Die Seelenlicht Chroniken. Katrin Gindele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katrin Gindele
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783946843788
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ich sowieso nicht unter einem Dach leben, nicht einmal für eine Woche und nicht für alles Geld der Welt.

      Während das Essen auf dem Herd vor sich hin köchelte, holte ich das Besteck und zwei Teller aus dem Schrank und deckte schweigend den Tisch. Sollte er verschwinden, konnte ich den zweiten Teller immer noch zurück in den Schrank stellen.

      Der Typ stand weiterhin an derselben Stelle, als wäre er im Wohnzimmer am Holzboden festgewachsen. Doch seine Augen folgten jeder meiner Bewegungen, was mich nervös machte, weil ich es nicht sonderlich mochte, wenn ich beobachtet wurde.

      »Was muss alles repariert werden?«, fragte er plötzlich.

      Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, aus dem Typen schlau zu werden. »Im Bad flackert das Licht«, setzte ich an. »Der Wasserhahn in der Küche tropft. Im Flur gibt es zwei Steckdosen, die nicht funktionieren, und wenn es regnet, lässt sich die Haustür nicht mehr schließen.«

      Früher hatte Dad sich um solche Sachen gekümmert, zusammen mit Tony. Ich war den beiden oft zur Hand gegangen, wenn im Haus etwas repariert werden musste. Mit Hammer und Bohrmaschine konnte ich umgehen, das war kein Problem, doch manchmal gab es Situationen, da musste ich passen. Vor allem, was mit Strom zu tun hatte, wie die defekten Steckdosen beispielsweise, hatte ich eine Menge Respekt.

      »In Ordnung«, nickte er und holte mich damit aus meinen Gedanken. »Solange ich bei euch wohne, kann ich mich etwas nützlich machen.« Mit wenigen Handgriffen zog er die schwarze schmale Tasche von seinem Rücken, beugte sich vor und legte sie behutsam auf unserem Sofa ab.

      »Spielst du Golf?«, wollte ich mit einem Blick auf die Tasche wissen.

      Hier in der Nähe gab es einen Golfplatz, das wusste ich, da mir Patrizia unlängst davon erzählt hatte. Ihr Vater war ein begeisterter Spieler.

      »Eigentlich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Da sind nur ein paar Klamotten drin und …« Seine Augen wurden ein wenig schmaler. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte er, ohne den vorherigen Satz zu beenden.

      Entschlossen, ihm noch eine Chance zu geben, weil er sich reumütig gab, reichte ich ihm die Servietten. »Das Essen ist gleich fertig«, erklärte ich und zog den Topf mit den Nudeln vom Herd, um das Wasser abzugießen. Die erste Portion war für Mom.

      Guter Dinge schnappte ich mir den Teller und marschierte nach oben. Doch Mom brachte kaum etwas hinunter, ein paar wenige Happen nur. Immerhin schon mehr, als sie noch zum Frühstück geschafft hatte. Das ließ mich hoffen.

      »Wie geht es ihr?«, fragte Mickal, als ich mit dem fast vollen Teller zurück in die Wohnküche kam.

      »Nicht sehr gut«, seufzte ich und stellte den Rest des Essens in den Kühlschrank. »Seit Dad und Tony tot sind, baut sie massiv ab.«

      Inzwischen hatte Mickal unsere Teller befüllt. Wir aßen schweigend, denn noch immer war ich mit den Gedanken bei Mom. Ihr Zustand machte mir schwer zu schaffen, viel mehr, als ich wahrhaben wollte.

      Nach dem Essen ließ ich Wasser ins Becken und begann damit, das Geschirr von heute Morgen abzuspülen. »Manchmal hab ich das Gefühl, sie will einfach nicht mehr«, sprach ich meinen letzten Gedanken laut aus.

      Mickal griff wie beiläufig nach dem Geschirrtuch, nahm einen Teller und trocknete ihn ab. »Dir geht es scheinbar auch nicht besonders gut«, stellte er fest. Seine Augen hefteten sich auf meinen eigenen Teller, der neben mir auf der Anrichte stand.

      Zögernd folgte ich seinem Blick. »Manchmal bin ich abends so müde, dass ich nichts mehr essen will«, gestand ich schulterzuckend, da ich das Gefühl hatte, mich rechtfertigen zu müssen. »Dafür könnte ich am nächsten Morgen eine ganze Wagenladung verputzen.« Ich musste lächeln bei dem Gedanken.

      Als ich den Kopf hob, begegneten sich unsere Blicke, und ich hätte schwören können, dass er ebenfalls lächelte.

      Mickal war riesig und breitschultrig. Unter seinem eng anliegenden Shirt wölbten sich kräftige Oberarmmuskeln. Sein kantiges Kinn und die vollen Lippen harmonierten perfekt miteinander. Und erst diese Augen …

      Ich wusste nicht, wie lange ich mit dem nassen Teller in der Hand dagestanden und ihn angestarrt hatte, als wäre er von einem anderen Planeten. Irgendwann wurde mir bewusst, dass er grinste. Meine Wangen wurden heiß vor Scham.

      »Gefällt dir, was du siehst?«

      Seine Frage traf mich absolut unvorbereitet. Auf der Stelle wurde ich feuerrot im Gesicht. »Ganz und gar nicht«, stotterte ich und reichte ihm den letzten Teller, ohne ihn noch einmal anzusehen.

      Normalerweise war ich weder schüchtern noch auf den Mund gefallen. Bis jetzt hatte ich immer einen lockeren Spruch auf den Lippen gehabt, sobald mich ein Typ angebaggert hatte. Bei den wöchentlichen Cocktailabenden mit Patrizia und meinen Freunden war so etwas schon mehr als nur einmal vorgekommen. Italienische Männer verstanden sich sehr gut darauf, eine Frau charmant und mit allerlei Komplimenten um den Finger zu wickeln.

      Bis heute war es mir dank meiner Schlagfertigkeit immer gelungen, die Männer auf Abstand zu halten, weil ich dafür momentan einfach keine Nerven hatte. Doch dieser Typ schaffte es mit einer einzigen Bemerkung, dass ich mich vor Scham am liebsten unter den alten Holzdielen verkriechen wollte.

      »Möchtest du auch ein Glas Wein?«, fragte ich, um das bedrückende Schweigen zwischen uns zu brechen. Ohne seine Antwort abzuwarten, nahm ich zwei Gläser vom Regal, öffnete den Küchenschrank und klemmte mir die angebrochene Flasche unter den Arm.

      Sobald Mom schlief und die Hausarbeit erledigt war, setzte ich mich vor dem Schlafengehen gern mit einem Glas Wein auf die kleine Terrasse neben der Wohnküche, um den Tag ausklingen zu lassen. Unsere Terrasse war nicht sehr groß, es reichte gerade einmal für einen kleinen Tisch, zwei Stühle und eine Pflanzschale voller Lavendel. Dennoch liebte ich meine stille Oase über alles und freute mich jeden Abend darauf.

      Mit der rechten Hand schob ich den Riegel hoch, drückte die Glastür auf und trat ins Freie. Sofort strömte mir der herrliche Lavendelgeruch in die Nase. Ich seufzte wohlig, stellte beide Gläser samt Flasche auf den Tisch, zündete mit der Packung Streichhölzer, die immer griffbereit lag, das Windlicht an und ließ mich anschließend auf einen der beiden Stühle sinken.

      Mickal war mir nach draußen gefolgt, wie ich erfreut feststellte. Ich füllte die Gläser, während er auf dem anderen Stuhl Platz nahm.

      »Es ist sehr schön hier«, sagte er und schaute sich um. »Klein, aber fein.«

      Lächelnd nickte ich. »Manchmal, wenn der Wind günstig steht, ist die Luft erfüllt vom Geruch des Meeres. Man kann fast das Salz auf der Zunge schmecken.«

      »Du wohnst hier oben auf dem Hügel, ganz allein mit deiner Mutter, umgeben von Wald und Wiesen«, stellte er fest und runzelte die Stirn. »Hast du keine Angst vor Überfällen?«

      Ich zögerte, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, doch nachdem ich ihm vorhin meine halbe Lebensgeschichte an den Kopf geworfen hatte, machte das wohl auch nichts mehr aus. »Das war das einzige halbwegs erschwingliche Haus in der Gegend«, setzte ich an. »Mom war es leid, noch weiterzusuchen. Sie meinte, wir machen es uns schon gemütlich.«

      Was sie auch tatsächlich geschafft hatte, trotz der offensichtlichen Mängel. Das Haus war von ihr mit sehr viel Liebe eingerichtet worden, und wenn man mal von dem langen Weg absah, den man zu Fuß bewältigen musste, falls man wie ich kein Auto besaß, dann war es hier oben gar nicht so übel.

      »Dann trinken wir auf bessere Tage«, schlug Mickal mit einem Lächeln vor und hob sein Glas.

      Ich tat es ihm gleich, lächelte zurück und prostete ihm zu. Nach dem ersten Schluck gähnte ich, meine Augen wurden immer schwerer.

      »Das Sofa ist wahrscheinlich viel zu klein für dich«, bemerkte ich nebenbei. »Tut mir leid, dass ich dir nichts Besseres anbieten kann als abgestandenen Wein und einen unbequemen Schlafplatz.«

      »Aber das Essen war ausgezeichnet«, gab er zu Protokoll. »Und wenn ich vielleicht kurz duschen könnte, wäre ich vollauf zufrieden mit meiner derzeitigen