Lotterleben. harald hohensinner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: harald hohensinner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748599357
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gesagt, ich suche auch nicht ihre Nähe. So schaut es also mit meinem Elternhaus aus.“ Ich unterbreche kurz meinen Monolog und schaue mich um, wie meine Kollegen reagieren.

      Fast mitleidig klopfen sie mir einer nach dem anderen auf die Schulter, Eimer umarmt mich sogar.

      „Hallo, Leute, ihr müsst mich keinesfalls bedauern. Ich bin ich und ich möchte den Leitspruch meines Vaters beherzigen, ,Hol dir das Leben ab‘.“ Mir ist klar, dass es für mich viel mehr vom Leben abzuholen gibt, als ständig zu saufen. Im Moment bin ich in der Phase der Orientierung und ich hoffe, den Weg, der für mich passt, bald zu finden. Aus Vorsätzen Wirklichkeit werden zu lassen, eine Mammutaufgabe, ist ein erklärtes Ziel, hoffentlich auch meines. Gilt übrigens auch für euch. Darauf sollten wir trinken.“

      Wir leeren eine Anzahl weiterer Flaschen, um meine Ansprache zu begießen, welche sich aber in der Zwischenzeit in den Gehirnen der Zuhörenden längst im Dunst des Alkohols aufgelöst haben dürfte.

      Auf unserem Weg zu Sonja begleiten uns heftiger Regen und Wind. Ich sehe mich schon wieder unter der Brücke liegen, eine kalte Nacht, nass und zitternd vor Kälte. Ich muss mich endlich um ein Quartier kümmern, ermahne ich mich. Kurz bevor wir Sonjas Kiosk erreichen, quert eine Person, die ich zu kennen glaube, den kleinen Platz.

      Es ist der Herr Hofrat. Wie immer mit Hut und Stock, aber diesmal ohne Schirm. Er muss auf dem Nachhauseweg von seinem Vormittagsspaziergang sein. Aber ich kann ihn jetzt unmöglich ansprechen – ich muss mein Fundstück bei ihm zuhause abgeben. Ob er sich darüber freuen wird, oder den Verlust womöglich bereits vergessen hat? Heute noch begebe ich mich zum Tulpenweg, nehme ich mir vor, um eine entsprechende Konversation in Gang zu bringen, dessen Abschluss sich vielleicht in einer Übernachtungsmöglichkeit für mich krönt.

      Ich schließe zu meinen Kumpels auf, und als wir den Kiosk erreichen, sehe ich keine Sonja hinter dem Tresen stehen. Enttäuscht muss ich feststellen, dass ihre Mutter sie heute vertritt.

      „Sie hat einen Arzttermin mit ihrer Tochter“, erklärt sie uns kurz angebunden und rückt mit vollen Bierflaschen im Arm an.

      Dieses Bier schmeckt mir sowieso nicht besonders. Aber was soll’s, ich werde deswegen nicht auf Apfelsaft umsteigen. Ich entscheide mich, unauffällig zu verschwinden.

      Kapitel 5

      Die Haare mit den Fingern durchgekämmt, meine feuchte Jacke in Position gebracht, läute ich die Klingel. Lange Zeit tut sich nichts. Als ich schon den Rückzug antreten will, öffnet sich die Tür. Herr Pokorny erscheint und ruft völlig unvermittelt und laut: „Ich kaufe nichts, ich spende nichts!“ Dennoch scheint er neugierig zu erfahren, wer denn da geläutet hat. Langsam nähert er sich der Gartentür.

      „Was wollen Sie?“, fragt er mich unwirsch.

      Ich nehme die Geldbörse aus der Jackentasche und halte sie dem Hofrat unter die Augen.

      „Ich habe Ihre Geldbörse gefunden“, sage ich und warte seine Reaktion ab. Er betrachtet das corpus delicti, nimmt es in die Hand, öffnet die Börse und prüft den Inhalt. Ich habe den Anschein, als kenne er das Fundstück gar nicht.

      Dann schaut er mich an. „Wo haben Sie die Börse gefunden?“, will er wissen.

      „In der Nähe des Kiosks – vor dem kleinen Park beim Bahnhof“, erkläre ich.

      Dann nickt er zustimmend: „Ja, das ist tatsächlich meine Geldbörse. Die Kreditkarte ist auch noch drin, aber die ist sowieso schon ungültig.“ Er taxiert mich misstrauisch und fährt in unwirschem Ton fort: „Jetzt erwarten Sie wohl einen Finderlohn von mir, was?“ Er schaut mich durchdringend an.

      „Das ist Ihre Entscheidung, Herr Hofrat“, bemühe ich mich um eine möglichst kleinlaute Antwort.

      Er nimmt eine nagelneue Geldbörse aus der Gesäßtasche, entnimmt zwanzig Euro und reicht sie mir wortlos mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Danke“, sage ich und versuche ein Gespräch bezüglich eines Quartiers einzuleiten. „Sagen Sie, Herr Hofrat, vermieten Sie ein Zimmer in Ihrem Haus, vielleicht im Erdgeschoß. Ich bin Jus-Student und muss aus meiner bisherigen Bleibe heraus?“

      Er mustert mich von oben bis unten, sein Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass er von meinem Antrag nicht unbedingt erpicht ist.

      „Ich könnte Ihnen auch für diverse Besorgungen an die Hand gehen oder vielleicht im Garten behilflich sein“, lege ich nach, wobei mir zugleich bewusst ist, bei der Gartenarbeit deutlich über das Ziel geschossen zu haben.

      Der Herr Hofrat antwortet mit einigem Bedacht: „Das geht mir zu schnell, junger Mann. Geben Sie mir eine Adresse, ich melde mich beizeiten bei Ihnen.“

      Das hatte ich befürchtet, damit kann ich mich jedoch nicht zufrieden geben.

      „Herr Hofrat, darf ich in zwei, drei Wochen wieder vorbeischauen und nachfragen?“

      Er nickt und fragt nach meinem Namen. Dann bedankt er sich noch einmal, dreht sich um und zieht sich zurück in sein Domizil.

      Ich würde sagen: ein Teilerfolg. Das gibt zumindest einige Hoffnung. Zufrieden kehre ich zum Sammelpunkt Hessenpark zurück, um den Alkoholpegel an das übliche Maß anzupassen.

      Heute ist der Tag des Auszugs aus meinem Quartier. Ich hätte schon vor vier Wochen das Feld räumen sollen, doch da niemand kontrolliert hat, bin ich geblieben. Aber gestern am späten Nachmittag sind sie massiv aufgefahren: Frontlader, Bagger, Kipper. Sie alle haben ihre Schaufeln wie große Münder drohend auf das kleine Häuschen gerichtet, so als wollten sie sagen: „Räume diesen Platz, sonst verschlucken wir dich!“

      Meine Habseligkeiten sind schnell eingepackt, der Rucksack ist halbvoll. Alte, kaputte Sachen, wie Sandalen, zerschlissene T-Shirts, ein demolierter Schirm, bleiben zurück. Zurück bleiben auch ein paar Erinnerungen, Erlebnisse, die es nicht wert sind, sie zu speichern. Mit dem Auszug verblassen auch die letzten Begegnungen mit Vater, die gut gemeinten Ermahnungen, doch die letzten großen Prüfungen zu machen, um dann als fertiger Magister durch die Tür dieser kargen Wohnung in ein besseres, komfortableres Zuhause zu ziehen. Dazu hat er mir seine finanzielle Unterstützung angeboten. Er sieht nicht, wie sein Sohn, der Sandler, heruntergekommen und finanziell am Nullpunkt aus diesem Loch schleicht und eigentlich nicht weiß, wohin er kommende Nacht sein Haupt betten wird. Ich schlucke kurz und muss feststellen, dass ich nicht der harte Alfred bin, den ich vorgebe zu sein. Es liegt an mir, nur an meiner Person, eine grundlegende Änderung herbeizuführen.

      „Nimm einen deiner Vorsätze endlich ernst und realisiere ihn, Alfred Hauser!“, sagt mir meine eigene Stimme.

      Ob ich meinen Rat befolge – ich weiß es nicht.

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