Wolfsblut. Jack London. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jack London
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750206588
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Stimme klang heiser und geisterhaft; der Mann hatte scheinbar mit Anstrengung gesprochen.

      »Das Fleisch ist knapp,« antwortete sein Gefährte. »Ich habe seit Tagen nicht die Spur von einem Kaninchen gesehen.«

      Weiter sagten sie nichts, doch lauschten sie aufmerksam auf den Jagdschrei der Verfolger, der dauernd hinter ihnen her ertönte.

      Beim Einbruch der Dunkelheit lenkten sie die Hunde in ein Tannengebüsch am Rande des Wasserlaufs und schlugen das Lager auf. Der Sarg neben dem Feuer diente als Sitz und Tisch. Die wolfsähnlichen Hunde drängten sich hinter dem Feuer zusammen, knurrten und bissen sich, zeigten jedoch keine Lust, sich ins Dunkle zu wagen.

      »Mir scheint, Heinrich, sie bleiben heute merkwürdig dicht beim Lager,« bemerkte Bill.

      Heinrich, der am Feuer hockte und den Kaffeetopf mit einem Stück Eis aufstellte, nickte. Er sprach auch nicht eher, als bis er seinen Platz auf dem Sarg eingenommen und zu essen angefangen hatte.

      »Sie wissen, wo ihr Fell am sichersten ist,« versetzte er. »Sie fressen auch lieber, als daß sie sich fressen lassen. Es sind ganz kluge Hunde.«

      Bill schüttelte den Kopf. »Oh, das weiß ich doch nicht.«

      Sein Kamerad blickte ihn verwundert an. »Zum erstenmal höre ich dich etwas gegen ihre Klugheit sagen.«

      »Du, Heinrich,« entgegnete der andere, indem er langsam an den Bohnen kaute. »Hast du vielleicht bemerkt, was für einen Spektakel die Hunde machten, als ich sie fütterte?«

      »Sie lärmten allerdings mehr als gewöhnlich,« bestätigte Heinrich.

      »Wie viel Hunde haben wir, Heinrich?«

      »Sechs.«

      »Schön.«... Bill hielt einen Augenblick inne, um seinen Worten größeren Nachdruck zu geben. »Wie du eben sagtest, Heinrich, haben wir sechs Hunde. Ich nahm auch sechs Stück Fisch aus dem Sack. Ich gab jedem Hund einen Fisch, und hatte doch einen zu wenig, Heinrich.«

      »Du hast falsch gezählt.«

      »Wir haben sechs Hunde,« wiederholte der andere mit vollkommener Seelenruhe. »Ich nahm auch sechs Stück Fisch heraus. Einohr bekam aber keinen. Ich ging hernach an den Sack und brachte ihm seinen.«

      »Wir haben aber nur sechs Hunde,« behauptete Heinrich.

      »Du, Heinrich,« fuhr Bill fort, »ich will nicht sagen, daß es alles Hunde waren, aber sieben haben Fisch bekommen.«

      Heinrich machte eine Pause im Essen, blickte über das Feuer hinweg und zählte die Hunde.

      »Es sind jetzt nur sechs,« sagte er.

      »Ich sah den andern über den Schnee weglaufen,« beharrte Bill mit kühler Bestimmtheit, »und ich zählte sieben.«

      Heinrich blickte ihn mitleidig an. »Ich werd' mich mächtig freuen, wenn die Fahrt erst vorüber ist.«

      »Wie meinst du das?« fragte Bill.

      »Ich meine, daß unsere Fracht hier dir auf die Nerven fällt und du anfängst, Gespenster zu sehen.«

      »Daran hab' ich auch gedacht,« antwortete Bill ernsthaft. »Drum, als ich das so quer über den Schnee laufen sah, untersuchte ich denselben und sah Spuren darin. Dann zählte ich die Hunde, und es waren und blieben sechs. Die Spur ist noch im Schnee. Willst du sie sehen? Ich kann sie dir zeigen.«

      Heinrich erwiderte nichts, sondern kaute schweigend weiter, bis er den Rest der Mahlzeit mit einer Tasse Kaffee hinuntergespült hatte. Dann wischte er sich mit dem Rücken der Hand den Mund ab und sagte: »Du glaubst also, es war –«

      Eia langgezogener, furchtbar trauriger Ton, der irgendwo aus der Dunkelheit hervorkam, unterbrach seine Rede. Er hielt inne, um zu lauschen. Dann schloß er den Satz mit einer Handbewegung nach dem Geheul hin, – »einer von denen?«

      Bill nickte. »Ich möchte hunderttausendmal lieber das, als was andres glauben, und du hast ja selbst den Lärm gehört, den die Hunde machten.«

      Ein Geheul nach dem andern, wobei eines immer wie die Antwort auf das andere klang, verwandelte die Stille ringsum in den lärmenden Tumult eines Tollhauses. Von allen Seiten kamen die Töne, und die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und so dicht um das Feuer herum, daß die Hitze ihnen den Pelz versengte.

      Bill warf mehr Holz auf die Glut, bevor er sich eine Pfeife anzündete.

      »Ich denke, du bist ein bißchen melancholisch gestimmt,« bemerkte Heinrich.

      »Du, Heinrich...« Er sog nachdenklich eine Weile an der Pfeife, bevor er fortfuhr: »ich dachte gerade daran, wie viel hunderttausendmal glücklicher doch der da dran ist, als wir, du und ich, es je sein werden.«

      Dabei deutete er mit dem Daumen abwärts auf die Kiste, auf der sie saßen.

      »Wenn wir, Heinrich, du oder ich, sterben, können wir glücklich sein, so viel Steine auf unsere Kadaver zu bekommen, daß die Hunde davon abgehalten werden.«

      »Aber wir haben auch keine Verwandten und kein Geld und all das, wie der da,« entgegnete Heinrich. »Eine lange Reise als Leiche ist etwas, was wir uns nicht leisten können.«

      »Was mich wundert, Heinrich, ist, was so 'n Mensch wie der da, der im eigenen Lande ein vornehmer Herr war und sich um Essen und Trinken und ums Nachtquartier nie hat zu sorgen brauchen, – was so einer hierher in diesen gottverlassenen Winkel kommt, das kann und kann ich nicht recht einsehen.«

      »Er hätte ein hohes Alter erreichen können, wenn er zu Haus geblieben wäre,« stimmte Heinrich bei.

      Bill öffnete den Mund, um zu sprechen, besann sich jedoch eines andern. Er deutete statt dessen in das Dunkel hinein, das wie eine Mauer sie auf allen Seiten umgab. Es waren in der dichten Finsternis weder Formen, noch Gestalten zu erblicken, nur ein Augenpaar konnte man wie glühende Kohlen darin leuchten sehen. Heinrich deutete mit einer Kopfbewegung nach einem zweiten und einem dritten Augenpaar. Ein Kreis glühender Augen schien sich um das Lager zu ziehen. Hin und wieder bewegten sich die glühenden Punkte, verschwanden, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen.

      Die Ruhelosigkeit der Hunde hatte zugenommen, sie rannten in einem Anfall plötzlicher Angst nach der Innenseite des Feuers und drängten sich an die Männer heran. Bei der wilden Flucht war einer dicht am Feuer zu Falle gekommen, und während der Geruch seines versengten Pelzes die Luft erfüllte, winselte er vor Schmerz und Angst. Unterdessen hatte sich der Kreis glühender Augen unruhig hin- und herbewegt und einen Augenblick sogar ein wenig zurückgezogen, aber wieder kehrten die leuchtenden Punkte an den früheren Platz zurück, als die Hunde ruhiger wurden.

      »Heinrich, es ist ein großes Unglück, daß wir keine Patronen mehr haben.«

      Bill hatte seine Pfeife ausgeraucht und half dem Gefährten, auf die Tannenzweige, die sie noch vor dem Abendessen auf den Schnee gelegt hatten, die wollenen Decken und Pelze zum Nachtlager auszubreiten. Heinrich brummte zustimmend und machte sich daran, seine Mokassins aufzuschnallen.

      »Wie viele Patronen haben wir noch, sagtest du?« fragte er.

      »Drei,« war die Antwort. »Ich wünschte, es wären dreihundert. Dann wollte ich ihnen schon was zeigen, den verdammten Bestien.«

      Bill schüttelte ärgerlich die Faust nach den glühenden Augen hin und fing ebenfalls an, sich die Mokassins auszuziehen, die er am Feuer aufstellte.

      »Ich wünschte, diese Kälte möchte mal endlich nachlassen,« fuhr er fort. »Wir haben nun schon vierzehn Tage lang fünfzig Grad gehabt, und ich wollte, ich hätte mich nie auf diese Fahrt begeben, Heinrich. Mir gefällt sie nicht! Mir ist nicht wohl dabei, und wenn ich einmal beim Wünschen bin, so möcht' ich, die Fahrt wäre erst vorbei, und du und ich, wir säßen am Feuer in Fort Mc. Gurry so um diese Zeit des Tages, und spielten Karten. Ja, das möcht' ich!«

      Heinrich brummte und kroch ins Bett. Beim Einduseln weckte ihn die Stimme des Gefährten.

      »Hör