Bambis Kinder. Felix Salten. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Salten
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754188835
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Falkenruf, sauste schwirrender Entenflug.

      Faline und die Kinder schliefen friedlich. Der Wald war erwacht.

      Ein sachter Wind strich durch die Bäume, daß sie leise rauschten. Feurig stieg die Sonne empor, eine am Himmel lodernde, aber wohltuend zärtliche Flamme.

       * * *

      II

      In der abendlichen Dämmerstunde gingen die Kinder mit ihrer Mutter auf die Wiese.

      Gurri wollte vorauseilen, doch Faline rief sie zurück.

      »Ich habe dir streng verboten, so allein hinauszurennen! Du mußt warten, bis ich draußen bin. Halte dich an deinen Bruder; er ist folgsam, und er bleibt artig hinter mir. Denke doch an die Gefahr!«

      »Ich bin sehr hungrig«, entschuldigte sich Gurri.

      »Oh, wenn sie Hunger hat, vergißt sie alles«, spottete Geno, »da wird meine Schwester sogar tapfer.«

      »Die einzige Tapferkeit, die sich für uns schickt, ist wachsame Angst«, erklärte Faline.

      Sie stand und prüfte die Gerüche mit witternder Nase, ließ die Augen überall umherschweifen, fragte die Elster, die zum Nest flog, ob etwas Bedrohliches im Anzug wäre.

      »Nichts! Weit und breit nichts«, antwortete die Elster und verschwand.

      »Weit und breit nichts«, wiederholte das Eichhörnchen, das von oben, von den höchsten Zweigen herunterturnte, auf einem breiten Ast saß, die Fahne aufgepflanzt hatte und die Vorderpfoten beteuernd an die weiße Brust drückte. »Ich habe mich genau umgeschaut – keine Gefahr!«

      Trotzdem blieb Faline, ohne sich zu rühren, wo sie stand. Nur ihre Lauscher spielten, ihre Nase zog immer Witterung ein. Im Gitter des Laubes war ihr Gesicht kaum wahrnehmbar.

      Die Amsel beendigte ihr Abendlied. Der Kuckuck ließ einen letzten Ruf vernehmen; dann wechselte er auffällig den Platz, um nächtliche Verfolger zu täuschen, flog bald dorthin, bald dahin und setzte sich schließlich irgendwo, dicht an einen Baumstamm gedrängt, zur Ruhe.

      Der Specht schlief schon. Selbst der mißtrauische Häher barg den Kopf unter die Schwinge. Die Meisen, die Tauben verstummten.

      Durch die Luft brauste Entenflug. Ein Reiher zog mit ausgebreitetem Fittich, die langen, dünnen Ständer stramm nach hinten gestreckt, im erblaßten Firmament dahin. Er glich einem Schwimmer; die Menschen erinnerte er an ein Flugzeug.

      Vom Dickicht der Holunderbüsche her tönte jetzt das holde Singen der Nachtigall.

      »Ist Tante Rolla mit den Kindern schon draußen?« erkundigte sich Gurri ungeduldig.

      »Nein«, sagte Faline.

      »Na eben«, meinte Gurri, »wir gehen immer viel zu früh weg von der Wiese und manchmal zu früh hinaus.«

      »Du aber redest viel zu viel«, tadelte Geno.

      Faline trat Schritt vor Schritt auf die Wiese, sicherte noch eine kleine Weile, kehrte sich dann zur grünen Wand des Dickichts und rief leise: »Jetzt kommt!«

      Die Kinder sprangen hinaus.

      Geno fing sogleich zu äsen an.

      Plötzlich hob er das Haupt, lief zur Mutter und erkundigte sich: »Bist du auch ganz gewiß, daß keine Gefahr droht?«

      Ehe Faline antworten konnte, meldete Gurri: »Da sind sie ja! Tante Rolla und Boso und Lana!«

      Die drei spazierten mitten über die Wiese. Sorglos hielt Rolla ihre Mahlzeit, während die Kleinen miteinander spielten, auch hie und da ein wenig naschten.

      Gurri rannte ihnen entgegen; possierlich unbeholfen, doch anmutig wie alle diese Rehkinder.

      Etwas langsamer folgte ihr Geno; seine schüchternen Sprünge, sein oftmaliges Innehalten und sein rasches, altkluges, sicherndes Aufwerfen nahmen sich noch drolliger aus. Er hatte die vollendete Grazie der Unschuld.

      Boso und Lana stürmten heran, so heftig, daß sie die zarten Läufe spreizen mußten, als sie stehenblieben.

      »Da ist ein merkwürdiger Geselle«, berichtete Boso atemlos.

      »Ihr müßt ihn euch anschauen«, fügte Lana hinzu, »wir führen euch zu ihm.«

      »Er wird schon auf und davon sein«, zögerte Geno.

      Aber Lana versicherte: »Oh, der marschiert nicht so schnell.«

      »Ist es kein Feind?« erkundigte sich Geno.

      »Ein Freund ist er gerade nicht«, sagte Boso heiter.

      Belustigt stellte Lana fest: »Freund oder Feind, das bleibt bei dem kleinen Kerl ganz egal.«

      Gurri drängte: »Ich will ihn sehen.«

      Die drei Kinder überhörten Genos Einwand, »wenn er kein Freund ist, mag ich ihn überhaupt nicht«. Sie liefen einfach drauflos. Dabei hopsten sie kreuz und quer, konnten eine geradlinige Richtung kaum halten, so spielerisch und ungeschickt wie sie waren.

      Geno folgte ihnen bedächtig, aber neugierig.

      »Komm doch her!« rief ihm Boso zu.

      Und Gurri beruhigte ihn: »Du brauchst keine Angst zu haben!«

      Dann umstanden alle vier den Igel, der mürrisch dahockte und sie mit den dunklen Perlen seiner Augen anfunkelte.

      Boso wollte ihn beschnuppern, fuhr aber erschrocken zurück. »Er sticht!« sagte er bedauernd.

      Der Igel sträubte zornig seine Stacheln.

      Gurri und Lana fühlten sich getrieben, das gleichfalls zu versuchen. Behutsam schnupperten sie an dem Fremden und zuckten ergötzt in die Höhe. »Wirklich!« bestätigten sie, »er sticht!«

      »Höre, mein Guter«, sprach Gurri zu ihm, »es ist sehr klug von dir, daß du dich so bewaffnest; aber uns brauchst du nicht zu stechen. Wir tun dir nichts!«

      »Wir tun keinem etwas«, erklärte Geno.

      Der Igel murrte: »Ich lasse mir nichts tun!«

      »Wie schön wäre das«, seufzte Lana, »wenn wir solche Waffen hätten! Lang, scharf und spitz!«

      »Am ganzen Körper!« träumte Gurri.

      Geno meinte sehnsüchtig: »Vieles wäre leichter für uns!« Er fragte: »Wer bist du eigentlich?«

      Der Igel grollte: »Wer ich bin, geht dich ein Staubkorn an. Mich kümmert's auch nicht, wer du bist.«

      »Was für ein grober Bursche«, entrüstete sich Gurri.

      Die feine schwarze Schnauze des Igels regte sich; er zog die Mundwinkel nach aufwärts, als lächelte er hämisch: »Ich finde keine Ursache, mit euch höflich zu sein. Ihr stört mich. Gebt mir den Weg frei.«

      »Ja«, entschied Geno nachgiebig, »lassen wir ihn gehen.«

      Die anderen stimmten bei: »Lassen wir ihn gehen.«

      Sie wendeten sich fort. Nur Geno kehrte noch einmal um. »Entschuldige«, sagte er mild, und da keine Antwort kam, wiederholte er, »entschuldige, wir haben dich nicht beleidigen wollen.«

      Der Igel schwieg geringschätzig, voll Aerger. Er watschelte, eifrig suchend und schwerfällig, weiter.

      Eine Weile tummelten sich die Kinder übermütig umher; das Gras zischte seidig, wie sie mittendurch dahinfuhren.

      »Boso läuft am schnellsten«, sprach Gurri mit Anerkennung. Sie mochte ihn gerne und wollte ihn ermuntern.

      »Gefahr! Gefahr!« rief Lana mit raschem Einfall.

      Sofort