Engelszwillinge. Laura Wille. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Wille
Издательство: Автор
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Год издания: 0
isbn: 9783964640512
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sich in ihrem Kopf aus. Was wollten diese Typen? Woher kannten sie ihren Chef? Wussten sie denn gar nicht, dass er nicht mehr am Leben war?

      »Alter, sie ist es tatsächlich. Ich habe sie schon öfter dort gesehen, als ich an Henrys Laden vorbeigegangen bin.« Der Größere stieß seinen Kumpel an und grinste.

      »Sag, Kleine, wir haben nichts mehr von ihm gehört. Wie geht es ihm denn so?« Der Dünnere kam näher, musterte Ciel von oben bis unten und rümpfte die Nase, als würde sie stinken.

      »Es geht ihm … gut«, log Ciel schnell. Ihr wurde fast schlecht von dem Gestank des Mannes. »Ich muss jetzt weiter. Auf Wiedersehen.« Sie wollte sich umdrehen, als der Dickere sie am Handgelenk packte.

      »Sag mal, wie kommt Henry an so eine süße kleine Maus wie dich? Wo hat er dich aufgegabelt?«

      Er kam näher, musterte ihr Gesicht und entblößte eine Reihe gelblicher Zähne. Als er ihr mit seiner schmutzigen Hand durch die Haare fuhr, wich Ciel angewidert vor ihm zurück.

      »Willst du nicht lieber bei uns arbeiten? Wir würden dir auch ein wenig mehr Geld bieten als Henry.«

      »So eine süße kleine Maus würde gut in unseren Laden passen. Es wird dir bei uns bestimmt sehr gefallen.«

      Der Dünne trat hinter sie. Ciel stand stocksteif da, doch als er ihr seine Hand auf den Hintern legte, fuhr sie herum.

      »Nein, lasst mich in Ruhe!« Sie holte mit der flachen Hand aus – und verpasste dem dünnen Kerl eine schallende Ohrfeige.

      Er taumelte zurück und presste sich beide Hände an die Stelle, die Ciel getroffen hatte. Augenblicklich stieß er einen erstickten Schrei aus, und als er die zitternden Hände sinken ließ, zeichneten sich blutrote Brandblasen auf seinem Gesicht ab. Es stank nach verbranntem Fleisch. Ciel riss die Augen auf und starrte entgeistert auf ihre Hände. Es war wie bei Lucien – sie hatte es wieder getan. Sie hatte dem Mann die Haut verbrannt, obwohl sie das doch gar nicht gewollt hatte. »E-Es tut mir leid!« Vor lauter Angst vor sich selbst kamen ihr die Tränen.

      »Alter, was ist los?«, rief der dicke Mann entsetzt, doch dann fiel sein Blick auf Ciel. »Du …!«, knurrte er, und seine Miene verzerrte sich zu einer scheußlichen Grimasse. »Was hast du getan, du Göre?«

      Ciel wirbelte herum und wollte wegrennen, doch er packte sie mit einem so festen Griff am Arm, dass sie sich auf die Lippe biss, um nicht zu schreien.

      »Lass mich!«, ächzte sie.

      Toivo bellte, doch keiner beachtete ihn.

      Ciel war von Panik erfüllt, sie wehrte sich und trat um sich. Ihr Fuß knallte mit voller Wucht gegen das schmale Gesicht des dünnen Kerls, der sie ebenfalls packen wollte und nun zusätzlich zu den schmerzhaften Brandblasen auch noch einen Schuhabdruck im Gesicht hatte. Er fiel zu Boden, presste sich die Hände vors Gesicht und rollte auf dem Boden herum wie ein weinendes Kind.

      Der Dicke packte ein großes Büschel ihres blonden Haares.

      »Du Miststück!«

      Dann verpasste er ihr eine Ohrfeige, die so heftig war, dass Ciel zu Boden stürzte und ihr kurz die Luft wegblieb. Sie spürte ihre Wange schmerzhaft pochen, und ihr Kopf dröhnte, als wäre sie gegen eine Wand gerannt. Für einen flüchtigen Moment war ihr wahnsinnig übel und schwindelig, alles drehte sich. Ihre Lippen waren von dem Schlag aufgeplatzt und als sie hochschaute, erstarrte sie. Die beiden Männer hatten sich bedrohlich vor ihr aufgebaut. Sie kniff die Augen zusammen, als sie sah, wie der dicke Typ auf sie zukam. Doch komischerweise spürte sie keine Hände, die sie packten und auf die Beine zerrten. Sie öffnete erst ein Auge, dann das andere – und erschrak.

      Vor ihr stand ein großer Junge, der ihr den Rücken zukehrte. Er hatte schwarze Haare, trug eine schwarze Kapuzenjacke, dunkle Jeans und Kampfstiefel.

      Oscuro.

      Die beiden Männer starrten ihn an, als wäre er vom Mond gefallen.

      »Wer bist du denn?«

      Der Dickere spuckte vor Oscuro aus und beugte sich dicht zu ihm, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten, doch der Junge zuckte mit keiner Wimper und wich auch nicht zurück.

      »Los, verzieh dich. Wir haben mit der Kleinen da ein Hühnchen zu rupfen.« Der Kerl grinste und entblößte seine gelben Zähne.

      Oscuro sah beide mit funkelnden eisblauen Augen schweigend an und bewegte weiterhin keinen Muskel, was sein Gegenüber wohl noch zorniger machte.

      »Willst du auch ein paar aufs Maul haben, Kleiner?«, fragte der Dünnere und knackste mit den Fingerknöcheln.

      Sein Kumpel lachte.

      »Nein, aber wahrscheinlich ihr, weil eure Hirne so klein wie Erbsen sind.« Oscuro grinste beide an, doch genauso schnell, wie sein Grinsen erschienen war, war es auch wieder verschwunden. »Man schlägt keine Frauen, ihr Dreckschweine! Typen, die so etwas tun, sollte man den Arsch versohlen, bis sie Blut spucken und sich auf Knien entschuldigen.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Außerdem ist zwei gegen einen unfair. Sucht euch jemanden in eurer Größe für euren Scheiß.«

      Der dünnere Kerl knirschte mit den Zähnen und knurrte: »Ach ja? Ich glaube nicht, dass dich das hier etwas angeht.« Dann wühlte er in seiner Hosentasche herum, bis er ein Taschenmesser fand. Er holte es heraus und klappte es auf.

      »Du kommst dir wohl besonders cool vor, was?« Diesmal knackste der dickere Kerl mit den Knöcheln. Er holte eine Zigarette aus der Brusttasche seiner Jacke und zündete sie an. Seelenruhig nahm er einen tiefen Zug. »Und jetzt verzieh dich endlich! Wir wollen mit der Kleinen nur ein Wörtchen reden. Mir ist vorhin nur die Hand ausgerutscht. Kommt nicht wieder vor, also komm ja nicht auf die Idee, die Bullen zu rufen. Verschwinde jetzt!« Seine glasigen Augen fixierten Ciel, die sich hinter Oscuro aufrappelte und weit weg von diesem Ort und der angespannten Atmosphäre wünschte.

      »Ihr beide solltet dringend zu einem Schönheitschirurgen, eure Hässlichkeit ätzt einem ja die Augen weg.« Oscuro grinste. »Aber ich kann das auch gerne übernehmen. Ich kann dafür sorgen, dass ihr sogar noch hässlicher ausseht, als ihr es ohnehin schon tut.«

      Der dickere Mann mit Glatze beugte sich wieder zu Oscuro und blies ihm eine dichte Rauchwolke ins Gesicht. »Ja, sprich ruhig weiter. Für jedes Wort bekommst du einen extra Schlag.«

      »Klingt lustig. Ihr seid die hässlichsten Typen mit Sinn für Humor, die ich jemals vermöbelt habe.« Dann fiel sein Blick auf den dünnen Kerl. »Hey, die Brandblasen stehen dir! Ich hoffe, es tut richtig schön weh.« Er lachte und schien sich gar nicht mehr einzukriegen.

      »Leg dich lieber nicht mit uns an, Kleiner. Mein Kumpel hier, der war der beste Boxkämpfer unseres Jahrgangs.« Der dünnere Kerl klopfte seinem Kollegen mit Begeisterung auf die Schulter. »Er prügelt dich krankenhausreif.«

      »Ich glaube, ich muss jetzt so tun, als hätte ich furchtbare Angst vor euch Vollidioten.« Oscuro verschränkte die Arme.

      Der Glatzkopf knirschte mit den Zähnen. »Sobald wir mit dir fertig sind, wirst du dich auf Knien bei uns für deine frechen Worte entschuldigen«, knurrte er.

      »Wie bitte? Ich soll mich entschuldigen, dafür, dass ich die Wahrheit sage?« Oscuro lachte auf.

      Ciel schüttelte den Kopf. Entsetzt fiel ihr Blick auf das Messer. Die Typen waren bewaffnet, stark alkoholisiert, standen einem streitlustigen Jungen gegenüber, der wohl gerne Schlägereien anzettelte und sich dem Ernst der Lage nicht bewusst war. Wenn sie nicht schleunigst etwas unternahm, würde noch etwas Schlimmes geschehen.

      »Ähm … wir wollten gerade gehen!«, sagte Ciel hastig und lauter als gewollt. Das Zittern in der Stimme verriet ihre Nervosität, als sie nach Oscuros Hand griff.

      Er drehte sich fragend zu ihr um.

      »Ihr geht nirgendwohin!«

      Der Glatzkopf stieß ein lautes Knurren aus, dann riss er seinem Kollegen das Taschenmesser aus der Hand. Ciel schlug sich vor Entsetzen die Hand vor den Mund, als sie sah, wie