Amerikanische Impressionen. Mirko Krumbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mirko Krumbach
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748557838
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der Tag X noch gut und gerne zehn Monate voraus lag, säumte ich keine Zeit und begann augenblicks mit den Vorbereitungen ...

      Ein Blick in die Pässe verriet uns, dass neue zu beantragen waren. Also nichts wie hin und anleiern, so etwas Behördliches kann nämlich dauern. In gewisser Weise eilbedürftig war auch die Sache mit den Kreditkarten. Ein Mitarbeiter unserer Bank, hatte mir den Tipp gegeben, “Visa-Cards“ zu verwenden – mit denen könne man in Amerika fast unbeschränkt bezahlen, die seien äußerst praktisch.

      Gesagt, getan – hin zum Kreditinstitut und um Bereitstellung gebeten, das war eins. Bei den Flugtickets vertraute ich zunächst auf die Erfahrung des Vielfliegers H.. Der kam damit aber irgendwie nicht zu Potte, weswegen wir die Sache selbst in die Hand nahmen, ein nahe gelegenes Reisebüro enterten und uns von den dienstbaren Damen ein passendes und günstiges Angebot machen ließen. Und das lief am Ende auf “British Airways“ hinaus. Was zwar einen Zwischenstopp in “London Heathrow“ bedeutete, doch für eine Ersparnis von etwa zweihundert Märkern pro Nase sorgte, wofür wir die kleine Unbequemlichkeit gern in Kauf nahmen.

      Wir überließen in der Planungsphase nichts dem Zufall und schoben erst recht nichts auf die lange Bank; insoweit waren die Formalien, Dokumente und sonstigen Reisepapiere Mitte des Jahres okay – also in unseren Händen bzw. in trockenen Tüchern.

      Allerdings fand ich keineswegs, dass es nunmehr an der Zeit sei, die Hände abwartend vor der Brust zu verschränken. Meine Sprachkenntnisse, meinte ich besorgt, könnten dringend eine kleine Auffrischung gebrauchen. Schließlich wollte ich ja nicht radebrechend oder mit Pidgin-English durch die Gegend stolpern, sondern mir selbstbewusst und sprachmächtig Land und Leute erschließen. In diesem Punkt ergriff mich schon der Ehrgeiz. Außerdem durfte ich mir in diesem Zusammenhang nun wirklich nichts vormachen, denn verbal würde alles einzig von meinen Fähigkeiten abhängen – meine Frau verstand und sprach nur unzureichend ein Wort Englisch. Ich würde also Scout und Dolmetscher in einem sein müssen.

      Folglich büffelte ich in den Monaten vor der Reise in jeder freien Minute grammatische Feinheiten und spezielle Redewendungen, bis mir der Kopf rauchte. Ich tat dies nach eigener Systematik und war davon überzeugt, dass es auf die Weise und mit ´ner Prise Improvisation schon klappen würde. Zudem, meinte ich frohgemut, wenn alle Stricke reißen sollten, würden wir uns immer noch unter die Fittiche der ortskundigen Residenten H. und seiner Frau R. flüchten können.

      Letzteres sollte sich allerdings als ein Trugschluss erweisen. So viel Hilfe, Unterstützung, aber auch Anleitung, wie ich sie mir insgeheim erhofft hatte, wurde uns dann doch nicht zuteil. Überhaupt gestaltete sich die Visite in etlichen zwischenmenschlichen Bereichen – ich sag mal vorsichtig – schwierig. Hiervon soll allerdings nur am Rande – oder wenn es dem besseren Verständnis dient – die Rede sein. Schließlich ist es ja im Rahmen dieses Kapitels zuvörderst meine Absicht, amerikanische Eindrücke zu beschreiben, nicht jedoch im familiären oder zwischenmenschlichen Mustopf zu rühren.

      ...endlich wurde er Wirklichkeit

      Wenn einer eine Reise tut,dann kann er was erzählen. (Matthias Claudius (1740 – 1815)

      Wie gebannt blickte ich durch das dicke Flugzeugfenster. Tief drunten, freigelegt von einer gefetzten und löchrigen Wolkendecke, zog ein kleiner Teil der nordamerikanischen Landmasse an mir vorüber. War es noch Kanada oder schon die USA? – Ich wusste es nicht. Egal. Hauptsache Amerika! Zweifel bestanden jetzt keine mehr, ich schwebte über der Neuen Welt. Gleichwohl zwickte ich mich vorsorglich in den Arm, um nur ja Gewissheit zu haben, dass ich wirklich nicht träumte.

      Es waren riesige, weite, ebene Fleckenteppiche agrarischer Flächen. Verstreut hockten Farmgehöfte inmitten der gezirkelten Vierecke, die jetzt, Mitte November, weitgehend abgeerntet schienen und deswegen bloß ein verwaschenes Gelb-Grün-Braun zu mir heraufschickten. Allzu lange konnte es jetzt nicht mehr dauern und die Maschine, eine “Boeing 747“, wegen ihres mächtigen Leibs und Fassungsvermögens umgangssprachlich “Jumbo “genannt, würde auf dem internationalen Airport von Washington D.C. landen.

      Ich nahm meinen Platz wieder ein und erzählte meiner Frau von der jüngsten Beobachtung. Die hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu, lächelte gequält und signalisierte mir damit ein weiteres Mal, dass sie ihre flugbedingte Unpässlichkeit längst noch nicht überwunden hatte. Seit wir vor nunmehr gut zwölf Stunden in Köln abgeflogen waren, wurde sie von Schüben magenflauen Unwohlseins geplagt.

      Dabei war´s eigentlich ich, der ´nen gehörigen Bammel vor dem weiten Atlantikhopser hatte. Das Fliegen war noch nie meine bevorzugte Fortbewegungsart gewesen. Jetzt jedoch kam ich in der dahindüsenden Zigarre einigermaßen zurecht und mein Eheweib hing in den Seilen. Praktischerweise und gottlob befand sich stets eine Kotztüte in Griffnähe.

      Wie auch immer, die Mitteilung von der bevorstehenden Landung quittierte sie mit einer Miene der Erleichterung. Dass sie nun bald wieder festen Grund unter den Füßen haben würde, hellte ihr Gemüt ein wenig auf.

      Am Boden entvölkerte sich der Riesenvogel nur zögerlich, hauptsächlich wegen des Bustransfers, der den Transport der Passagiere vom Flugfeld zum Terminal übernahm. Eine, wie ich fand, umständlichere Art als der sonst üblichen Gangway-Tunnel.

      Im Ankunftstrakt durchliefen wir die sattsam bekannte Prozedur an Gepäckband und Zolltresen. Alles braucht eben seine Zeit, verlief aber dennoch reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse. Von meiner hübschen Begrüßungsrede, die ich mir fürs amerikanische Kontrollpersonal zurecht gelegt hatte, blieben einzig der Begriff „relatives“ übrig – ich hatte demnach lediglich zu erklären, dass wir einen Verwandtenbesuch in Mc Lean machen wollten.

      Mit ächzend bepacktem Kofferkuli kurvten wir durch die mit Barrieren abgezirkelten Bereiche der gleißend erleuchteten Abfertigungshalle dem Ausgang zu. Die Uhren des Traktes zeigten sieben, ... sieben Uhr abends. Zuhause, dachte ich amüsiert, ist es jetzt eins, ... wohl gemerkt: ein Uhr nachts. Darob rieb ich mir innerlich gewinnergleich die Hände. Wir hatten dem Tag nämlich ein Schnippchen geschlagen, hatten ihm, bedingt durch die Besonderheit einer Zeitzonen überspringenden Ost-West-Reise, weitere helle Stunden abgetrotzt.

      Es war also noch früher Abend, die Sonne blinzelte güldenrot und wollte sich mählich in ihr Bett hinter dem Horizont senken. Ich strotzte vor Unternehmungslust; keine Spur von Müdigkeit. Wo aber war H.? Er hatte doch zugesagt, uns vom Airport abzuholen!

      Bloß noch wenige Schritte und wir standen im Freien. Vor uns dehnte sich die weite, asphaltierte Fläche eines ziemlich leeren Parkplatzes. Mittendrin, neben einem bulligen Fahrzeug, stand unser Gastgeber und erwartete uns. Kurz und unaufgeregt der Empfang, nüchtern die Begrüßung, so als hätten wir uns erst vor kurzem gesehen und als wäre die lange “Anfahrt“ ein Klacks.

      H., etwa einssiebzig groß, von rundlicher, leider etwas übergewichtiger Statur, mit kantigem, schmalen Charakterkopf, dunkelbraunem, vollem Kurzhaar und wachen, blauen Augen im gebräunten Gesicht, ließ wohl sein typisch gebremstes Lächeln um die Mundwinkel aufblitzen, machte aber ansonsten um unsere Ankunft kein großes Gewese.

      Im Handumdrehen waren unsere Gepäckstücke im Heck des “Van“ genannten, lieferwagengroßen, kastenförmigen Fahrzeugs verstaut, und ab ging die Post. Er hatte es etwas eilig, wollte noch irgendwohin, faselte was von “Veteransday“. Ich ließ ihn reden und bestaunte erst einmal die wahrhaft großzügigen Abmessungen seines Gefährts, das nicht nur auf Transport sondern auch auf Campingbelange ausgelegt zu sein schien. Jedenfalls gab es neben den Volantplätzen vorn im hinteren Bereich weitere Sesselchen, Tischchen und Schränkchen, Video-und TV-Geräte inklusive, die an so was wie Wohnkomfort erinnerten. Diese Art der Fortbewegung passte haargenau in mein Amerikabild. Sprit war hier ja bekanntlich spottbillig, und was machte es da schon aus, wenn man bei jeder großen und kleinen Fahrt quasi sein Wohnzimmer spazierenfuhr?

      Hinter einer “Toll-Station“, wo H. einen Mautbetrag in Münzen entrichtete, enterten wir den Highway – sechsspurig das Ganze, drei in jeder Richtung. “Speed 55 Miles“ geboten weiße Schilder! Und artig