Professor Bernhardi. Arthur Schnitzler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Schnitzler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754188385
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Schwester, Oskar. Begrüßung.

      BERNHARDI noch an der Türe. Aber –

      SCHWESTER nimmt ihm den Überzieher ab, den er umgehängt trägt, und hängt ihn an einen Haken.

      KURT. Also, ich kann mir nicht helfen, Herr Professor, dem Doktor Adler wäre es ja doch lieber gewesen, wenn die Diagnose des Professor Ebenwald gestimmt hätte.

      BERNHARDI lächelnd. Aber, lieber Doktor Pflugfelder! Überall wittern Sie Verrat. Wo werden Sie noch hinkommen mit Ihrem Mißtrauen?

      HOCHROITZPOINTNER. Guten Morgen, Herr Professor.

      BERNHARDI. Guten Morgen.

      HOCHROITZPOINTNER. Höre eben von Herrn Doktor Oskar, daß wir recht behalten haben.

      BERNHARDI. Ja, Herr Kollege. Aber wir haben doch zugleich unrecht behalten? Oder hospitieren Sie nicht mehr bei Professor Ebenwald?

      OSKAR. Der Doktor Hochroitzpointner hospitiert ja beinahe auf allen Abteilungen.

      BERNHARDI. Da müssen Sie viele Patriotismen auf Lager haben.

      HOCHROITZPOINTNER bekommt schmale Lippen.

      BERNHARDI ihm die Hand leicht auf die Schulter legend, freundlich. Na, also was gibt's denn Neues?

      HOCHROITZPOINTNER. Der Sepsis geht's recht schlecht.

      BERNHARDI. So lebt also das arme Mädel noch?

      KURT. Die hätten sie sich auch auf der gynäkologischen Abteilung behalten können.

      OSKAR. Sie haben vorgestern grad kein Bett freigehabt.

      HOCHROITZPOINTNER. Was werden wir denn eigentlich als Todesursache angeben?

      OSKAR. Na, Sepsis natürlich.

      HOCHROITZPOINTNER. Und Ursache der Sepsis? Weil's ja doch wahrscheinlich ein verbotener Eingriff war –

      BERNHARDI der unterdessen am Tisch einige Schriftstücke unterzeichnet hat, du ihm die Schwester vorlegte. Das konnten wir nicht nachweisen. Eine Verletzung war nicht zu konstatieren. Die Anzeige ist erstattet, damit ist für uns die Sache erledigt. Und für die arme Person drin ... war sie's schon früher.

      Er steht auf und will sich in den Krankensaal begeben.

      Professor Ebenwald kommt, sehr großer; schlanker Mensch, gegen 40, umgehängter Überzieher, kleiner Vollbart, Brille, redet bieder und mit einem zuweilen etwas übertriebenen österreichischen Akzent. Hochroitzpointner, Schwester, Oskar, Prof. Bernhardi, Kurt.

      EBENWALD. Guten Morgen. Ist vielleicht – Ah, da sind Sie ja, Herr Direktor.

      BERNHARDI. Guten Tag, Herr Kollege.

      EBENWALD. Haben Herr Direktor eine Minute Zeit für mich?

      BERNHARDI. Jetzt?

      EBENWALD näher zu ihm. Wenn es möglich wäre. Es ist nämlich wegen der Neubesetzung der Abteilung Tugendvetter.

      BERNHARDI. Eilt das gar so? Wenn Herr Kollege mich vielleicht in einer halben Stunde in der Kanzlei –

      EBENWALD. Ja, wenn ich da nicht grad meinen Kurs hätte, Herr Direktor.

      BERNHARDI nach kurzer Überlegung. Ich bin drin bald fertig. Wenn Sie sich vielleicht hier gedulden wollen, Herr Kollege.

      EBENWALD. Bitte, bitte.

      BERNHARDI zu Oskar. Hast du dem Doktor Hochroitzpointner das Sektionsprotokoll schon gegeben?

      OSKAR. Ja, richtig Nimmt es aus seiner Tasche. Sie sind vielleicht so gut, Herr Kollege, und tragen es gleich ein.

      HOCHROITZPOINTNER. Bitte.

      Bernhardi, Oskar, Kurt, Schwester in den Krankensaal.

      Ebenwald, Hochroitzpointner.

      HOCHROITZPOINTNER setzt sich und macht sich bereit zu schreiben.

      EBENWALD ist zum Fenster gegangen, schaut hinunter, wischt sich die Brille.

      HOCHROITZPOINTNER beflissen. Wollen Herr Professor nicht Platz nehmen.

      EBENWALD. Lassen Sie sich nicht stören, Hochroitzpointner, Na, wie geht's denn immer?

      HOCHROITZPOINTNER sich erhebend. Danke bestens, Herr Professor. Wie's halt geht, ein paar Wochen vor dem letzten Rigorosum.

      EBENWALD. Na, es wird Ihnen schon nix g'schehn – bei Ihrem Fleiß.

      HOCHROITZPOINTNER. Ja, praktisch fühle ich mich leidlich sicher, aber die graue Theorie, Herr Professor.

      EBENWALD. Ah so. Na, war auch nie meine starke Seite. Näher zu ihm. Wenn es Sie beruhigt, bin seinerzeit aus der Physiologie sogar durchgesaust. Sie sehen, es schad't der Karriere nicht besonders.

      HOCHROITZPOINTNER der sich niedergesetzt hat, lacht erfreut.

      EBENWALD Hochroitzpointner über die Schulter schauend. Sektionsprotokoll?

      HOCHROITZPOINTNER. Jawohl, Herr Professor.

      EBENWALD. Große Freude in Israel – wie?

      HOCHROITZPOINTNER unsicher. Wie meinen, Herr Professor?

      EBENWALD. Na, weil die Abteilung Bernhardi triumphiert hat.

      HOCHROITZPOINTNER. Ah, Herr Professor meinen, daß der Tumor abgegrenzt war.

      EBENWALD. Und ist ja tatsächlich von der Niere ausgegangen.

      HOCHROITZPOINTNER. Aber mit absoluter Sicherheit war das doch eigentlich nicht zu konstatieren. Es war doch mehr, wenn ich so sagen darf, ein Raten.

      EBENWALD. Aber Hochroitzpointner, raten –! Wie können Sie nur –! Intuition heißt man das! Diagnostischen Scharfblick!

      HOCHROITZPOINTNER. Und zu operieren wär's doch keinesfalls mehr gewesen.

      EBENWALD. Ausgeschlossen. Das können sich die drüben im Krankenhaus erlauben, solche Experimente, aber wir, in einem verhältnismäßig jungen, sozusagen privaten Institut – Wissen S', lieber Kollega, es gibt so Fälle, wo immer nur die Internisten fürs Operieren sind. Dafür operieren wir ihnen dann immer zuviel. – Aber schreiben S' nur weiter.

      HOCHROITZPOINTNER beginnt zu schreiben.

      EBENWALD. Ja richtig, entschuldigen Sie, daß ich Sie noch einmal störe. Sie hospitieren doch natürlich auch auf der Abteilung Tugendvetter?

      HOCHROITZPOINTNER. Jawohl, Herr Professor.

      EBENWALD. Ich möcht Sie nämlich im Vertrauen fragen. Wie tragt denn eigentlich der Doktor Wenger vor?

      HOCHROITZPOINTNER. Der Doktor Wenger?

      EBENWALD. Na ja, er suppliert doch den Alten öfters, wenn der grad dringend auf die Jagd fahren muß oder zu einem ang'steckten Fürsten geholt wird.

      HOCHROITZPOINTNER. Ja freilich, da tragt dann der Doktor Wenger vor.

      EBENWALD. Also, wie tragt er denn vor?

      HOCHROITZPOINTNER unsicher. Eigentlich ganz gut.

      EBENWALD. So.

      HOCHROITZPOINTNER. Vielleicht etwas zu – zu gelehrt. Aber recht lebendig. Freilich – aber, ich darf mir vielleicht nicht erlauben, über einen künftigen Chef –

      EBENWALD. Wieso künftiger Chef? Das ist noch gar nicht entschieden. Sind auch andere da. Und im übrigen, das ist doch ein Privatgespräch. Wir könnten grad so gut im Riedhof drüben miteinander sitzen und plaudern. Na, reden Sie nur. Was haben Sie gegen den Doktor Wenger? Volkes Stimme, Gottes Stimme.

      HOCHROITZPOINTNER. Also, gegen seinen Vortrag hab ich eigentlich weniger, aber so seine ganze Art. Wissen, Herr Professor, so ein bißchen präponderant ist er halt in seinem Wesen.

      EBENWALD. Aha. Das, worauf Sie da anspielen, ist wahrscheinlich identisch mit dem, lieber Kollege, was mein Vetter neulich im Parlament so zutreffend den Jargon der Seele genannt hat.

      HOCHROITZPOINTNER.