Tödliche Wollust. Samantha Prentiss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Samantha Prentiss
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746787732
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Kasten interessiert und dankte dem Bauherrn, dass er sich ausgerechnet diesen Platz ausgesucht hatte. Nun musste er nur noch ein leerstehendes Zimmer in der gleichen Höhe des ›Penthouses‹ finden, und seine Zufriedenheit würde keine Grenzen mehr kennen.

      Chambers parkte seinen unauffälligen, grauen Wagen am Bordstein, nahm das kleine Diplomatenköfferchen vom Rücksitz und schlenderte fröhlich vor sich hinpfeifend auf das Hochhaus zu. Das altersschwache Gebäude wirkte, als wäre es im Freudentaumel der Friedensverhandlungen nach dem zweiten Weltkrieg erbaut worden. Irgendwie machte es einen windschiefen Eindruck und stand im krassen Gegensatz zu den Neubauten. Auch die Feuerleitern, die den Betonbau zusammenzuhalten schienen, sahen nicht gerade vertrauensweckend aus, denn sie selbst hielt offensichtlich nur noch der Rost zusammen.

      Der Hausflur war finster und muffig feucht. Ohne viel Hoffnung drückte Chambers auf den Knopf für den Lift. Doch zu seiner Überraschung setzte sich weit über ihm ein altersschwaches Vehikel ächzend und stöhnend in Bewegung. Langsam kroch es ins Erdgeschoss hinab. Der Profikiller zögerte, bevor der den Fahrstuhl betrat, den das Ding machte den Eindruck, als würde es bei der leichtesten Erschütterung sofort auseinanderbrechen. Aber die Vorstellung, die fünfzehn Stockwerke zu Fuß zurückzulegen, ließ ihn seine Bedenken beiseite schieben. Er schloss die Tür und drückte den Knopf.

      Ruckend setzte sich die Kabine in Bewegung, und die Anlage war durchaus willens, ihre Arbeit zur Zufriedenheit aller zu erledigen. Sollte dem Lift allerdings unterwegs die Puste ausgehen, saß der Fahrgast erst einmal hoffnungslos fest, denn es stand zu vermuten, dass sich nicht mehr viele Mechaniker in London an dieses vorsintflutliche Modell erinnerten, noch weniger in der Lage waren es auch zu reparieren. Aber der Lift machte seinen Job und hielt mit einem harten Ruck im 15. Stock.

      Chambers atmete auf und beeilte sich, die altersschwache Kabin von seinem Gewicht zu befreien. Das Diplomatenköfferchen sorgsam unter den Arm geklemmt, schritt er den kaum richtig erhellten Flur entlang. Die Tapeten an den Wänden lösten sich bereits in ihre Bestandteile auf, und auch der Fußboden hatte genügend Ritzen und Risse, die eine Erneuerung wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten gerechtfertigt hätten. Vor einer fast nur noch aus einzelnen Brettern bestehenden Tür blieb er stehen und drückte die Klinke. Die Tür war verschlossen. Ohne zu überlegen, lehnte er sich mit der Schulter gegen die Bretter und sprengte das Schloss mühelos auf.

      In dem Zimmer dahinter saß ein altes Pärchen, beide weißhaarig, halb blind und taub. Sie bemerkten nicht einmal, dass ein Fremder ihre Wohnung betreten hatte. Ihre Blicke waren müde auf den Fußboden gerichtet, und ihre Gedanken schienen viele Jahre zurückgeschweift zu sein. Irgendwie wirkten sie wie Fossilien einer längst ver-gangenen Zeit, die sich schon lange überlebt hatte.

      Chambers durchquerte den großen Raum und schob die Übergardinen von einem einzigen Fenster zurück. Ihm genügte ein Blick, um festzustellen, dass er sich im falschen Zimmer befand. Von hier aus würde die Schussbahn zu schräg verlaufen, worunter zwangsläufig die Treffsicherheit leiden musste. Er ging zur Tür zurück und zog sie von außen ins Schloss. Die beiden Alten hatten sich nicht einmal gerührt.

      Zwei Zimmer weiter versuchte er erneut sein Glück. Auch diese Tür war verschlossen, machte aber einen deutlich solideren Eindruck. Chambers nahm Anlauf und warf sich mit der Schulter dagegen. Das Schloss splitterte heraus. Die Tür knallte dumpf gegen die Wand. Mit einem verlegen wirkenden Lächeln trat er ins Zimmer.

      Vor ihm stand ein großer Mann von Anfang Vierzig, dessen sprachloser Gesichtsausdruck ihm nicht gerade einen hohen Intelligenzquotienten bescheinigte. »Was … was soll denn das?«, stotterte er fassungslos. Dabei sah er aus wie der Froschkönig, der beim Wachwerden übergangen wurde.

      Chambers lächelte noch immer. »Ich will nur mal einen Blick aus Ihrem Fenster werfen«, erklärte er und schob den Mann beiseite.

      Der Killer war noch keine drei Schritte weit gekommen, als der Riese seine Überraschung überwunden hatte, nach seiner Schulter griff und ihn herumwirbelte. »Machen Sie, dass Sie hier rauskommen, bevor ich ungemütlich werde!«, fauchte er.

      »Sie sind aber nicht gerade gastfreundlich«, maulte Chambers und wischte sich die Hand von der Schulter, als hätte er einen Staubfussel entfernt. »Ich habe doch erklärt, dass ich nur kurz aus Ihrem Fenster sehen will. Was Sie mir ja sicher erlauben werden, oder?«

      »Scher dich raus!«, knurrte der Mann lautstark und nahm eine drohende Haltung ein.

      »Du forderst es ja geradezu heraus, mein Freund!«, erwiderte Chambers, bedauernd mit der Achsel zuckend, und schlug auch schon zu. Es war ein wuchtiger Schlag und im Ansatz nicht zu erkennen. Seine Faust traf den Riesen direkt an der Kinnspitze.

      Der Kopf des Mannes wurde nach hinten geschleudert. Mit wild fuchtelnden Armen taumelte er zurück und stöhnte laut auf. Erneut malte sich Überraschung ins Gesicht des Hünen, lediglich überlagert von dem Schmerz des Schlages.

      Chambers zögerte keine Sekunde und setzte sofort nach. Ein weiterer Schlag in den Magen seines Opfers, ließ den Mann eine vollendete Verbeugung vollführen. Und dann explodierte bereits wieder eine gestochene scharfe Rechte am Kopf des sich vor Schmerzen windenden Mannes. Noch im Fallen schickte Chambers ihm eine Dublette präzise geschlagener Haken an den Kopf hinterher, die den Riesen bereits ohnmächtig werden ließ, ehe er auf dem Fußboden aufschlug.

      Ungerührt stieg Chambers über den Reglosen hinweg und schloss die Tür. Er durchquerte den Raum und sah aus dem Fenster. Kein Zweifel, dachte er bei sich, hier bin ich richtig. Das Schussfeld ist geradezu optimal. Die Sicht ausgezeichnet. Mit ausgestrecktem Arm entriegelte er das Fenster und zog die nach innen zu öffnenden Flügel so weit auf, dass sie die Wohnzimmerwand berührten. Dann trat er ein paar Schritte zurück. Ein breiter Lichtschein des Vollmondes fiel schräg durchs Fenster auf den Teppich und ließ das restliche Zimmer dunkler erscheinen. Solange er nicht in den Bereich dieses Lichtstrahls trat, würde kein zufälliger Beobachter vom gegenüberliegenden Hochhaus etwas sehen können.

      Im Schatten der zurückgezogenen Gardine schlich er sich dicht neben das Fenster und stellte fest, dass er ausgezeichnet in alle Richtungen einschließlich der Straße schaue konnte. Er rückte den Wohnzimmertisch von der Seite her bis auf einen Yard an das Fenster heran, nahm die Decke und die künstlichen Blumen herunter und legte ein paar Kissen von den Sesseln darauf. Sie sollten ihm als Schießauflage dienen.

      Dann zog er seinen Mantel aus und krempelte die Ärmel hoch, stellte sein Diplomatenköfferchen auf den Tisch und öffnete es. Nacheinander entnahm er die Einzelteile eines zerlegten Präzisionsgewehrs. Liebevoll und gewissenhaft setzte er die Waffe zusammen – Verschluss und Lauf, obere und untere Kolbenstrebe, Schulterstütze, Schalldämpfer und Abzugszunge. Zu guter Letzt streifte er das Zielfernrohr über den Lauf, drehte es fest. Die Geschicklichkeit, die er beim Zusammenbau und dem Justieren an den Tag legte, bewies, dass er über ausreichend Übung verfügte.

      Er stellte einen Stuhl vor den Tisch, setzte sich und spähte leicht über das auf den Kissen aufliegende Gewehr durchs Zielfernrohr. Der Kopf eines Mannes erschien in gestochener Schärfe im Blickfeld, als er das ›Penthouse‹ anvisierte. Er war so groß, wie eine Melone, die er auf seinem Weg hierher in der Auslage eines Gemüse- und Obstgeschäftes gesehen hatte.

      Zufrieden stellte er drei Patronen, ausgerichtet wie Soldaten, am Rand der Tischplatte auf. Mit Daumen und Zeigefinger zog er den Gewehrriegel zurück und führte das erste der Explosivgeschosse in die Kammer ein. Eines würde genügen, aber er hatte noch zwei weitere in Reserve. Er schob den Riegel wieder vor und schloss ihn mit einer halben Drehung. Dann legte er das Gewehr sorgsam auf die Kissen zurück und suchte in seinen Taschen nach Zigaretten und Feuerzeug.

      Er zog gierig an der ersten Zigarette und lehnte sich zurück, um auf den geeigneten Zeitpunkt zu warten.

      Der Hüne am Boden regte sich keuchend.

      Mit einem diabolischen Lächeln sah Chambers ihn an. »Wenn du muckst, mache ich kurzen Prozess mit dir!«, drohte er im Plauderton, als würde er ihm die Wasserstandsmeldungen der Themse verlesen.

      Dennoch wusste der Mann am Boden sofort, dass sein Besucher nicht bluffte, denn es ging eine eisige Kälte von diesem