Die Polizei verfolgt alle möglichen Spuren. Vergeblich. Von seinen Angehörigen erhalten sie eine interessante Information. Taxifahrer übernachten manchmal in kleinen Bezirken westlich von Marseille. Das waren Hotels, in denen man weder Ausweise vorzeigt, noch Formulare ausfüllt. Alle Hotelketten von Marseille wurden erfasst und mit Fotos von Antoine Cionini klapperten die Beamten die einzelnen Hotels ab. Die akribische Ermittlungsarbeit zahlt sich aus.
In einen Hotel, im 11. Bezirk von Marseille war der Mann bekannt. Irgendwann standen die Beamten wieder einmal an einer Hotelrezeption, zeigten das Foto und fragten, ob der Angestellte den Mann erkenne. Und dieser war sich ganz sicher. Der Gesuchte hat im Hotel übernachtet und sei vor zwei Tagen abgereist. Cionini hatte einen falschen Namen angegeben. Trotzdem konnte ihm die Polizei mit einem wichtigen Datum in Verbindung bringen, den Vorabend des Verbrechens.
Am 12. Februar, einen Tag vor dem Mord, verlässt Antoine Cionini das Hotel auf einen Motorrad. Es war wie eine Schnitzeljagd, er hinterließ das Motorrad, seine Wohnung, aber jede Spur führte ins Leere.
Am 17. Februar 1996, vier Tage nach dem Mord an Anne-Marie Allaix, verhören die Ermittler einen Onkel von Antoine Cionini. Der Mann erzählt, dass er am Tag des Mordes von seinen Neffen gehört, aber das Gespräch nicht viel Sinn ergeben hat. Kurz nach dem Mord erhielt der Onkel einen Anruf. Antoine Cionini sagte, es ist erledigt. Der Onkel verstand das nicht, aber später, im Zusammenhang mit dem Verbrechen, wurde ihm klar, dass Cionini auf seine Art den Mord gestanden hat.
Für die Polizei ist das ein Geständnis, aber noch immer wissen sie nicht, warm Antoine Cionini seine Ex-Frau getötet hat. Sie durchleuchten die Vergangenheit des Paares. Antoine Cionini und Anne-Marie Allaix hatten sich 1976 kennengelernt.
Anne-Marie Allaix und Antoine Cionini
Antoine Cionini war ein großer Mann mit blauen Augen und wirkte sehr attraktiv auf junge Frauen. Er war ein Geck, wie dort gesagt wurde. Er ließ die Muskeln spielen, war ein richtiger Sonny-Boy. Anne-Marie verliebte sich und sie zogen zusammen. Sie heirateten und bekamen ein Kind. Antoine Cionini hat alles, was man zum glücklich sein braucht, außer einen festen Job. Und er hat ein sehr persönliches Problem. Die Zeit verging und er bekam Haarausfall. Das wurde für ihn zu einem Riesenproblem. Anne-Marie war das vollkommen egal, aber für ihn war es irrational wichtig. Er war sehr frustriert.
Um sich zu beschäftigen, baut Antoine Cionini ein Haus für sich und seine Familie. Aber nach und nach wird der Mann depressiv, jähzornig und gewalttätig. Anne-Marie litt sehr darunter und erzählte ihrer Verwandtschaft, dass ihr Mann ein sehr unbeherrschter Mensch geworden ist. Wenn er einen schlechten Tag hatte, versteckte er die Autoschlüssel, damit sie nicht weggehen konnte. Er tolerierte keine Fehler, hielte es nicht aus, wenn sie mal fünf Minuten zu spät kam. Er überprüfte ihre Arbeitszeiten und wann ihr Unterricht begann und endete.
Während den Anhörungen zeichnet sich langsam das wahre Gesicht von Antoine Cionini. Ein krankhaft eifersüchtige Mann, der manchmal die Kontrolle verliert. Eine Verwandte, die Schwägerin von Anne-Marie, wurde Zeuge, als sie Anne-Marie einmal nach Hause begleitete. „Sie öffnete die Tür und wir gingen in ihr Zimmer und ein paar Sekunden später flog die Garagentür auf und da stand er. Knallrot im Gesicht und mit einem Bratenmesser in der Hand. Und er sagte zu mir, ich werde euch töten. Alle Allaix werde ich töten und diesen Moment entscheid Anne-Marie, dass sich trennen würde. Für Antoine war das aber unvorstellbar.“
Angesichts der Bedrohung flüchtete Anne-Marie mit ihrem Kind zu ihren Eltern und reicht die Scheidung ein. Die Situation verschärft sich. Antoine Cionini steht nun komplett allein da, hat Frau und Kind verloren. Man dachte, er würde sich nun beruhigen, aber das Gegenteil war der Fall. Er begann seine Ex-Frau zu belästigen und zu Stalkern. Es wurde immer schlimmer, sie musste mehrfach umziehen. Es war weniger Waffengewalt als Belästigung. Wenn sie irgendwo entlang lieg, stellte er sich in ihre Blickrichtung und machte eine Handbewegung, die bedeutete, ich werde Dich töten. Er hinterließ Nachrichten mit Drohungen auf ihrer Windschutzscheibe, wie „ich steche Dich ab“ und sagte in aller Deutlichkeit, er werde sie umbringen.
Sie erstattete natürlich Anzeige, aber ohne Verletzungen übernimmt die Polizei nichts. Es war entmutigend und sie wusste nicht mehr, was sie noch tun konnte, dass man ihr glaubt. Sie wollte ihren Ex-Mann nicht irgendetwas anhängen.
Eine Woche nach dem Mord an Anne-Marie Allaix haben die Beamten ein Täterprofil erstellt. „Gewalttätig, impulsiv und zu der Tat durchaus fähig.“ Es gab aber keine Spur von Antoine Cionini und es bestand die Gefahr, dass er wieder zuschlägt. Die Wochen vergehen und Antoine Cionini bleibt verschwunden. Er ist sehr gerissen und hinterlässt keinerlei Spuren. Die Ermittler sind frustriert. Am 15. Dezember hatte er sein Konto aufgelöst und knapp 40 000 Euro zur Verfügung. Er hatte kein Einkommen, keine Rente und damit gab es auch keine Spur zu ihm. Sein Gesamtvermögen beträgt nun 37 000 Euro. Die Beamten geben nicht auf und weiten die Ermittlungen aus. Wieder verhören sie den Bekanntenkreis von Antoine Cionini, darunter seine zweite Frau Iveline I.
Sie hatten 1994 geheiratet, aber nach sechs Monaten war die Ehe schon kaputt. Seine zweite Frau beschrieb ihm als extrem gewalttätig. Iveline bestätigt die bisherige Zeugenaussage, besonders die der Familie Allaix und gibt der Polizei eine wichtige Information. Ihr Ex-Mann ist schwer krank. Antoine Cionini war HIV-positiv und musste sich deswegen behandeln lassen.
Das war ein wichtiger Hinweis für die Ermittler, denn er brauchte ja Medikamente und ärztliche Behandlung. Schließlich war das eine schwere Krankheit. Damit konnte man ihm aufspüren. Also begann die Polizei mit der Such bei den Krankenversicherungen, aber wieder keine Spur. Antoine Cionini ließ sich anscheinend nicht behandeln. Die Polizei verschickt Fandungsaufrufe zu Antoine Cionini, mit und ohne Perücke – ohne Ergebnis.
Nach mehreren Monaten bleiben nur noch zwei Möglichkeiten. Alle Nachforschungen bei Finanzunternehmen und Verwaltung ließen nur noch zwei Schlussfolgerungen zu. Der Mann war entweder gestorben, oder er hat sich in Ausland abgesetzt. Falls er noch lebte, hatte er seine Flucht sehr sorgfältig vorbereitet. Der Mord war so gut organisiert, dass er sein Verwinden im Voraus geplant haben muss. Er hätte nur wenige Stunden nach dem Mord eine Landesgrenze überqueren können.
Trotz seiner Flucht kann sich Antoine Cionini der Rechtsprechung nicht vollkommen entziehen. 1998 wird er in Abwesenheit wegen Mord an Anne-Marie Allaix verurteilt. Das Rechtssystem musste eingreifen, man konnte den Fall nicht einfach ruhen lassen. Damit konnte man ihm auf die Fahndungsliste Krimineller setzen. Ab sofort ist eine Sonderfahndungseinheit für die Suche nach Antoine Cionini verantwortlich. Das ganze Land ist alarmiert. Steuerbehörden, Sozialversicherungen und Justizbehörden. Sobald ein Fahrzeug mit seinen Namen auftauchte oder er bei einer Verwaltung erschien, wurde im Polizeicomputer ein Alarm ausgelöst.
Irgendwann macht der Flüchtige einen Fehler, aber die Wartezeit zieht sich hin. Acht lange Jahre vergehen ohne ein Lebenszeichen von Antoine Cionini. Am 1. Dezember 2004 gibt es plötzlich einen Alarm im Polizeicomputer. Einer von vielen an diesem Nachmittag, aber dieser bringt den Fall Cionini wieder in Gang. Der Alarm kam von der Krankenkasse. Antoine Cionini hatte einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Nach acht Jahren ohne ein Lebenszeichen war die Spur plötzlich wieder brandheiß.
Die überraschten Ermittler überprüfen sofort die Information. Die Sozialversicherung-nummer von Antoine Cionini wurde für einen Antrag auf HIV–Behandlung verwendet. Ein Antrag auf Kombinationstherapie. Das konnte nur der Gesuchte sein. Also raste die Polizei los. Der Mann lebte in einer kleinen Wohnung. Doch die Beamten der Sondereinheit hatten Schwierigkeiten ihn zu finden. Der einzige Antoine in diesem Haus war Antoine Canovas.
Das konnte der Gesuchte sein, er hatte schließlich in den Hotels auch schon falsche Namen benutzt. Also beschlossen die Polizisten, vorsichtig an die Sache heranzugehen. Eine kleine Einheit blieb vor dem Haus postiert. Sie beobachteten den Ein- und Ausgang der Bewohner dieses Hauses. Nach einigen Stunden erregt ein Mann ihre Aufmerksamkeit. Sie entdeckten einen Typ, mit einer Kapuze. Der müde