Chiffre 2.0. Chris Chiffre. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Chiffre
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037371
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»Oh, so ziemlich mitten in der Nacht, würd ich sagen.«

       »Wie lange …?«

       »Ein paar Stunden. Wie fühlst Du Dich?«

       Ich richte mich langsam, gestützt auf meine Arme, auf und horche einen Moment in mich hinein.

       »Ausgeruht. Ja.«»Na dann …«

       »Wieso weckst Du mich?«

       »Er will Dich sehen.«

       »Jetzt?«

       »Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Du verbringst die Zeit mit ihm, die er Dir zuweist. Oder soll ich im sagen, Du seist unpässlich?«

       »Nein«, fahre ich erschreckt auf. Der Gedanke macht mir regelrecht Angst. Ich stelle mir vor, wie ärgerlich er sein würde, wenn ich ihm divenhaft ausrichten ließe, ich stehe gerade nicht zur Verfügung.

       Zögern kann Bestrafung nach sich ziehen, bei Weigerung ist mir Strafe gewiss – so steht es in dem Kontrakt, den ich unterzeichnet habe. Ich springe aus dem Bett und bin sofort hellwach, ja aufgewühlt. Vivien lächelt amüsiert.

       »Wohin … was …?«, stammle ich. So wach bin ich anscheinend doch noch nicht.

       Meine Freundin grinst. »Entspann Dich. Zieh Dich an und mach Dich zurecht. Eine Garderobe hast Du ja.«

       »Verrätst Du mir bitte, wo, in welchem Rahmen wir uns treffen werden? Will er mit mir dinieren? Oder erwartet er mich in seinem Schlafzimmer?« Als ich mich den letzten Satz sagen höre, schlägt mein Herz schneller.

       Vivien stemmt die Hände in die Seite und schaut amüsiert. »Dinieren … so könnte man es nennen. Schau mich an.«

       Ich mustere sie. Vivien trägt ein seidenes, weinrotes Cocktailkleid. Ihre Schuhe haben recht hohe Absätze, wie immer. Sie hat eine Perlenkette um und eine Clutch in der Hand. Ihr Make-up ist dunkel, die Wangen sind betont. Sie sieht bezaubernd aus.

       »Wir gehen jedenfalls nicht zur Frittenbude«, scherzt sie.

       »M-hm«, mache ich nur. Es ist falsch, so zu denken, aber gerade fühle ich einen kalten Stachel von Eifersucht in meiner Brust. Vivien sieht so toll aus – wie kann ich mit ihr konkurrieren? Doch dann schelte ich mich selbst für diesen Gedanken: DU bist es, den er sehen will, nicht seine …? Wie hatte Vivien sich genannt? Seine Chefsekretärin? Irgendwie seltsam, eine Sekretärin, die für ihren Boss seine neue Lustsklavin wäscht, rasiert und …Meine Freundin schaut mich mit schräg gelegtem Kopf an und scheint zu versuchen, meine Gedanken zu erraten. Sie verzieht einen Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen und sagt im Gehen: »Ich lass Dich dann mal allein und warte der Eingangshalle.« Und schon ist sie verschwunden.

       Gestern sind wir zurück zu seiner Villa gefahren, wo vor Kurzem – und doch scheint es mir wie eine Ewigkeit her – alles begonnen hat. Ich habe diesen Kontrakt unterschrieben, in dem ich mich ihm ganz und gar verschreibe. Ihm, den eine so hypnotisierende Aura umgibt wie keinen Mann, dem ich zuvor begegnet bin. Ich soll in einem Brieftagebuch einem mir völlig Unbekannten, jemandem aus einer Chiffre-Anzeige, von meinem Werdegang berichten. Als Vivien und ich zurückkehrten von … ja man kann sagen von meiner Verwandlung, da habe ich mich erst einmal daran setzen und das Erlebte aufarbeiten müssen. Es wurde nicht ein Brief an diesen mir unbekannten Beichtvater, es wurde fast ein halbes Dutzend! Und nun bin aufgewacht, nein aufgeweckt worden, nachdem ich mich, erschöpft vom Schreiben und ausgelaugt von all dem Neuen, gestern endlich schlafen gelegt habe.

       Ich habe noch nicht viel von seinem Anwesen gesehen, aber er scheint eine Schwäche für viktorianisches Mobiliar zu haben: Hohe Wände mit wuchtigen Gemälden mir unbekannter Männer und Frauen in Kleidern des 19. Jahrhunderts, Stuckarbeiten an den Decken, Kronleuchter und goldene Kerzenständer, dunkle Holzmöbel mit floralen Ornamenten und rote, schwere Teppiche, welche die Schritte dämpfen. Dennoch ist es nicht düster hier – zumindest nicht dort, wo ich bislang hingeführt wurde. Licht durchflutet die allseits weiß getünchten Räume. Der Blick durch die Fenster öffnet sich weit über die Gärten, die Rasenflächen, weiße Springbrunnen, Rosenstöcke und Beete mit Strelizien und Fresien in kräftigem, leuchtenden Orange.

       Ich sollte nicht weiter trödeln und mich endlich für unser Treffen vorbereiten. Ich bin so aufgeregt! Nach einigem Hin und Her entscheide ich mich für ein petrolfarbenes, nahtloses Kleid. Es ist schulterfrei und recht kurz – ich liebe es, wie meine Beine darin zur Geltung kommen. Ich wähle passende, dunkle Smaragdohrringe, habe aber leider keine passende Kette dazu. Doch der silberne Armreif scheint mir gut geeignet.

       Ich nehme vor der Schminkkommode mit dem großen Diamantschliffspiegel Platz. Das Tolle an dieser neuen Frisur, die ich seit gestern habe, ist, dass sie auch zerstrubbelt toll aussieht. Ich zupfe mir meinen kecken Kurzhaarschnitt nur ein Wenig zurecht und schminke mich. Augenbetont, ja, so soll es sein, entscheide ich. Meine Lippen male ich mir dunkler, als ich es sonst mache. Dieser neue Typ, der mir da im Spiegel entgegenfunkelt, gefällt mir! Ich muss mir selber zulächeln und bin stolz und voller Erwartung, wie ihm meine neue Erscheinung gefallen wird.

       Ich rausche die Treppe hinab zu Vivien. Sie hebt die Augenbrauen, als sie mich sieht, mustert mich und kann es nicht unterdrücken, auch sie muss grinsen. »Du wirst ihn umhauen, wenn er Dich so sieht!«

       »Wohin gehen wir?«

       »In das Gartenhaus.«»Sein Garten ...?«»Dieses Anwesen hier ist ziemlich groß. Kannst Du eigentlich reiten? Zu den Stallungen werden wir bestimmt irgendwann auch noch kommen.«»Nein, leider nicht.«»Du wirst es lernen.«

       »Hat er das gesagt?«»Das sage ich. Aus Erfahrung.«

       Viviens Kommentar bedrückt mich. Und es geht nicht darum, dass Pferde mir nie sonderlich geheuer waren.»Wie viele ...?«»Was?«

       »Wie viele gab es eigentlich vor mir.«

       »Warum willst Du das wissen?«

       »...«

       »Ist das von Bedeutung für Dich?«

       »Ich weiß nicht.«

       »Würde es etwas ändern am Hier und Jetzt, für Dich, für ihn, wenn ich Dir sagte, es waren Etliche ...?«

       Etliche.

       »... oder nur Wenige?«

       »Ich weiß nicht, Vivien.«

       »Würde es was ändern, wenn ich sagte, er macht das zum ersten Mal und hat noch keine Erfahrung in der Rolle des Doms?«

       Ich überlege kurz. »Ja. Das würde es bestimmt. «

       »Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass er schon erfahren ist und demnach weiß, was er tut?«

       »Schon ...«, sage ich zögerlich. Aber irgendwie kommen mir Viviens Gegenfragen manipulativ vor. Doch ich merke auch, ich werde keine klare Antwort von ihr bekommen, also belasse ich es dabei. Etliche oder wenige.

       Wir sind herausgetreten und stehen auf dem blendend weißen Kiesgrund. Es ist tatsachlich tiefe Nacht, aber warm. »Hat oder hatte er mal mehrere gleichzeitig?«, platzt es aus mir heraus.

       Vivien wirft mir einen Seitenblick zu. »Wie einen Harem?«, entgegnet sie in spöttischem Ton.Wieder weiß ich nichts zu sagen und schaue sie nur mit halboffenem Mund an. »Oder meinst Du im Bett?«

       Jetzt reiße ich auch die Augen auf. So hatte ich es gar nicht gemeint, aber jetzt