Bemerken Sie hingegen, dass Ihr Gegenüber zurückweicht, während es mit Ihnen spricht, so merken Sie sich die Distanz, bei der die andere Person stoppt. Halten Sie diesen sicheren Kommunikationsabstand ein, wann immer Sie mit dieser Person reden, auch wenn Sie selbst es vorziehen, etwas näher bei ihr zu stehen. Wenn eine Person Ihnen auf aggressive Weise näher kommt, stehen Sie aufrecht, bleiben Sie freundlich und bestimmt. Wenn Sie weichen müssen, tun Sie das zur Seite hin, nicht nach hinten. Ein bisschen Beobachtungsgabe und Anpassung Ihrerseits führt oft zu einer Balance, die sich für beide Teile gut anfühlt.
2.3 Höhen- und Größenunterschiede
Auf der Suche nach der Balance zwischen Nähe und Distanz zum Patienten sollten Sie vertikale wie auch horizontale Abstände beachten. Wenn Sie einen Patienten, der vor Ihnen sitzt oder im Bett, auf dem Behandlungstisch oder einer Trage liegt, deutlich überragen dann drückt das einen Machtunterschied aus. Vermeiden Sie es deshalb zu stehen, wenn Ihr Gesprächspartner sitzt oder liegt. Nehmen Sie sich einen Stuhl, und setzen Sie sich zu ihm, oder begeben Sie sich auf gleiche Höhe.
Sitzt Ihr Gegenüber vor einer Wand – wie es oft im Wartezimmer der Fall ist, und Sie rücken Ihren Stuhl an ihn heran, dann passen Sie auf, dass Sie ihm nicht zu nahekommen. Denn wenn Ihr Gesprächspartner viel persönlichen Raum braucht, kann er oder sie nun nicht mehr nach hinten ausweichen. Wenn Sie Kindern oder Personen begegnen, die sehr viel kleiner als Sie sind, begeben Sie sich auf Augenhöhe mit ihnen. Der folgende Tagebucheintrag von Eleanor Laser zeigt, warum es besonders wichtig ist, seine Größe anzupassen, wenn man mit Kindern zu tun hat.
Die Frau mit den schwarzen Zähnen
In meinem ersten Gespräch mit einer neuen Patientin bemerkte ich schnell, dass sie nie lächelte, nicht ein einziges Mal. Der Grund dafür kam schnell ans Licht. Die Frau hatte Zähne, die schwarz vor Fäulnis waren, und für die sie sich sehr schämte. Die Patientin hatte eine schwere Phobie vor Zahnärzten. Das letzte Mal, als sie beim Zahnarzt war, war sie fünf Jahre alt. Jetzt war sie 35. Bei ihrer Behandlung konnte ich herausfinden, dass der Zahnarztbesuch im Alter von 5 Jahren der Auslöser für ihre Angst vor dem Zahnarzt war. Es scheint, dass die Zahnarzthelferin sie damals zwang, während der zahnärztlichen Behandlung still zu halten, indem sie ihr drohte: »Beweg dich nicht, sonst kommt der Zahnarzt und zieht dir alle Zähne raus.«
Ich konnte in einer geleiteten Exploration ihrer Erinnerungen feststellen, dass diese schockierenden Bemerkungen noch nicht einmal der Hauptgrund für die Zahnphobie der Patientin waren. Das Mädchen war sehr klein und die Zahnarzthelferin sehr groß. Sie ragte bedrohlich über dem Kind auf. Diese Erinnerung offenbarte das unterschwellige Problem, das die Patientin quälte. Die Größe und Distanz der Zahnarzthelferin waren das Bedrohlichste, nicht das, was sie sagte. Die Zahnarztphobie der Patientin und ihre daraus resultierenden schwarzen Zähne gingen also hauptsächlich auf das persönliche Raumproblem zurück.
2.4 Barrieren
Auch natürliche Barrieren müssen beachtet werden, wenn man ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Abstand zu Patienten finden möchte. Wenn der Patient hinter einem Tisch oder einem anderen Gegenstand steht, schafft das eine Barriere, im buchstäblichen und im übertragenen Sinne. Im Allgemeinen gilt die Regel, Barrieren möglichst zu vermeiden und die Zeit, die sie uns und unser Gegenüber trennen, so kurz wie möglich zu halten.
Setzen Sie sich deshalb so, dass sich kein Tisch oder Gerät zwischen Ihnen und dem Patienten befindet. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dass während der Behandlung etwas zwischen Ihnen und dem Patienten steht, dann verbringen Sie ein paar Augenblicke bei dem Patienten, bevor Sie mit der Behandlung beginnen.
Falls Sie beide sitzen, platzieren Sie sich im 45-Grad-Winkel zueinander. Einer Person direkt gegenüberzusitzen kann für diese unangenehm sein. Sitzt man Seite an Seite mit dem Patienten, kann man ihn nicht gut anschauen, die Situation passt mehr zu einem romantischen Szenario. Sitzt man hinter dem Patienten, ist das vielleicht für eine Psychoanalyse angemessen, für einen Kontakt im medizinischen Kontext, wie wir ihn in diesem Buch beschreiben, ist dies jedoch ungeeignet.
Merke
Das individuelle Gefühl für Raum und Abstand ist ein wichtiger Faktor, den Sie beachten sollten, wenn Sie den Kontakt zu Patienten aufbauen.
Obwohl die meisten Menschen ein Gleichgewicht finden und sich während einer Unterhaltung wechselseitig an den vom anderen bevorzugten Abstand anpassen, sind manche Menschen sehr stark an ihre eigene Präferenz gebunden.
Unter Stress verringert sich meistens die Fähigkeit, sich automatisch an die Bedürfnisse des Gegenübers nach Abstand anzupassen, auch wenn man das unter normalen Umständen gut kann.
Die medizinische Fachkraft lässt den Patienten die Regeln für den Kontakt bestimmen. Sie passt sich an den Patienten an, um den Rapport zu erleichtern.
Vermeiden Sie es, Ihrem Patienten von oben herab zu begegnen, und begeben Sie sich auf Augenhöhe mit ihm.
Vermeiden oder minimieren Sie Barrieren zwischen sich und Ihrem Patienten.
Fokussieren Sie sich während des Erstkontakts mit einem Patienten darauf, die bestmögliche Balance zwischen Nähe und Abstand zu finden. Nehmen Sie das Verhalten des Patienten als Gradmesser, während Sie dezent verschiedene Abstände zum Patienten ausprobieren.
Mit Patienten und anderen Kommunikationspartnern, die einen anderen persönlichen Abstand bevorzugen, als Sie selbst, ist es wichtig, eine angenehme Atmosphäre herzustellen.
Gelegenheiten zum Üben
Machen Sie sich das nächste Mal, wenn Sie mit einem Kollegen, Freund oder unbekannten Menschen kommunizieren, bewusst, wie dieser darauf reagiert, wenn Sie näher heranrücken oder sich von ihm entfernen. Geht er oder sie dann auf Sie zu oder weiter von Ihnen weg? Welche Distanz scheint sich für Ihren Gesprächspartner gut anzufühlen?
Akzeptieren Sie es, wenn Menschen näher an Sie herantreten, als Sie es bevorzugen, und passen Sie sich an deren Abstand an, anstatt die Distanz zu ihnen zu vergrößern.
3 Rapport durch Spiegeln der Körperhaltung herstellen
Fallbeispiel 3: Spiegeln oder nicht spiegeln, das ist die Frage
Wir bildeten damals eine Gruppe von Medizinern in speziellen Methoden für schnellen Rapport aus. Wir hatten das Konzept des Spiegelns der Körperhaltung des Gesprächspartners als effektiven Weg vorgestellt, um rasch Rapport zu ihm oder ihr herzustellen. Eleanor Laser erklärte nun, dass Menschen, die miteinander in Rapport sind, automatisch ihre Körperhaltung aneinander anpassen. Dieser Prozess laufe zwar unbewusst und instinktiv ab. Man könne Rapport aber auch bewusst herstellen, indem man gezielt die Körperhaltung des Gegenübers spiegelt. Als Eleanor Laser ihren Gedanken beendete, protestierte eine der Pflegerinnen vehement: Sie würde das nie tun, weil es ihr viel zu künstlich vorkäme, absichtlich eine Körperhaltung nachzuahmen. Ihre Kollegin und Freundin neben ihr stimmte ihr zu und sagte, sie sei derselben Ansicht. Beide schienen das Konzept der Haltungsanpassung komplett abzulehnen, stimmten jedoch zu, an einem Experiment teilzunehmen, bei dem sie die Körperhaltung eines Gesprächspartners in einer schwierigen Unterhaltung spiegeln sollten.
Nach dem Experiment berichteten beide Frauen, sie hätten sich wirklich bemüht, es aber einfach nicht geschafft. Weiterhin zweifelten sie die Kernaussage