Unter donnerndem Applaus hatte Aira den Raum gemeinsam mit ihren drei Bodyguards betreten. Ihr martialisches, Angst einflößendes Auftreten, stand im krassen Gegensatz zu ihrer elfenhaften Erscheinung. Ihre grünen Augen funkelten:
»Wir werden die Welt beherrschen! Wir werden ewig leben«, wiederholte sie mit klarer, lauter Stimme.
Aira trug ihre hüftlangen, weizenblonden Haare offen. Ihre Modellfigur zeichnete sich unter einer transparenten, weißen Tunika betont ab. Doch niemand der Anwesenden ließ sich durch ihr unschuldiges Bild blenden. Sie wussten um Airas Brutalität. Ihre sexuellen Obsessionen führten nicht selten zum Tod ihrer Mitspieler.
»Eine neue Ära bricht herein. Das Yzuhawa meiner Mutter ist tot. Es wird auch kein Yzuhawa 2.0 geben! Unsere Gemeinschaft wird die Welt retten und von diesem elenden Pack säubern! Zum Dank Gottes werden wir ewig leben! EWIG! Das Paradies wird unser sein! Bereits jetzt sind die Arbeiten in vollem Gange um die Infrastruktur in unserem eigenen Land hochzuziehen. Wir besitzen eine bislang kaum beachtete Inselgruppe im Pazifik vor der Küste Südamerikas. Nennen wir sie der Einfachheit halber Osomo. Doch Osomo wird nur der Beginn sein. Von dort werden wir uns ausbreiten! Weiter und weiter!«
Aira schaute herausfordernd in die Runde. Ihre perlweißen Zähne blitzten wie chemisch gereinigt.
»Wer aussteigen will, der soll die Hand heben. Jeden erwartet ein schneller, schmerzfreier Tod. Mehr kann man nicht erwarten, von diesem Leben.«
Sie schaute provozierend in die Runde. Ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig. Ihre harten Brustwarzen drückten durch den weißen Stoff der Tunika.
»Eine Vielzahl an Fachgruppen und Untergruppierungen werden sich nach diesem Treffen konstituieren. Sie alle werden zum Wohl der Gemeinschaft handeln!«
»ZUM WOHL DER GEMEINSCHAFT!«, ertönte es im Chor.
»Ich werde heute das Organigramm und die Strukturen vorstellen. Nichts von dem, was ich jetzt befehle, steht zur Diskussion. Verstanden?«
Ein kurzer Blick in die Augen ihrer Untergebenen sprach Bände. Aira fuhr fort:
»K-DH ist meine rechte Hand. DH, es liegt auf der Hand, ist ab nun unser Kürzel für Diez Hermanas! K-DH ist in meiner Abwesenheit Folge bis zum Tod zu leisten. Ihr unterstehen alle nun folgenden Untergruppierungen unseres Matriarchats!«
K-DH nickte kaum merklich in die Runde und fixierte jeden der Anwesenden. Ihre weit auseinanderstehen, grauen Augen schimmerten kalt. Ihre Erscheinung wirkte Furcht einflößend: Mit einer Größe von 1,95 schaute sie auf die meisten mit brutaler Arroganz herab. Ihr muskelbepackter Körper war, den Narben nach zu urteilen, kampferprobt! Die Haare trug sie kurz, zum Nazischeitel gekämmt. Doch wer konnte schon ahnen, dass dieser Muskelberg seinen Doktor in Physik, Medizin und Biochemie mit Auszeichnungen abgelegt hatte? Aira räusperte sich.
»K-DH unterstehen spezialisierte Diez Hermanas. Du, F-DH, bist zuständig für die weltweiten Finanzgeschäfte. Damit meine ich Banken und Börsen. PM-DH ist verantwortlich für die Bereiche Pharma und Medizin. Ihr angegliedert ist O-DH. Was es damit auf sich hat, dazu kommen wir später. Du (Aira deutete auf eine vollbusige Blondine, die als Marilyn Monroe Double hätte durchgehen können) übernimmst als P-DH die weltpolitischen Geschäfte. Dazu gehören organisierte Kriminalität und Drogenhandel. W-DH kontrolliert die weltweit wissenschaftliche Entwicklung in den Bereichen Bildung und Erziehung. I-DH setzt sich mit der internationalen Großindustrie auseinander. S-DH (eine schwarz gelockte, rassige Spanierin trat vor) befasst sich mit Satellitentechnik, Spionage und Raumfahrt. PR-DH wird die weltweiten Kommunikationskanäle kontrollieren. Zur Army-DH sind wohl keine weiteren Ausführungen notwendig! Nur soweit, die Themen Kernwaffen, Giftgas und biologische Waffen fallen unter anderem in diesen Zuständigkeitsbereich. Ich will alle Ebenen kontrolliert wissen. At least benötigen wir ein soziales Netzwerk, auf dem sich die Menschen jederzeit und weltweit manipulieren lassen. Zu diesem Thema setzen wir uns morgen in kleiner Runde zusammen.«
Aira warf einen prüfenden Blick in die Runde.
»Fragen?«
»Aus wie vielen Gruppenmitgliedern bestehen die einzelnen DH’s – und wie sieht es mit der finanziellen Ausstattung aus?«, fragte die zuständige PR-DH, eine klein gewachsene Engländerin in den Dreißigern mit ausladenden Hüften.
»Jede DH stellt weltweit bis zu 200 Kräfte ein. Sie bilden den inneren Kreis. Jede dieser 200 Schwestern beschäftigt wiederum so viele Helfer und Helfershelfer, wie notwendig sind. Eine Ausnahme bildet die Army-DH. Hier können wir jederzeit aufstocken. Und noch etwas«, Aira schaute bestimmend in die Runde. »Es gibt keine Vor- und Nachnamen mehr. Ich verlange, dass ihr euch mit euren DHs anredet. Ist das klar? Fragen?«
Der Großteil der Mitglieder blickte schweigend. Einige nickten, andere applaudierten.
»Gut! Sehr gut! Ich sagte zu Beginn, dass Yzuhawa mit meiner Mutter gestorben ist! Die Bezeichnung unseres Matriarchats wird ab heute weniger kryptisch klingen. Man wird den Namen fürchten und in Ehrfurcht flüstern: Diez Hermanas! Wir alle werden zum Wohl der Gemeinschaft handeln. Zum Wohl von Diez Hermanas.«
»ZUM WOHL VON DIEZ HERMANAS« ertönte die Gemeinschaft im Chor.
»Ab heute sprecht ihr mich mit Aira Divus an. Ist das klar?« Alle nickten. »Gut, dann nur noch eines«, Airas Blick wurde eiskalt. »Das sind meine drei Bodyguards.«
Sie deutete auf zwei Frauen und einen Mann, die versteinerte Blicke in die Runde schmissen. Die stiernackigen Kampfmaschinen mit Oberarmen wie Rinderschenkel und Fäusten so groß wie Bratpfannen, waren deutlich über zwei Meter gewachsen.
»Die Drei sind beweglich wie Schlangen. Sie besitzen Auszeichnungen in sämtlichen asiatischen Kampfsportarten. Wer ihren oder den Anweisungen von K-DH nicht Folge leistet, stirbt auf der Stelle. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
Ein schneller Blick in die Runde verriet Aira, dass die Anwesenden verstanden hatten.
»Sehr gut! Dann wollen wir jetzt den alten Caligula erblassen lassen.«
Mit diesen Worten ließ Aira ihre Tunika zu Boden gleiten und winkte A-, P- und S-DH sowie ihren männlichen Bodyguard Hassan zu sich. Sie wusste, dass diese Zeremonie das Band der Gemeinschaft noch enger knüpfen würde. Sämtliche Anwesenden würden ihr zu Füssen liegen. Alle, auch der letzte Zweifler, würde ihr danach aus der Hand fressen. So funktioniert die Welt, flüsterte sie, als sie die Peitsche auf das Marilyn Monroe-Double alias P-DH richtete.
2011 - 14.4., 18:00
Großbritannien, London
Royal Nurse Hospital
Szene 27
fünf Monate später
Außenaufnahme: Die Parkanlage der psychiatrischen Klinik liegt im dichten Nebel. Die uralten Bäume des Parks zeigen das erste, zarte Grün. Dichtes Laub vom Vorjahr bedeckt die großzügig angelegten Rasenflächen und Wege. Die Backsteingebäude aus dem vorherigen Jahrhundert mit ihren vergitterten Fenstern liegen ruhig im schwindenden Licht des Tages. Sibel, den Mantelkragen hochgeschlagen, zieht ihren Mitarbeiterausweis durch den Scanner der ersten, von drei Schleusen.
Szene 28
Innenaufnahme: Sibel passiert dunkle, unwirtliche Flure. Die Wände sind im tristen Grau gehalten. Eine nicht zu definierende Farbe blättert großflächig von Zargen und Türblättern ab. Verblichene Zeichnungen, überquellende Stehaschenbecher und drei verkümmerte Gummibäume dominieren das Ambiente. Sibels Schuhsohlen quietschen auf dm abgelaufenen Linoleumbelag.
Es riecht nach menschlichen Exkrementen und Desinfektionsmitteln. Durch die verschlossenen Türen dringen die Geräusche laufender Radios, nervtötender Fernsehprogramme und die Klagelaute verlorener Seelen. Die Tür des Pflegerzimmers ist angelehnt.
»Und? Irgendwelche besonderen Vorkommnisse. Irgendetwas zu beachten?« fragte Sibel mit ausdrucksloser Miene,