Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band. Anonym. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anonym
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966512312
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Hochzeitsfeier zugegen gewesen waren, sowie die Sklavinnen des Palastes in zwei Reihen auf und jubelten der Braut und dem Bräutigam zu, als diese hineingingen; dann baten sie um Urlaub, und alle gingen, indem sie das Paar ihren Genüssen im Bett überließen. In dieser Weise wurde Tag für Tag das Hochzeitsfest gefeiert; mit immer neuen Speisen und neuen Spielen, neuen Tänzen und neuer Musik; und hätte Prinz Ahmad unter den Sterblichen tausend Jahre gelebt, nie hätte er solche Gelage gesehen, solche Lieder gehört oder solches Liebesglück genossen.

      Schnell flossen ihm so im Feenlande sechs Monde dahin, an der Seite Peri-Banus, die er mit so tiefer Liebe liebte, daß er sie nicht einen Augenblick aus den Augen verlieren mochte; sondern so oft er sie einmal nicht ansah, fühlte er sich rastlos und unbehaglich. Und ebenso war auch Peri-Banu ganz erfüllt von Liebe zu ihm, und sie suchte ihrem Gatten mit jedem Augenblick durch neue Künste der Tändelei und frische Erfindungen der. Lust immer mehr zu gefallen, bis seine Leidenschaft so verzehrend wurde, daß der Gedanke an Haus und Sippe, Verwandte und Freunde aus seinem Geist entschwand und aus seiner Seele floh. Doch nach einer Weile erwachte sein Gedächtnis aus dem Schlummer, und zuzeiten ertappte er sich dabei, wie er sich danach sehnte, seinen Vater zu sehen, obwohl er wußte, daß er unmöglich erfahren konnte, wie es dem Fernen ging, wenn er nicht selber auszog, ihn zu besuchen. Und also sprach er denn eines Tages zu Peri-Banu: ›Wenn es dir so gefällt, bitte, befiehl mir, daß ich dich auf ein paar Tage verlasse und meinen Vater besuche, der sich zweifelsohne ob meiner langen Abwesenheit grämt und alle Qualen der Trennung von seinem Sohne erduldet.‹ Als aber Peri-Banu diese Worte hörte, da war sie in schwerer Betrübnis betrübt, denn sie dachte in ihrem Herzen, dies sei nur ein Vorwand, ihr zu entfliehen, nachdem Genuß und Besitz ihm ihre Liebe schal gemacht hätten. Gab sie zur Antwort: ›Hast du dein Gelübde vergessen und dein verpfändetes Wort, daß du mich jetzt zu verlassen wünschest? Haben Liebe und Sehnsucht aufgehört, dich zu erregen, während mir das Herz noch wie immer beim bloßen Gedanken an dich vor Entzücken pocht?‹ Versetzte der Prinz: ›O Geliebte meiner Seele, meine Königin, Kaiserin, was sind das für Zweifel, die deine Seele heimsuchen? Und weshalb solche traurigen Ahnungen und schmerzlichen Worte? Ich weiß recht wohl, daß deine Liebe und Neigung zu mir sind, wie du sagtest; und erkennte ich diese Wahrheit nicht an oder zeigte mich undankbar oder ließe es daran fehlen, daß ich dich mit einer ebenso warmen und tiefen, ebenso zärtlichen und echten Leidenschaft ansähe, wie du mich, so wäre ich wahrlich ein undankbarer und schwarzer Verräter. Ferne sei es von mir, daß ich die Trennung von dir wünschte, und nie ist mir der Gedanke in den Sinn gekommen, dich zu verlassen, um nie zurückzukehren. Aber mein Vater ist jetzt ein hochbetagter Greis, und er grämt sich schwer ob dieser langen Trennung von seinem jüngsten Sohne. Wenn du mir Urlaub geben wolltest, so würde ich ihn gern besuchen und dann mit aller Eile in deine Arme kehren; doch möchte ich auch hierin nichts wider deinen Willen tun; und also ist meine herzliche Liebe zu dir, daß ich gern zu allen Stunden des Tages und in allen Wachen der Nacht an deiner Seite wäre, um dich keinen Augenblick zu verlassen.‹ Diese Worte trösteten Peri-Banu ein wenig; und an seinen Blicken, Worten und Handlungen erkannte sie, daß er sie wirklich mit herzlichster. Liebe liebte, und daß sein Herz ihr so stahltreu war wie seine Zunge. Und sie gewährte ihm Urlaub und ließ ihm Freiheit, aufzubrechen und seinen Vater zu besuchen, während sie ihm doch zugleich streng anbefahl, nicht lange bei den Seinen zu verweilen.

      Jetzt aber vernimm, o glücklicher König Schahryar, was dem Sultan von Hindostan widerfuhr, und wie es ihm erging, als sich Prinz Ali mit der Prinzessin Nur al-Nihar vermählt hatte. Denn als er die Prinzen Husain und Ahmad viele Tage lang schon nicht mehr gesehen hatte, wurde er äußerst traurig und schweren Herzens, und eines Morgens nach dem Darbar fragte er seine Veziere und Minister, was mit ihnen geschehen sei und wo sie wären. Darauf erwiderten seine Berater: ›O unser Herr und Schatten Allahs auf Erden, dein ältester Sohn, die Frucht deines Leibes und der Erbe deines Reiches, der Prinz Husain, hat in seiner Enttäuschung und Eifersucht und in seinem bitteren Gram die königlichen Gewänder abgelegt, um Einsiedler zu werden, Heiliger, und alle weltliche Liebe und Lust von sich abzutun. Und auch Prinz Ahmad, dein dritter Sohn, hat in wildem Groll die Stadt verlassen; und von ihm weiß niemand, ob er geflohen ist, oder was ihm sonst widerfuhr.‹ Der König war schwer bekümmert, und er befahl ihnen, unverweilt an alle Nabobs und Statthalter in den Provinzen Firmans zu schreiben und sie sofort zu entsenden, und ihnen einzuschärfen, daß sie genau nach dem Prinzen Ahmad suchen und ihn seinem Vater schicken sollten, sowie er gefunden wäre. Aber obwohl man seinen Befehlen aufs Wort gehorchte und alle, die da suchten, die größte Sorgfalt verwendeten, fand niemand eine Spur von ihm. Da befahl der Sultan in steigender Trauer seinem Großvezier, auszuziehen auf die Suche nach dem Flüchtling, und der Minister erwiderte: ›Auf meinem Haupte sei es und auf meinen Augen! Dein Diener hat bereits in allen Gegenden sorgfältigst suchen lassen, aber noch hat sich nicht die geringste Spur gefunden, und das beunruhigt mich um so mehr, als er mir teuer war wie ein Sohn.‹ Die Minister und Großen begriffen jetzt, daß der König übermannt war vom Schmerz, und daß seine Augen voll Tränen standen und das Herz ihm schwer war ob des Verlustes des Prinzen Ahmad. Da dachte der Großvezier an eine Hexe, berühmt ob ihrer schwarzen Kunst, die die Sterne vom Himmel zu ziehen wußte; und sie war bekannt in der Stadt, da sie dort wohnte. Und er ging zum Sultan und pries ihr Geschick, die verborgenen Dinge zu erkennen, indem er sprach: ›Möge der König, ich bitte dich, nach dieser Zauberin senden und sie befragen nach dem verlorenen Sohn.‹ Und der König versetzte: ›Dein Wort ist gut: laß sie zu mir bringen, und vielleicht wird sie mir Kunde geben von dem Prinzen und von seinem Ergehen.‹ Da holten sie die Zauberin und setzten sie vor den Sultan, der zu ihr sprach: ›O mein gutes Weib, ich möchte dir zu wissen tun, daß seit der Hochzeit des Prinzen Ali mit der Herrin Nur al-Nihar mein jüngster Sohn, der Prinz Ahmad, enttäuscht in seiner Liebe zu ihr, aus unseren Augen entschwunden ist, und niemand weiß von ihm. Benutze du alsbald deine Zauberkunst und sag mir nur dies eine: lebt er, oder ist er tot? Wenn er lebt, so möchte ich erfahren, wie es ihm ergeht und wo er ist; und ferner möchte ich fragen: Steht es in meinem Buche des Schicksals geschrieben, daß ich ihn noch einmal sehen werde?‹ Versetzte die Hexe: ›O Herr der Zeit und Herrscher der Stunden und des Jahrhunderts, es ist mir nicht möglich, all diese Fragen sofort zu beantworten, denn sie greifen ins Wissen um die verborgenen Dinge; aber wenn deine Hoheit mir einen Tag der Frist gewährt, so will ich meine Bücher der Schwarzkunst zu Rate ziehen, und morgen will ich dir eine genügende und ausreichende Antwort geben.‹ Dem stimmte der Sultan bei, indem er sprach: ›Wenn du mir genaue und peinliche Antwort geben kannst und mich beruhigst nach all diesen Schmerzen, so sollst du gewaltigen Lohn erhalten, und ich will dich mit den höchsten Ehren ehren.‹ Und am nächsten Tage bat die Zauberin, begleitet von dem Großvezier um Erlaubnis, vor der Majestät zu erscheinen, und als sie gewährt war, trat sie vor und sprach: ›Ich habe ausführlich gesucht mit Hilfe meiner Kunst und meiner Geheimnisse, und ich habe mich überzeugt, daß Prinz Ahmad noch im Lande der Lebenden weilt. Also mache dir keine Sorge um seinetwillen; aber zunächst kann ich außer diesem einen sonst nichts über ihn entdecken, noch auch kann ich sicher sagen, wo er ist und wie man ihn finden kann.‹ Bei diesen Worten tröstete sich der Sultan, und die Hoffnung keimte in seiner Brust, daß er seinen Sohn noch wiedersehen würde, ehe er stürbe.

      Doch kehren wir jetzt zu Prinz Ahmad zurück. Als Peri-Banu begriff, daß er gewillt war, seinen Vater zu besuchen, und als sie sich überzeugte, daß seine Liebe zu ihr wie zuvor fest und unerschüttert blieb, da sann sie nach und kam zu dem Schluß, daß es ihr schlecht anstehen würde, wenn sie ihm zu solchem Zweck Urlaub und Freiheit versagte; und sie überlegte sich alles noch einmal im Geiste, und manche Stunde schwankte sie hin und her, bis sie sich schließlich an einem Tage unter den Tagen zu ihrem Gatten wandte und sprach: ›Obgleich mein Herz nicht darein willigt, daß ich mich auch nur einen Augenblick von dir trenne oder dich nur eine Sekunde aus den Augen verliere, so will ich doch deinen Wunsch nicht länger durchkreuzen, dieweil du mich viele Male gebeten hast und dich so begierig zeigest, deinen Vater zu besuchen. Aber diese meine Gunstbezeugung hängt von einer Bedingung ab; sonst werde ich dir deine Bitte nie gewähren und dir keinerlei Erlaubnis geben. Schwöre mir den feierlichsten Eid, daß du in aller nur möglichen Eile hierher zurückkehren willst, und daß du mir nicht durch lange Abwesenheit den Schmerz der Sehnsucht machen wirst, so daß ich in Ängsten deiner wohlbehaltenen Rückkehr harre.‹ Da dankte ihr Prinz Ahmad, sehr zufrieden, daß er das Ziel seiner Wünsche erreichte, und sprach: ›O meine