»Hey, Elijah!«, rief Logan ihm zu, als sie vorbeikamen. »Wer ist denn deine neue Freundin?«
Frederick lachte spöttisch. »Ich wette, dass ist die einzige Art Mädchen, die ein Schwachkopf, wie er überhaupt aufreißen kann«, murmelte er halblaut.
Elijah fühlte einen scharfen Stich der Frustration, weil er ihm nicht absprechen konnte, dass er tatsächlich so seine Probleme mit Mädchen hatte. Trotz seiner achtzehn Jahre war er diesbezüglich ziemlich unbeleckt, und was noch schlimmer war, er war darüber nicht gerade glücklich. Den ganzen Sommer über hatte er wie verrückt trainiert, aber dennoch war er weiterhin drahtig und dünn – und alle Mädchen auf dem Campus schienen nur nach stämmigen, sportiven Typen wie Logan und Frederick zu suchen.
»Ignoriere sie doch einfach«, meinte Marwin und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
»Ignorieren? Wen?«, grinste Elijah zurück und empfand eine Welle der Erleichterung, als er das Taxi erblickte, das sein Mitbewohner angefordert hatte.
»Okay, Ladies! Setzt euch einfach und wartet, bis eure Nummer aufgerufen wird«, rief eine der Assistentinnen – eine hübsche Blondine in Jeans und einem schwarzen T-Shirt –, eine Welle nervöser Anspannung in der Menge auslösend.
Nachdem sich alle Kandidaten auf einem der zahlreichen Stühle gesetzt hatten, umklammerte Marwin die ihm zugeteilte Nummernkarte, während sich Elijah interessiert das Spektakel um sich herum ansah.
Er fand es erstaunlich, wie viele Leute zu diesem Vorsprechen erschienen waren, und wie es aussah, hatte es sein Freund mit einer recht harten Konkurrenz zu tun. Überall, wohin er sah, hatte es den Anschein, dass es sich um echte Frauen handelte – und er musste schon sehr genau hinschauen, um die kleinen verräterischen Zeichen zu erkennen, dass sie es nicht waren.
Ein großes dunkelhäutiges ›Mädchen‹ sah fast makellos weiblich aus, wenngleich ihre deutlich zu großen Hände und Füße etwas Anderes besagten, während eine andere hagere Blondine, die nur wenige Plätze entfernt von ihm saß, sich einzig und allein durch ihren, zwar ausgesprochen kleinen, aber nichts destotrotz vorhandenen Adamsapfel an ihrem langen, schlanken und makellosen Hals verriet.
»Also, wo ich schon mitgekommen bin, kannst du mir ja mal erzählen, worum es hier eigentlich geht«, forderte er Marwin nach einer Weile auf – eigentlich eher, um sich abzulenken und wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. »Gibt es dabei auch etwas zu gewinnen. Irgendeinen Preis? Oder ist das einfach nur ›Just for fun‹?«
»Sag‘ mal, lebst du in irgendeiner dunklen Steinzeithöhle?«, erwiderte Marwin knurrend und seine Augen weiteten sich, als er ihn anstarrte. »Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, du hast noch keine Folge der ›My New Gender‹-Show gesehen hast, oder? Das ist völlig verrückt! Es gibt einen riesigen Geldgewinn, der mit jeder Staffel größer wird. Letztes Jahr hat Kathryn, die Gewinnerin, fünfzigtausend Pfund eingesackt!«
»Wahnsinn! Hätte nicht gedacht, dass es so viel ist«, murmelte er. Fünfzigtausend Pfund würden mein ganzes Studium abdecken, ging es ihm durch den Kopf, wissend, dass er trotz dessen niemals an einer solchen Show teilnehmen würde.
»Was würde ich nur dafür geben, wenn ich deinen Körper hätte«, seufzte Marwin, der seine Gedanken zu lesen schien. »Du würdest das Preisgeld problemlos abräumen, wenn du mitmachen würdest, Elijah. Du wärst die heißeste Sissy von allen, glaub‘ mir, die heißeste Stute im Stall und …«
»Ja, ja, ist schon klar!« Er lachte kopfschüttelnd. »Von wegen, die heißeste Stute im Stall!«
»Ich verarsch‘ dich nicht und meine das absolut ernst«, schoss sein Mitbewohner zurück. »Wenn du nicht so ein verdammter Hetero wärst, würde ich dir ehrlich empfehlen, es auszuprobieren. Ich würde jede Wette darauf abschließen, dass du eine unglaubliche Sissy abgeben und direkt das Rennen machen würdest.«
»Wie auch immer, Marwin«, murmelte er und wünschte, sein Freund würde das Thema wechseln.
»Nummer acht vier drei?!«, rief die hübsche Assistentin gerade.
»Das bin ich«, keuchte Marwin aufgeregt und erhob sich von seinem Sitz. »Wünsch‘ mir Glück!«
»Viel Glück«, nickte er und begleitete ihn noch bis zur Tür.
Kaum war Marwin im Raum der ›Audition‹ verschwunden, schloss die Assistentin die Tür hinter sich, wandte sich ihm zu und musterte ihn mit ihren funkelnden blauen Augen.
Elijah spürte, wie sein Magen plötzlich voller Nervosität verrücktspielte, als sie ihm das deutliche Gefühl vermittelte, ihm etwas sagen zu wollen. Instinktiv hoffte er, dass sich sein Glück mit Mädchen endlich ändern würde.
»Die ›Audition‹ für absolute Neulinge ist dort hinten«, erklärte sie ihm und deutete auf einen anderen Bereich, weit am Ende des Korridors, wo sich zahlreiche junge Männer in normalem, alltäglichem Aufzug eingefunden hatten.
»Entschuldigung?«, krächzte er verwirrt.
»Ich sagte, die ›Audition‹ für natürliche Typen ist dort hinten«, wiederholte sie. »Du sprichst doch auch vor, oder?«
»Ähm, … nein«, murmelte er. »Ich habe nur meinen Freund begleitet und warte jetzt auf ihn.«
»Nun, ich denke, du solltest dich dort mal schnell einreihen«, lächelte sie zurück und taxierte ihn eingehend von oben bis unten an. »Ich denke, du hättest eine reelle Chance.«
»Was meintest du überhaupt mit Neulingen?«, fragte er mehr aus Neugier als aus tatsächlichem Interesse.
Sie rollte mit den Augen, genauso wie es Marwin getan hatte, als er ihn fragte, wie die ›My New Gender‹-Show funktionierte – so, als könnte sie nicht glauben, dass er die Regeln und die Show nicht kennen würde. »Neben den regulären Sissys nehmen wir in jeder Staffel auch einen Neuling auf dem Gebiet als Kandidaten auf. Das bedeutet, einen, von dem die Jurymitglieder der Meinung sind, dass er eine echte Bereicherung für die Show ist und eine wirkliche Chance auf den Sieg hat. Das ist zwar deutlich mehr Arbeit, aber das Punktesystem ist so ausgewogen, dass du dadurch einen gewissen Vorsprung bekommst … Ernsthaft, warum versuchst du es nicht einfach? Ich kann dir direkt eine Anmeldung ausfüllen, wenn du willst? Es geht um einhunderttausend Pfund … Was hast du denn schon zu verlieren?« Sie schenkte ihm ein hoffnungsvolles Lächeln.
Elijah spürte, wie sein Herz heftiger zu pochen anfing, als er die Idee jetzt erstmals ernsthaft in Betracht zog. Auch, wenn er immer noch keine Ahnung hatte, wie dieser Wettbewerb überhaupt ablief – abgesehen davon, dass er sich verkleiden und wie ein Mädchen benehmen musste. Aber der Gedanke ein riesiges Vermögen zu gewinnen war schwerlich zu ignorieren. Ach, was zur Hölle soll’s!, dachte er. Sie hat ja recht. Was habe ich schon zu verlieren? »Okay. Gut. Dann versuch' ich mein Glück halt mal«, murmelte er deshalb.
»Großartig«, grinste sie. »Das nenn‘ ich mal eine spontane Entscheidung! Hier, … fülle dieses Formular aus und unterschreib‘ es! … Aber beeil‘ dich, die ›Auditions‹ sind in etwas einer Viertelstunde zu Ende.« Damit hielt sie ihm ein Klemmbrett entgegen.
Elijah hatte keine Chance mehr, den kompletten Inhalt des Vertrags zu lesen – nur, dass der Teilnehmer zustimmte, an allen ›Challenges‹ teilzunehmen, und dass die Entscheidungen der Jury endgültig waren … Keine plastische Chirurgie oder Hormontherapie … Was er aber