»Ja, und dann schicken Sie doch auch, bitte, meine Sense zu Tit; er soll sie dengeln und morgen mit hinausbringen; vielleicht mähe ich auch mit«, sagte er, bemüht, seiner Verlegenheit Herr zu werden.
Der Verwalter antwortete lächelnd: »Wie Sie befehlen.«
Abends beim Tee teilte Ljewin es auch seinem Bruder mit.
»Es scheint, wir werden jetzt anhaltend gutes Wetter haben«, sagte er. »Morgen fange ich an zu mähen.«
»Das ist eine Arbeit, die ich sehr gern habe«, erwiderte Sergei Iwanowitsch.
»Ich habe sie außerordentlich gern. Ich habe schon früher manchmal mit den Bauern zusammen gemäht, und morgen habe ich vor, den ganzen Tag zu mähen.«
Sergei Iwanowitsch hob den Kopf in die Höhe und sah seinen Bruder neugierig an.
»Wie meinst du das? Ganz ebenso wie die Bauern, den ganzen Tag?«
»Ja, das macht viel Vergnügen«, antwortete Ljewin.
»Jedenfalls eine vorzügliche körperliche Übung; nur wirst du es schwerlich aushalten können«, erwiderte Sergei Iwanowitsch ohne allen Spott.
»Ich habe es schon versucht. Am Anfang ist es ja schwer; nachher findet man sich hinein. Ich denke, ich werde hinter den andern nicht zurückbleiben ...«
»Na so was! Aber sag mal, was machen denn die Bauern dazu für Gesichter? Die spötteln gewiß darüber, daß der Herr solche sonderbaren Einfälle hat?«
»Nein, das glaube ich nicht; und dann ist es auch eine so lustige und zugleich eine so schwere Arbeit, daß man gar keine Zeit hat, sich Gedanken zu machen.«
»Aber wie wirst du es denn mit dem Mittagessen halten, wenn du da mit ihnen zusammen bist? Dir eine Flasche Lafitte und eine gebratene Pute hinschicken zu lassen, würde doch nicht recht passend sein.«
»Nein; während ihrer Ruhepausen will ich nach Hause kommen, sonst nicht.«
Am andern Morgen stand Konstantin Ljewin früher als sonst auf; aber allerlei Wirtschaftssachen hielten ihn auf, und als er auf seinem Pferde zur Wiese hinauskam, gingen die Mäher schon in der zweiten Reihe.
Schon von der Anhöhe aus erblickte er unter sich den im Schatten liegenden, bereits gemähten Teil der Wiese mit den grauen, durch das Mähen entstandenen Streifen und mit schwarzen Haufen, die von den Röcken der Mäher gebildet wurden; die Mäher hatten ihre Röcke an der Stelle niedergelegt, wo sie die erste Reihe begonnen hatten.
In dem Maße, wie er näher kam, wurden ihm immer deutlicher die Bauern sichtbar, die in langgestreckter Reihe einer hinter dem andern einherschritten und in verschiedener Art die Sensen schwangen; manche hatten die Röcke anbehalten, andere waren in Hemd und Hose. Er zählte ihrer zweiundvierzig Mann.
Sie bewegten sich langsam über den unebenen Wiesengrund hin, wo ehemals ein Teich gewesen war. Einige von seinen eigenen Bauern erkannte Ljewin. Da war der alte Jermil, der ein sehr langes weißes Hemd (nach Bauernsitte über der Hose) trug und sich bei jedem Schwunge der Sense tief bückte; da war der junge Wasili, Ljewins früherer Kutscher, der bei jedem Streiche weit ausholte. Da war auch Tit, in der Kunst des Mähens Ljewins Berater, ein kleines, mageres Männchen. Er schritt, ohne sich zu bücken, als erster vor den anderen dahin und schnitt, als ob er mit der Sense spiele, seine breite Reihe nieder.
Ljewin stieg vom Pferde, band es neben dem Wege an und begab sich zu Tit, der aus einem Busche eine zweite Sense hervorholte und ihm hinreichte.
»Sie ist in Ordnung, Herr, scharf wie ein Rasiermesser; sie mäht ganz von selbst«, sagte Tit, indem er lächelnd die Mütze abnahm und ihm die Sense übergab.
Ljewin nahm die Sense und holte ein paarmal damit aus. Nach Beendigung ihrer Reihen traten die schweißbedeckten Mäher einer nach dem andern fröhlich auf den Weg und begrüßten, ein wenig spöttisch lächelnd, ihren Herrn. Sie blickten ihn alle an; aber keiner sagte etwas, bis ein hochgewachsener Alter, mit runzligem, bartlosem Gesichte, in einer Jacke von Schaffell, auf den Weg heraustrat und sich an ihn wandte:
»Vergiß nicht, Herr: wer angefangen hat, muß auch bis zu Ende durchhalten!« sagte er, und Ljewin hörte ein unterdrücktes Lachen unter den Mähern.
»Ich werde mir Mühe geben, nicht zurückzubleiben«, antwortete er, stellte sich hinter Tit auf und wartete auf den neuen Beginn der Arbeit.
»Vergiß nicht, was ich gesagt habe«, sagte der Alte noch einmal.
Tit machte einen Platz frei, und Ljewin trat hinter ihn. Das Gras neben dem Wege war, wie in der Regel, niedrig, und Ljewin, der lange nicht gemäht hatte und den die vielen auf ihn gerichteten Blicke befangen machten, mähte in den ersten Augenblicken schlecht, obgleich er kräftig ausholte. Hinter sich hörte er Stimmen:
»Er setzt die Sense ungeschickt an; der Stiel liegt zu hoch; sieh mal, wie er sich bücken muß«, sagte einer.
»Drück mehr mit dem Sensenhacken an!« ermahnte ihn ein andrer.
»Schadet nichts! Laß nur gut sein, er wird schon in Zug kommen«, meinte der Alte. »Sieh nur, wie er drauflosgeht! ... Du nimmst den Strich zu breit, du wirst müde werden ... Ja, ja, es heißt ganz richtig: wenn sich der Gutsherr plagt, so hat er den Segen davon! Aber sieh mal, was hast du für einen Kamm stehen lassen! Dafür könnte unsereiner einen Buckel voll Prügel besehen.«
Jetzt kamen sie in weicheres Gras, und Ljewin, der auf die Bemerkungen hörte, aber nicht antwortete, ging immer hinter Tit her und gab sich Mühe, möglichst gut zu mähen. Sie hatten ungefähr hundert Schritte zurückgelegt. Tit ging stets gleichmäßig vorwärts, ohne stehenzubleiben und ohne die geringste Müdigkeit merken zu lassen; bei Ljewin aber regte sich bereits die Besorgnis, ob er auch werde bis zu Ende aushalten können, so müde war er schon.
Er fühlte, daß er die Sense mit seiner letzten Kraft schwang, und beschloß, Tit zu bitten, daß er anhalten möchte. Aber in diesem Augenblick blieb Tit von selbst stehen, bückte sich, nahm eine Handvoll Gras, wischte die Sense ab und begann sie zu wetzen. Ljewin reckte sich zurecht und blickte sich, tief aufatmend, um. Hinter ihm kam ein Bauer, der offenbar ebenfalls müde geworden war; denn er blieb sogleich, ohne zu Ljewin ganz heranzukommen, stehen und machte sich an das Wetzen. Tit wetzte seine eigene Sense und die Sense Ljewins, und dann gingen sie weiter.
Bei diesem zweiten Angriff wiederholte sich derselbe Vorgang. Tit schritt, einen Hieb nach dem andern führend, dahin, ohne stehenzubleiben und ohne müde zu werden. Ljewin ging hinter ihm her und gab sich alle Mühe, nicht zurückzubleiben, und es wurde ihm immer schwerer und schwerer: es kam der Augenblick, wo er fühlte, daß er keine Kraft mehr hatte; aber gerade in diesem Augenblicke blieb Tit stehen und wetzte.
So mähten sie die erste Reihe herunter. Diese lange Reihe hatte Ljewin besonders schwer gefunden. Aber dafür fühlte er sich auch sehr glücklich, als sie an das Ende der Reihe gelangt waren und Tit die Sense auf die Schulter nahm und langsamen Schrittes auf den Stapfen zurückging, die seine Stiefelhacken auf dem gemähten Streifen hinterlassen hatten, und er, Ljewin, ebenso auf dem von ihm gemähten Streifen zurückging. Und seine frohe Stimmung wurde auch dadurch nicht beeinträchtigt, daß ihm der Schweiß nur so über das Gesicht strömte und von der Nase tropfte und sein ganzer Rücken so naß war, als wenn er im Wasser gelegen hätte. Namentlich freute er sich darüber, daß er jetzt wußte, er werde bis zu Ende aushalten können.
Getrübt wurde sein Vergnügen nur dadurch, daß seine Reihe nicht gut ausgefallen war. ›Ich will weniger mit dem Arm schwingen und mehr mit dem ganzen Oberkörper‹, dachte er, als er Tits schnurgerade gemähte Reihe mit seiner eigenen zackig und ungleichmäßig daliegenden Reihe verglich.
Bei der ersten Reihe war Tit, wie Ljewin bemerkte, besonders schnell vorwärts gegangen, wohl um den Herrn auf die Probe zu stellen, und diese Reihe