Josefine Mutzenbacher
Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt
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Inhaltsverzeichnis
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Vorbemerkung
Josefine Mutzenbacher -- ihr Name lautete in Wirklichkeit ein wenig
anders -- wurde zu Wien, in der Vorstadt Hernals am 20. Februar 1852
geboren. Sie stand frühzeitig unter sittenpolizeilicher Kontrolle, und
übte ihr Gewerbe zuerst in wohlfeilen Freudenhäusern, der äußeren
Bezirke, dann im Dienste einer Kupplerin, die während des
wirtschaftlichen Aufschwungs- und Ausstellungsjahres 1873 die vornehmere
Lebewelt mit Mädchenware versorgte.
Josefine verschwand damals mit einem Russen aus Wien, kehrte nach
wenigen Jahren wohlhabend und glänzend ausgestattet in ihre Vaterstadt
zurück, wo sie als Dirne der elegantesten Sorte noch bis zum Jahre 1894
ein auffallendes und vielbemerktes Dasein führte.
Sie bezog dann in der Nähe von Klagenfurt ein kleines Gut, und
verbrachte ihre Tage in ziemlicher Einsamkeit, zu der sich dann bald
auch ihre Erkrankung gesellte. Während dieser Krankheit, einem
Frauenleiden, dem Josefine später auch erlag, schrieb sie die Geschichte
ihrer Jugend.
Das Manuskript übergab sie, etliche Wochen vor der schweren Operation,
an deren Folge sie starb, ihrem Arzt. Es erscheint hier als ein seltenes
Dokument seelischer Aufrichtigkeit, als ein wertvolles und sonderbares
Bekenntnis, das auch kulturgeschichtlich für das Liebesleben der
Gegenwart Interesse verdient. An den Bekenntnissen der Josefine
Mutzenbacher wurde im Wesentlichen nicht viel geändert. Nur sprachliche
Unrichtigkeiten, stilistische Fehler wurden verbessert, und die Namen
bekannter Persönlichkeiten, die Josefine in ihren Äußerungen meint,
durch andere ersetzt.
Sie starb den 17. Dezember 1904 in einem Sanatorium.
Der Herausgeber
Kapitel 1
Man sagt, daß aus jungen Huren alte Betschwestern werden. Aber das
trifft bei mir nicht zu. Ich bin frühzeitig zur Hure geworden, ich habe
alles erlebt, was ein Weib im Bett, auf Tischen, Stühlen, Bänken, an
kahle Mauerecken gelehnt, im Grase liegend, im Winkel dunkler Haustore,
in chambres séparées, im Eisenbahnzug, in der Kaserne, im Bordell und im
Gefängnis überhaupt nur erleben kann, aber ich bereue nichts von
alledem. Ich bin heute bei Jahren, die Genüsse, die mein Geschlecht mir
bieten kann, sind im Entschwinden begriffen, ich bin reich, bin
verblüht, und sehr oft ganz vereinsamt. Aber es fällt mir nicht ein,
obgleich ich immer fromm und gläubig gewesen bin, jetzt Buße zu tun. Aus
Armut und Elend wie ich entstammt bin, habe ich alles meinem Körper zu
verdanken. Ohne diesen gierigen, zu jeder Sinnenlust frühzeitig
entzündeten, in jedem Laster von Kindheit auf geübten Körper, wäre ich
verkommen, wie meine Gespielinnen, die im Findelhaus starben oder als
abgerackerte, stumpfsinnige Proletarierfrauen zugrunde gingen. Ich bin
nicht im Dreck der Vororte erstickt. Ich habe mir eine schöne Bildung
erworben, die ich nur einzig und allein der Hurerei verdanke, denn diese
war es, die mich in Verkehr mit vornehmen und gelehrten Männern brachte.
Ich habe mich aufklären lassen und gefunden, daß wir armen, niedrig
geborenen Weiber nicht so viel Schuld haben, als man uns einreden
möchte. Ich habe die Welt gesehen und meinen Gesichtskreis erweitert,
und alles das verdanke ich meinem Lebenswandel, den man einen
»lasterhaften« nennt. Wenn ich meine Schicksale jetzt aufschreibe, so
tue ich das nur, die Stunden meiner Einsamkeit damit zu kürzen, und was
mir jetzt abgeht, aus der Erinnerung wenigstens herbeizuschaffen. Ich
halte das für besser als bußfertige Erbauungsstunden, die meinem Pfarrer
wohl gefielen, die mir aber nicht zu Herzen gingen und mir nur eine