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Angesichts der Vielzahl von Kartellen, die weltweit von Kartellbehörden aufgedeckt werden, und vor dem Hintergrund der zunehmenden kartellrechtlichen Schadensersatzklagen, stellt sich für Unternehmen immer häufiger die Frage, ob sie selbst geschädigt wurden und ob gegebenenfalls zivilrechtlich gegen Kartellanten vorgegangen werden soll. Oft handelt es sich bei der Klärung dieser Frage um ein komplexes Unterfangen. Zunächst einmal ist es häufig schwierig, das „Ob“ und die etwaige Höhe einer Schädigung zu ermitteln. Außerdem mag die Gefahr bestehen, dass durch eine Schadensersatzklage eine wichtige Lieferantenbeziehung belastet oder das Unternehmenswohl sonst wie beeinträchtigt wird.1
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Schadensersatzbezogene Erwägungen müssen auch die Kartellanten als mögliche Anspruchsgegner vornehmen. Diese müssen insbesondere das potenzielle Schadensersatzrisiko einschätzen, um zu entscheiden, ob z.B. gegenüber betroffenen Geschäftspartnern ein konfrontatives oder kooperatives Vorgehen angezeigt ist.2
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Klassischerweise kommen vor allem bei kollusivem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, z.B. im Rahmen von Preiskartellen, Schadensersatzansprüche infolge eines kartellbedingt zu viel gezahlten Kaufpreises („Overcharge“) in Betracht.3 Hierbei profitieren geschädigte Unternehmen nicht zuletzt von einer widerleglichen Vermutung, dass ein Kartell einen Schaden verursacht hat,4 von der gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellanten für den entstandenen Schaden5 sowie von einer eher klägerfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.6 Verschiedene einseitige Verhaltensweisen marktbeherrschender oder – im deutschen Recht bereits ausreichend – marktmächtiger Unternehmen können ebenfalls zu Schäden bei betroffenen Marktteilnehmern führen. So kann ein Ausbeutungsmissbrauch (z.B. überhöhte Lizenzgebühren für die Nutzung eines sog. „standardessenziellen Patents“7) Ansprüche der Marktgegenseite nach sich ziehen, während beim Behinderungsmissbrauch (z.B. Kopplungsstrategien beim Vertrieb oder Verweigerung des Zugangs zu erforderlichen Netzinfrastrukturen8) Schadensersatzansprüche der Mitbewerber in Betracht kommen.9
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Insgesamt sind verschiedene Varianten möglich, in denen ein kartellrechtswidriges Verhalten zu erheblichen Schädigungen führen kann und daher eine Geltendmachung von Ersatzansprüchen – gerichtlich oder außergerichtlich – für betroffene Unternehmen erfolgversprechend erscheint (hierzu unter Rn. 5ff.). Aber nicht nur monetäre Aspekte stellen einen Grund für eine mögliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dar. Sowohl die Geschäftsleitungen von Kartellanten als auch die Geschäftsleitungen von potenziell geschädigten Unternehmen müssen in ihrem Abwägungsprozess ihre eigenen (gesellschafts-)rechtlichen Pflichten berücksichtigen. Hierbei können geschädigte Unternehmen aufgrund verschiedener Faktoren sogar verpflichtet sein, Kartellschadensersatzansprüche geltend zu machen (hierzu unter Rn. 16ff.). Potenzielle Kartellanten müssen dies im Rahmen ihres Abwägungsprozesses, ob ein konfrontatives oder kooperatives Vorgehen erfolgversprechender erscheint, berücksichtigen, um die aus einem Kartellverstoß resultierenden Auswirkungen (neben den potenziellen Bußgeldern der Wettbewerbsbehörden) möglichst gering zu halten.10
1 Stancke, WuW 2015, 822. 2 Die Kartellanten müssen das potenzielle Schadensersatzrisiko zudem im Hinblick auf ein behördliches Kartellverfahren abschätzen, ggf. bereits vor Ermittlungshandlungen der Wettbewerbsbehörden. Denn hiervon ist u.a. die mögliche Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden als sog. Kronzeuge abhängig sowie mögliche weitere Vorteile im Hinblick auf das zu erwartende Bußgeld (vgl. Art. 18 Abs. 3 der Kartellschadensersatzrichtlinie) und die Stellung in möglichen Schadensersatzprozessen (vgl. §§ 33e und 33f GWB). Bisweilen ist es auch erforderlich, frühzeitig ausreichende Rückstellungen zu bilden, vgl. hierzu auch Makatsch, CCZ 2015, 127, 129; Polley, in: Fuchs/Weitbrecht, KartellR-HdB, § 3 Rn. 85ff. 3 Vgl. auch Stancke, WuW 2015, 822f. 4 Vgl. gem. § 186 Abs. 3 S. 1 GWB für nach dem 26.12.2016 entstandene Ansprüche: § 33a Abs. 2 GWB; vgl. auch Art. 17 Abs. 2 der Kartellschadensersatzrichtlinie. Zu davor entstandenen Ansprüchen auch: BGH, 11.12.2018, KZR 26/17, ECLI: DE:BGH:2018:111218UKZR26.17.0, Rn. 55f. – Schienenkartell. 5 § 33d GWB i.V.m. §§ 830, 840 Abs. 1 sowie §§ 421 bis 425 BGB; vgl. auch Art. 11 der Kartellschadensersatzrichtlinie; BGH, 19.5.2020, KZR 70/17, ECLI:DE:BGH:2020: 190520UKZR70.17.0 – Schienenkartell III. 6 In jüngerer Zeit: EuGH, 12.12.2019, Rs. C-435/18, ECLI:EU:C:2019:1069 – Otis; EuGH, 14.3.2019, Rs. C-724/17, ECLI:EU:C:2019:204 – Skanska. 7 EuGH, 16.7.2015, Rs. C-170/13, ECLI:EU:C:2015:477 – Huawei/ZTE; vgl. auch BGH, 4.1.2017, KZR 47/14, ECLI:DE:BGH:2017:240117UKZR47.14.0. 8 OLG Düsseldorf, 29.1.2014, VI-U (Kart) 7/13, ECLI:DE:OLGD:2014:0129.VI.U. KART7.13.00; OLG Düsseldorf, 30.9.2009, VI-U (Kart) 17/08, ECLI:DE:OLGD: 2009:0930.VI.U.KART17.08.00. 9 Hierzu auch Meeßen, Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen das EU-Kartellrecht – Konturen eines Europäischen Kartelldeliktsrechts, S. 323ff. m.w.N. 10 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 91a m.w.N.; Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 102a m.w.N.
I. Potenziell erhebliche Schädigung durch Kartelle
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Unternehmen können durch Kartellrechtsverstöße auf vielfältige Art und Weise geschädigt werden. Hierbei geht es nicht nur um klassische Preiskartelle, sondern auch um anderes kollusives Zusammenwirken von Wettbewerbern, wie Markt- und Kundenaufteilungen, sowie Quoten- und Submissionsabsprachen.11 Daneben sind auch kartellrechtswidrige Absprachen entlang der Veräußerungskette12 oder einseitiges kartellrechtswidriges Verhalten13 relevant. Eine kartellrechtswidrige Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen muss auch nicht stets eine vollwertige Absprache zwischen Wettbewerbern darstellen, um wettbewerbsbeschränkend zu wirken.14 Es reicht, wenn Unternehmen bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lassen.15 Hierfür kann16 bereits der Austausch wettbewerblich relevanter Informationen, die Aufschluss über Marktstrategien der Wettbewerber geben und so die Ungewissheit über das künftige Marktgeschehen verringern, genügen.17 Aber auch bei einseitigem kartellrechtswidrigem Verhalten, z.B. in Form des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, kann die Forderung einer Schadenskompensation erfolgversprechend sein. Neben Schäden durch die kartellrechtswidrige Handlung sind in diesem Fall auch Schadensersatzansprüche aufgrund entstandener Rechtsverfolgungskosten (z.B. Abwehrmaßnahmen durch Unterlassungsklagen, Beiladung zu einem kartellbehördlichen Verfahren) wahrscheinlich.18
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Während die Forderung einer Kompensation etwaiger Rechtsverfolgungskosten oder bei kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen direkter Vertragspartner für die Unternehmensleitung betroffener Unternehmen womöglich auf der Hand liegt, sind andere Fälle, wie die mittelbare Schädigung am Ende einer Veräußerungskette, mitunter nicht so einfach zu beurteilen.19
1. Direkte Betroffenheit
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Eine Schädigung kann insbesondere aus einem kartellrechtswidrigen Verhalten direkter Vertragspartner folgen. Hier werden Preise oder Vertragsverhandlungen direkt beeinflusst und ein kausaler Schaden liegt meist auf der Hand,20 so dass die geschädigten Unternehmen regelmäßig gute Erfolgsaussichten haben, eine Schadenskompensation vom Vertragspartner zu erhalten. Mögliche Kartellanten sollten in diesem Fall verstärkt mit Kompensationsforderungen