Tilman Janus
Der Frühling kommt!
Zwölf schwule Erotikgeschichten
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Inhaltsverzeichnis
DER STECHER
Alle hatten eins, nur ich nicht. Die Kumpels, die auf dem Bock saßen, also unsere Fernfahrer sowieso, die Lagerarbeiter, die Montagespezialisten und sogar die blassen Kollegen im Büro, zu denen ich gehörte. Alle hatten ein Tattoo, meistens mehrere. Selbst der große Boss, der Besitzer unserer Logistik-Firma, ein massiger Typ um die fünfzig, sollte auf der behaarten Brust ein Herz mit Pfeil und zwei Buchstaben eintätowiert haben, aus seiner Jugendzeit, so wurde jedenfalls gemunkelt. Ich kam mir mit meinen neunundzwanzig Jahren vor wie ein Milchbubi! Nun musste ich endlich mal den Mut fassen und mir auch ein bisschen Körperschmuck zulegen.
Es war Mai, aber die Sonne brannte vom Himmel wie im Hochsommer. Ich hatte eine Woche Urlaub, das war die Gelegenheit. Zuerst schaute ich mir die verschiedenen Tattoo-Studios an, die es in unserer Stadt gab. Keines gefiel mir so richtig. Dann merkte ich, dass ich einfach nur Angst hatte. Wenn sogar Finke, der Buchhalter, dieser dürre Familienvater, einen Schnörkel auf dem Oberarm trug, dann würde es doch wohl nicht so schlimm sein!
Am nächsten Vormittag walzte ich also zu einem der abgelegenen Studios, das nicht so von Prominenten überlaufen war. Die Tür des Keller-Ladens stand offen, doch es war niemand zu sehen. Ich ging die Treppe hinunter und schaute mich ein bisschen um. Da hing die Maschine, mit der die Tattoos gestochen wurden. Wie eine große Drahtspinne wirkte sie. Auf einem Tischchen lagen Folien, die spitzen Nadelsätze, Desinfektionsmittel und verschiedene Farbtöpfchen. Daneben standen ein großer Stuhl wie bei einem Zahnarzt und ein langer Tisch, der einer Streckbank in einer Folterkammer ähnelte. Mir wurde doch ein bisschen komisch zumute. Es war kaum kühler hier unten, die Hitze floss von der Straße in den Laden wie heiße Suppe.
An den Wänden des kleinen Kellerraums hingen Zeichnungen, Entwürfe und eine Menge Fotos von frisch Tätowierten. Einen Ehrenplatz hatten die Bilder von Männern aus Tahiti, die ihre traditionellen Tattoos auf ihren wunderschönen, jungen Körpern zur Schau trugen. Ich starrte auf die Abbildungen und seufzte. So gut würde ich niemals aussehen, auch mit hundert Tattoos nicht!
Hinter mir räusperte sich jemand. Ich fuhr herum.
Unmittelbar vor meinen Augen befand sich eine breite, glatt rasierte Brust, die über und über mit bunten Tattoos bedeckt war. Aus der verschlungenen Bilderflut ragten zwei dicke, fleischige Nippel auf.
Langsam ließ ich meinen Blick höher gleiten. Ein Riese stand da und grinste mich freundlich von oben an. Seine Schultern waren noch mächtiger als die von unseren Packern im Betrieb. Die Muskeln schienen dem Typen beinahe aus der bemalten Haut zu platzen. Seine Oberarme wirkten dicker als bei anderen Männern die Schenkel. Auch dort war alles mit Tattoos bedeckt, vom Hals bis zu den Handgelenken.
»Hallo!«, schnaufte er freundlich. »Was hast du denn für Wünsche?«
Also, ganz ehrlich, das konnte ich ihm nicht sagen! Dann hätte er mich gleich rausgeworfen. Ich hoffte nur, dass ihm mein Ständer nicht so auffiel, und dass mir nicht zu viel Honig rauslief, weil es sonst einen nassen Fleck in meinen Jeans gegeben hätte.
»Ich möchte gern ein Tattoo«, sagte ich, als ob ich beim Fleischer stände und hundert Gramm Salami verlangte.
»Zum ersten Mal hier?«, fragte er.
Na klar, dass man mir das anmerkte! Ich nickte.
Er grunzte. »Hast du's dir gut überlegt? So'n Bildchen geht nämlich nie mehr weg!«
»Ja, logo!« Ich nickte entschieden. »Ich wollte schon lange, aber … na ja …«
Er grinste übers ganze, gutmütige Gesicht. »Beim ersten Mal muss man sich schon trauen. Beim zehnten bist du dann ganz cool.« Ich riss die Augen auf. Zehn Tattoos? Ich? »Also, ich bin der Mark. Und wie heißt du?« Er guckte mich fröhlich aus seinen blauen Augen an. Obwohl er bestimmt älter war als ich, vermutlich fast vierzig, wirkte er jung. Er trug die kurzen, blonden Haare zu einer strubbeligen Bürste gegelt.
»Julius.«
»Ahach, Julius. Was willst du denn haben?«
Wieder so eine Frage! Verstohlen schielte ich zu seiner Beule in den Jeans. Mann, oh, das war der absolute Hammer! Der blaue Stoff war vorne schon ganz hell, weil er vermutlich überall mit der fetten Wölbung hängen blieb und sich die Farbe abscheuerte. Mein Blick blieb auch hängen, bis ich es endlich merkte und total verlegen zur Seite sah.
»Weiß nicht …«, murmelte ich. »So was Schwarzes vielleicht wie die da?« Ich zeigte auf die Tahitianer.
»Ist 'n ziemlicher Oldie, so was. Tribal ist auch out, keltisches Zeug und so. Jetzt hat man chinesische Sachen, farbig!« Er deutete auf seinen fantastischen Brustkasten.
»Ist wohl ziemlich aufwändig, oder?«
Er strich sich über den nackten, bunten Oberkörper. »Ist aber auch gut!«
Ich musste ihn wieder anstarren, ich konnte einfach nicht anders. Sah seine Schwanzbeule jetzt nicht noch dicker aus als vorhin? Der Schweiß trat mir auf die Stirn. War ja auch ein wahnsinnig heißer Tag! Wie auf Tahiti!
»Also, Julius«, schnurrte der Riesenkerl wie eine gemütliche Perserkatze. »Ich mach dir 'nen schönen Drachen. Mit farbigen Schuppen. So einen, der Feuer spuckt.«
»Okay!«, sagte ich nur. Ich hätte alles akzeptiert, was er wollte. Wenn er mir eine lila Straßenbahn als Motiv vorgeschlagen hätte, hätte ich auch ja gesagt.
»Und wo soll er hin?« Mark musterte mich neugierig von oben bis unten.
»Na ja, ich dachte … also auf den Arm vielleicht …«, stotterte ich.
Mark zog die Augenbrauen hoch. Sein voller, erstaunlich weicher Mund ging an den Winkeln nach unten. »Arm bloß? Das hat doch jeder!«
»Was