Ihre Caroline Régnard-Mayer
Februar 2016
Caroline Régnard-Mayer
52 Jahre; wohnt in Landau/Pfalz; MTLA; alleinerziehend mit zwei Kindern ; Diagnose Februar 2004; schubförmig remittierender Verlauf; seit etwa 7 Jahren sekundär progredient; Therapien Interferone, Copaxone, Homöopathie; Tysabri; Freizeit: Spazieren im Wald, Lesen, Schreiben, Klettern, Freunde treffen, meine Kinder.
Nach einer gescheiterten Ehe 2002 und dem enormen finanziellen Abstieg, aber zwei wunderbaren Kindern, hatte ich im Jahr 2004 mein Leben wieder im Griff. Doch der Tag der Diagnose im Februar 2004 veränderte mein Leben grundlegend. Es bedurfte einer langen Zeit, um zu verstehen, umzudenken, sich neu zu orientieren und organisieren.
Mit 39 Jahren bekam ich es schwarz auf weiß, dass ich die Krankheit MS habe und sie mich nun durch mein Leben begleiten sollte. Mitten im Leben, allein mit zwei Kindern, versuchte ich ganze vier Monate, das „Normale“ aufrechtzuerhalten und begann, der Krankheit mit den 1000 Gesichtern den Kampf anzusagen.
Anstatt mir Ruhe zu gönnen, schulterte ich mir noch mehr auf und horchte nicht mehr in mich hinein. Zwei bis drei Schübe im Jahr waren die Folge. Aber ich wollte es ja allen beweisen und mir am meisten.
Nun horche ich endlich in mich hinein und möchte auch etwas von meiner Geschichte Menschen erzählen, die in einer ähnlichen Situation sind und vielleicht ähnlich denken und handeln. Vielleicht kann ich sie ein klein wenig davon überzeugen, rechtzeitig auf ihre innere Stimme zu hören und sich nicht zu verlieren.
Durch die MS lebe ich bewusster. Ich nehme meine Bedürfnisse und Wünsche ernst und versuche, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, die mir gut tun.
Es gibt Tage, da geht nichts und andere Tage, an denen ich vieles erleben darf und will. Von vielen Gewohnheiten habe ich schon Abschied nehmen müssen. Doch es gibt Dinge, die ich vor der Erkrankung nie getan hätte.
An dieser Stelle danke ich meiner Freundin Katja, die mir im November ein Buch über eine Künstlerin, die über ihre MS schreibt, in die Klinik brachte. Katja war nicht nur da, als ich sie brauchte, sie brachte den Stein in meinem Inneren zum Rollen, um selbst ein Buch zu schreiben.
Ich krempelte wie schon so oft in meinem Leben die Ärmel hoch und schrieb mir alles von der Seele. Sie waren sehr wichtig für mich, die vielen Monate des Schreibens, aber manchmal hätte ich gerne die einzelnen Momente des Eintauchens in die Vergangenheit in die letzten Ecken meines Bewusstseins verdrängt. Waren sie dort nicht all die Jahre gut aufgehoben?
Nun es ist vollbracht, und ich schließe stolz die Kapitel meines bisherigen Lebens.
Vorwort
Ich bin am Ende meines Ziels, das Buch ist nun druckreif. Nichts möchte ich mehr verändern. Rechtschreib- und Kommafehler, die ich eventuell doch übersehen habe, wird man mir hoffentlich verzeihen. Die Beiträge verfasste ich so, wie es mir das Leben vorgegeben hat.
Am Ende liegen nun aufregende und aufwühlende Monate hinter mir, aber mit tatvollen und unterstützenden Worten habe ich es geschafft und bin mächtig stolz auf mich.
Jeder Mensch, der an einer chronischen Erkrankung wie die Multiple Sklerose erkrankt ist, hat seine eigene Geschichte, seine persönlichen Erfahrungen und seinen Leidensweg mit der Krankheit Multiple Sklerose. So soll es auch von den Lesern gesehen werden.
Die Kapitel dieses Buchs spiegeln einige Jahre meines Lebens vor und nach der Diagnose.
Freunde und liebe Menschen schrieben Gastbeiträge, die dem Leser Einblick in mein Umfeld und die Gedanken aus einer anderen Perspektive geben sollen.
Mein Anliegen war vor allem Neubetroffenen Mut zu machen und vielleicht eine Richtung zu weisen. In manchen von mir geschriebenen Beiträge sich selbst zu erkennen und rechtzeitig seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Durch die Landauer Selbsthilfegruppe, Klinik- und Rehaaufenthalte und meinem kontaktfreudigen Charakter, kenne ich viele an MS erkrankte Menschen. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte und doch verbindet uns etwas, das Nicht-Erkrankte zum Außenseiter macht. So verschieden unsere Lebenserfahrungen sind, findet sich der ein oder andere vielleicht in meinem Buch wieder!
Landau im Juli 2009
Die ersten Symptome oder der „eingebildete“ Patient!
Wenn ich heute zurückblicke, begannen die Gründe bzw. Vorstufen am Ausbruch meiner Erkrankung 1995 mit der Geburt meiner Tochter, deren angeborene Hüftdysplasie und die damit verbundenen Sorgen, Ängste und Aufopferungen mich bis ans Äußerste meiner Kräfte brachten. Sarah wurde viermal in ihren ersten zwei Lebensjahren operiert, und ein schweres Asthma kam im ersten Jahr ihres Lebens dazu. Ich war verheiratet und doch alleine, ob es um die teils sehr kräftezehrende Pflege von Sarah und die vielen Klinikaufenthalte ging, oder um zu treffende Ent-scheidungen. Nur meine Eltern unterstützten mich, soweit es bei 300 km Entfernung ging.
Eine tatkräftige Unterstützung hatte ich auch in meiner Freundin Susanne in Erlangen. Die vielen Arzttermine, Kontrolluntersuchungen und Klinikbesuche ließen keine Zeit für andere Erlebnisse und keinen Ausgleich. Erschöpfung, Schlafdefizit und Wahnvorstellungen begleiteten meinen Alltag. In dieser Zeit hatte ich oft das Gefühl, meine Beine oder Hände würden mir den Dienst versagen. Aber da ich von Natur aus ein zupackender, positiv denkender Mensch bin, meisterte ich auch diese sehr schwere Phase meines Lebens.
Wie ich die Kraft dafür aufbrachte, weiß ich heute nicht mehr. Nochmals so etwas zu durchleben, scheint mir unmöglich. Aber noch viele Prüfungen sollten mir bevorstehen. Mein Leitspruch ist auf pfälzisch ausgedrückt: Als weiter!
Gründe für die Erkrankung zu finden gäbe es viele, aber das Warum ist unwichtig. Wichtig ist, so damit zurechtzukommen, dass ich ein den Umständen entsprechendes, erfülltes Leben führen kann.
Im Jahr 1998 hatte ich erste Taubheitsgefühle in den Händen, vor allem nachts, die ich irgend-wann endlich ernst nahm. Mein damaliger Hausarzt, den ich nach Monaten anhaltender Beschwerden aufsuchte, hatte keine Erklärung dafür. Er konnte mich soweit beruhigen, dass ich versuchte, die tauben Hände morgens zu ignorieren. Und siehe da, so wie die Symptome plötzlich kamen, so waren sie auch wieder verschwunden.
Ich ging meinem Alltag nach, fuhr mit meiner dreijährigen Tochter Sarah aufgrund ihres Asthmas zur Reha nach Davos. In diesem Jahr sind mein damaliger Mann, Sarah und ich von Erlangen zurück in die Pfalz gezogen. Wir hatten uns eine Doppelhaushälfte in der Nähe von Landau gekauft. Den Innenausbau machten wir selbst. Auch die Erkrankung meiner Tochter hielt mich auf Trab. Dadurch hatte ich eine gute Entschuldigung für meine Stresssymptome, die Erschöpfungszustände und die tauben Hände. Ebenso für die mittlerweile hinzugekommenen Sensibilitätsstörungen in den Beinen.
Da die MS sich oft ganz diskret in unser Leben einschleicht, erkennen wir meistens die Erst-symptome nicht. Aber die Vorboten sind da, auch wenn nur andeutungsweise. Viele MS-Patienten können rückblickend über Krankheitsanzeichen berichten, die man sehr schwer als erste Anzeichen erkennt. So kann auch ich nicht mit Sicherheit sagen, wann meine MS überhaupt begann. Der Verdacht liegt aber nahe, seit der Geburt meiner Tochter.
Mein Diagnosetag ist der Februar 2004, schriftlich festgehalten im Abschlussbericht des Klinikums Ludwigshafen. Das Ende wird nie festgeschrieben werden. Unheilbar ist nun einmal unheilbar.
Im Sommer 1998 hatte ich eine Fehlgeburt in der 12. Schwangerschaftswoche. Die Monate danach war ich antriebslos, ständig erschöpft, traurig und hatte gelegentlich Taubheitsgefühle in den Händen. Eine erneute „Ausrede“ war gefunden. Die nächste Schwangerschaft verlief ohne nennenswerte Komplikationen, außer dass ich eine sehr schwere Grippe zu Beginn erlitt. Zudem begleiteten mich ständige Müdigkeit und Übelkeit bis zum Ende der Schwangerschaft. Meine Blutzuckerwerte