Attacken zu sichern, gerieten die alte Frau und ihr teuflischer Gesell in das Visier der Ermittler. Dabei mussten sie feststellen, dass die beiden Unbekannten sich nicht nur zum Zeitpunkt der Tat in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufgehalten hatten, sondern offensichtlich sogar ganz gezielt und erfolgreich versucht hatten, die Aufmerksamkeit der Passanten vom Geschehen am Tatort weg auf sich zu lenken. Angefangen hatte das damit, dass der Mann und die alte Frau wie zufällig vor der Filiale der Bankfiliale zusammenstießen. Die alte Frau im Hexenkostüm hatte daraufhin den Mann im Teufelskostüm lautstark mit so wüsten Beschimpfungen belegt, dass die vorbei eilenden Passanten gar nicht anders konnten, als ihre Blicke auf dieses Spektakel zu richten und zugleich aber einen weiten Bogen um das Geschehen zu machen. Der Frau mittleren Alters in der legeren Kleidung, deren Gesicht von dem Strohhut verborgen wurde und in deren kleinem Rucksack sich der Luftdruckapparat mit dem winzigen Pfeil befand, hatte währenddessen selbstverständlich niemand Beachtung geschenkt. Das galt auch für den alten Mann, der sich diesen stets belebten Ort ganz bewusst ausgesucht hatte, um zu verhindern, von seinen Häschern in einem unbeobachteten Moment liquidiert zu werden. Dass genau das ihm in diesem Moment direkt gegenüber in dem Eiscafé völlig lautlos dann doch widerfuhr, nahm er noch mit ziemlichem Befremden wahr. Es war das Letzte, was er wahrnahm, bevor er verschied. Als wenig später der Tote schließlich entdeckt wurde, hatte im allgemeinen Durcheinander niemand mehr auf das seltsame Pärchen geachtet, das seinen Streit ohnehin bereits beendet hatte. Aufgrund ihrer Verkleidung war es natürlich auch nicht möglich, die Fahndung nach ihnen mit erkennungsdienstlich verwertbaren Fakten zu untermauern. Um sich nicht lächerlich zu machen, wurde bei der Abfassung des Fahndungsaufrufs sogar auf den Hinweis verzichtet, dass die Frau ausgesehen hatte, wie eine Hexe und der Mann wie der Teufel. Das erschien den Ermittlern dann doch ein wenig peinlich. Der Frau mit dem Strohhut hatte ohnehin auch weiterhin niemand Beachtung geschenkt.
Hotel Helgolandia
Noch etwas weiter im Norden liegt die Insel Helgoland. Wer die nicht kennt: Das ist übrigens die einzige Hochseeinsel Deutschlands. In grauer Vorzeit galt die Insel unseren Vorfahren als heiliger Ort. Nach 1945 hat die britische Luftwaffe versucht, dieses Eiland im Meer zu versenken. Vergeblich, wie sich herausgestellt hat. Ob dafür die besonderen Kräfte verantwortlich waren, die dem Felsen zugeschrieben werden, läst sich allerdings nicht beweisen.
Ist Helgoland in Not, droht Deutschland Gefahr und Tod. Diese alte Lebensweisheit nicht wirklich zu Herzen genommen hat sich die attraktive Frau mittleren Alters, die sich hier auf Anraten der Ehefrau eines ihr gut bekannten älteren Ehepaars eingemietet hat in einem Hotel, dessen Name zur Insel passt. Das kleine Hotel Helgolandia liegt nur wenige Schritte entfernt von der Helgoländer Landungsbrücke. Hier wurden in früheren Zeiten die Besucher der Hochseeinsel mit kleinen Börtebooten angelandet. Von hier aus bis zum Hotel sind es nur wenige Meter zu gehen. Menschen, die gut zu Fuß sind, legen diese Strecke in weniger als fünf Minuten zurück. Die Frau mit dem fremdländischen Akzent hatte sich hier erst nach ihrer Begegnung mit dem fremden Mann von Bord der Helgoland telephonisch eingemietet. Als sie sich am Abend dieses Tages mit ihrem neuen Bekannten auf den Weg zu den roten Klippen machte, war sie sich sicher, keine Fehler gemacht zu haben. Kennen gelernt hatten sich der wohlhabende Mann mit dem kränklichen Aussehen und die nur wenige Jahre jüngere Frau mit den jugendlichen Aussehen und dem exotischen Akzent erst auf der Anreise zur Insel Helgoland. Eigentlich hatte die Frau seine höflich gestellte Frage, ob er sich zu ihr an den Tisch setzen dürfe, barsch zurückweisen wollen. Ein kurzer Blick auf die Bekleidung des Fragestellers hatte jedoch genügt, um sie umzustimmen. Bei der anschließenden Plauderei hatte er sich als angenehmer Gesprächspartner erwiesen, der nicht nur über gute Manieren verfügte, sondern es auch noch verstanden hatte, sie zum Lachen zu bringen. Sie hatte sich umgekehrt nach Kräften bemüht, seine Begehrlichkeiten zu wecken und war sich sicher, das auch geschafft zu haben. Wegen ihrer Wirkung auf Männer hatte sie sich noch nie Sorgen machen müssen. Sie konnte jeden haben. Dass das in diesem Fall nicht anders war, bewies ihr der Fremde kurz bevor die Helgoland im Südhafen festmachte. Mit einem charmanten und völlig unaufdringlichen Lächeln überreichte er ihr auf einer Serviette seine Telephonnummer und überließ damit ihr die Entscheidung, ob sie sich wiedersehen würden. Unterdessen hatte sie sich längst vorgenommen, ihn nicht wieder von der Angel zu lassen. Besonders die unaufgeregte Selbstverständlichkeit, mit der er anklingen ließ, wie betucht er war, hatte ihr Interesse geweckt. Den Hinweis, er sei auf dem Weg nach Helgoland, um die Segeljacht eines Freundes wieder in Schwung zu bringen, hatte sie als klares Understatement eingestuft und sich vorgenommen, sich kurzfristig Klarheit zu verschaffen. Nach Verlassen des Schiffes hatte sie sich mit verschmitztem Lächeln nach dem Liegeplatz des Segelbootes erkundigt und ihm damit signalisiert, dass sie bereit war, ihn wiederzusehen. Anschließend war sie zum Hotel gegangen, hatte dort das Zimmer mit der Nummer 7 bezogen, hatte sich frisch gemacht, war dann mit dem Aufzug zum Oberland gefahren und hatte sich vergewissert, dass der ursprüngliche Grund ihrer Reise unversehrt erhalten war. Gegen 19.00 Uhr schließlich war sie beim Segelboot ihres neuen Bekannten aufgetaucht, hatte sich staunend das “Bötchen” zeigen lassen und anschließend den Mann in den besten Jahren nach allen Regeln der Kunst verführt. Kurz vor Mitternacht hatte sie ihm dann adieu gesagt, sich gleich darauf in ihr Hotelzimmer zurückgezogen und dort darauf gewartet, dass es Nacht wird auf Helgoland. Kurz nach 3 Uhr hatte sie dann wie verabredet die Schaufensterscheibe des Spezialgeschäftes für Ferngläser im Oberland eingeschlagen, die verlangten Uhren eingesteckt und für sich als kleine Zugabe noch ein teures Fernglas mitgenommen. Die Beute hatte sie danach vorübergehend mit in ihr Hotelzimmer genommen und sich dann todmüde schlafen gelegt. Kurz nach acht war sie bereits wieder auf den Beinen gewesen, hatte sich zum Frühstück in das Restaurant des Hotels Helgolandia begeben, dort mit Herrn Laurent über die alten Zeiten gescherzt. Pünktlich um 10 Uhr erreichte sie den Eingang zur Bunkerführung an dem Treffpunkt neben der Nikolaikirche. Obwohl oder weil sie die einzige Frau war, die an der Führung teilnahm, war niemandem aufgefallen, dass sie einen BH in Übergröße trug. An der Stelle, an der ein unbekannter Soldat die Worte “ist Helgoland in Not, droht dem Vaterland der Tod” eingeritzt hat, blieb sie einige Augenblicke zurück und deponierte die Uhren an der verabredeten Stelle. Erst danach machte sie sich wieder auf und stattete ihrem neuen Bekannten einen neuerlichen Besuch ab. Bereits in der