Pytlik hatte die wesentlichen Infos bereits aus dem Gespräch mit Doktor Weidner bekommen.
„Es gibt da noch etwas“, komplettierte er Lehners Ausführungen. „Doktor Weidner rief mich heute Mittag an. Sperma! Die Leiche hatte Spermaspuren im Mund.“
„No sauber“, ereiferte sich Büttner, dem seine konservativ-katholische Erziehung heilig war. Hermann erkannte die Chance und legte den Finger in die Wunde des Polizeihauptmeisters. Diese Gelegenheit wollte er trotz des Ernstes der Situation nicht ungenutzt verstreichen lassen.
„Aha, sie hat vor ihrem Ableben also noch mal kräftig die Schalmei gespielt. Und Tod durch Ersticken hat der Weidner ausgeschlossen, Franz?“
Büttners Reaktion folgte prompt und ungefiltert: „Also, jetzt langds obber. Wu semmer denn? Bollagg, freggder!“
„Schluss jetzt!“
Pytlik unterband den aufkeimenden Disput zwischen Büttner und Hermann, der hinter vorgehaltener Hand sein Lachen unterdrücken musste.
„Wir können wohl davon ausgehen, dass die Antonowa ihren Mörder kannte. Rein theoretisch könnte es sich so zugetragen haben, dass die Beiden Sex miteinander hatten, der Mörder zu diesem Zeitpunkt seinen Entschluss aber schon gefasst hatte. Die Antonowa duscht dann, und als sie ins Schlafzimmer zurückkommt, passiert es. Fehlen uns nur noch das Motiv und der Mörder und dann können wir uns auch schon der kopflosen Wasserleiche aus dem Ölschnitzsee widmen. Spitze! Ich bin richtig begeistert!“
&xnbsp;Pytlik knallte die flache Hand auf die Glasplatte des Wohnzimmertisches und stand dann ruckartig auf. Die Anderen zuckten zusammen. Wahrscheinlich hatte er doch gerade mehr an Lydia gedacht, als an die beiden Leichen.
„Hat jemand eine Kippe?“ Die Frage war genau so hilflos wie überflüssig. Es war wieder einmal soweit. Immer, wenn es in einem Fall mit den Ermittlungen losging und die momentane Lage nicht viel Anlass zur Zuversicht gab, half bei Pytlik Nikotin. Eine Scheißangewohnheit, dachte er immer wieder. Zu dumm, dass er auf dem Trockenen saß. Üblicherweise hatte er nämlich keine Kippen zuhause und nun extra loszumarschieren, war ihm auchzu blöd.
„Justus ist der Überzeugung, die beiden Leichen haben etwas miteinander zu tun. Was meint ihr?“
Lehner preschte vor und gab zu bedenken, dass ohne fehlende Anhaltspunkte vor allem im Fall der Wasserleiche jegliche Vermutung über Zusammenhänge reine Spekulation sei.
„Andererseits - klar, wenn auf so einem unbescholtenen Fleckchen Erde gleich zwei Morde passieren, wäre das schon ein seltsamer Zufall.“
„Wer sagt denn“, spekulierte Hermann, „dass beide Morde, also vor allem der an dem unbekannten Mann, hier geschehen sind? Könnte ja auch sein, dass der Täter den Mord anderswo ausgeübt und die Leiche dann im Ölschnitzsee versenkt hat.“
Büttner verließ sich auf sein Gefühl und machte mit Überzeugung seinen Standpunkt deutlich, dass beide Morde miteinander zu tun hatten.
„Is a Bauchgefühl. Bassda!“
Die Diskussion schweifte dann irgendwann ab und als Hermann gerade den Fernseher anmachen wollte, um die letzten Bundesligatore in der Sportschau zu sehen, nahm Pytlik das Heft noch einmal in die Hand.
Er stand an der Tür zu seiner Terrasse. Im Glas konnte man sehen, wie er, den einen Ellenbogen auf die Handfläche des anderen Armes gestützt, in die Dunkelheit starrte. Dann drehte er sich ruhig um.
„Bei der Leiche aus dem See müssen wir auf Doktor Weidners Bericht am Montag warten. Ob die Spurensicherung da noch was finden konnte, wage ich zu bezweifeln. Bei dieser Russin sieht die Sache anders aus. Wenn die unter ihrem Alias wochenlang im Hotel war, muss es einfach Hinweise geben. Warum war sie hier? Mit wem hatte sie Kontakt? Was hat sie jeden Tag gemacht? War sie überhaupt jeden Tag weg oder oft im Hotel? Hatte sie Besuch im Hotel? Das sind die Fragen, die wir beantworten müssen. Gibt es vielleicht Personal, das jetzt schon nicht mehr im Waldhotel arbeitet, aber Beobachtungen gemacht hat, als Antonowa alias Maria Brolin die ersten Male dort war? Und vor allen Dingen müssen wir wissen, warum sie ein Doppelleben führte. Die Antworten finden wir vielleicht im Hotel. Ist mir egal, was dieser von Mainegg dazu sagt. Mit dem muss ich sowieso noch persönlich reden.“
Pytlik hatte den letzten Satz noch nicht ganz fertig gesprochen, als sein Handy klingelte. Lydia, hoffte er. Pytlik war froh, dass sie sich bei ihm meldete. Als er sein Telefon von der Ablage des Kamins genommen hatte und auf das Display schaute, war er allerdings enttäuscht. Er drückte auf den grünen Hörer.
„Pytlik! - Ah, hallo. - Sie haben was? Nichts anrühren! Verstanden? Lassen Sie alles so, wie es ist. Wir sind in einer halben Stunde da.“
Die Gesichter Hermanns, Lehners und Büttners schwankten zwischen Neugierde und Unbehagen. Noch ein Mord? Das durfte einfach nicht sein!
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