß der Mormone aufrecht saß und sich eine Cigarre anzündete. Er wartete also und hatte jedenfalls bisher noch nicht geschlafen. Hätte er mir nicht den Rücken zugekehrt, so wäre mein Kopf jedenfalls von ihm gesehen worden.

      Wieder verging eine Weile, bis ich ihn leise fragen hörte:

      »Weller, bist du‘s?«

      »Ja, Master,« lautete vorn die ebenso leise Antwort in englischer Sprache.

      »Dann rasch herein, damit du nicht gesehen wirst! Ich rücke zu.«

      Der Wärter hieß also Weller. Er folgte der Aufforderung Meltons, indem er sagte:

      »Habt keine Sorge, Master! Es giebt außer dem Steuermanne und dem Sprietwächter keinen wachen Men- Menschen auf dem Deck, und diese beiden sind so plaziert, daß sie uns weder sehen noch hören können.«

      Es entstand eine kurze Pause, während welcher der eine Platz machte und der andere sich niedersetzte. Dann meinte der Mormone:

      »Du kannst dir denken, daß ich unendlich neugierig bin. Ich betrat das Schiff mit der größten Spannung, ob du dich an Bord befinden würdest.«

      »Was das betrifft, Master, so ist es mir gar nicht schwer geworden, den Platz als Stewart[5], zu bekommen.«

      »Der Kapitän kennt dich doch nicht etwa?«

      »Er hat nicht die Idee einer Spur von mir.«

      »Und auch nicht erfahren, daß du mich kennst?«

      »Werde mich hüten, so etwas auszuplaudern! Leider konnte ich die Heuer nicht nur für die Herfahrt bekommen; ich habe sie auch für die Rückfahrt nehmen müssen und bin also eigentlich gezwungen, von Lobos wieder mit nach Frisco[6] zu segeln.«

      »Das thut nichts, da es dir nicht schwer fallen wird, in Lobos auszukneifen.«

      »Denke es auch und habe mich darum so wenig mit Sachen und Effekten geschleppt, daß ich augenblicklich ans Land gehen könnte, ohne etwas an Bord zurückzulassen.«

      »Recht so, obgleich das nur Nebensache ist. Wie aber steht es mit der Hauptsache? Wann ist dein Alter fort?«

      »Drei Wochen vor mir und er befindet sich unbedingt am Ziele. Er ist so oft dort gewesen und kennt alle Verhältnisse und Schliche so genau, daß es gar nicht fehlen kann.«

      »Aber werden die Yuma ihm zu Willen sein?«

      »Bin vollständig überzeugt davon. Wenn es sich um eine solche Beute handelt, ist jeder Rote schnell dabei.«

      »Das beruhigt mich. Nur fragt es sich, ob sie auch rasch genug bei der Hand sein werden.«

      »Es ist gewiß, Master, daß sie schon jetzt unterwegs sind. Aber hat es denn solche Eile, Master Melton? Es jagt uns kein Mensch. Wir können die Sache in aller Behaglichkeit abmachen.«

      »Das dachte ich vorher auch, bin aber anderer Ansicht geworden.«

      »Warum? Hat sich etwas ereignet?«

      »Ja. Ich habe eine Begegnung gehabt.«

      »Das heißt, Ihr habt jemand getroffen. Das kann doch nicht von so großem Einflusse auf unser Vorhaben sein!«

      »Vom allergrößten sogar.«

      »Dann müßte der Mann, den Ihr meint, von ganz verwunderlicher Wichtigkeit für uns sein.«

      »Ist er auch! Es war eine wirkliche Ueberraschung für mich, ihn hier unten zu sehen, und wenn du seinen Namen hörst, wirst du gerade ebenso erstaunt sein, wie ich es war, als ich ihn erkannte.«

      »So sagt mir doch,


<p>5</p>

Aufwärter.

<p>6</p>

San Francisco.