Das führte dann sehr schnell und leicht dazu, dass ich wie ein naives Kind von vielen Menschen ausgenutzt wurde und immer noch werde. Menschen, die nicht ebenfalls fein, rein und ganzheitlich denkend sind, hatten leichtes Spiel mit mir. Zum Teil kam ich gar nicht auf die Idee, dass ich manipuliert wurde, einfach auch deshalb, weil ich überwiegend im Wir-Bewusstsein denke, fühle und handle, und Menschen gerne zur Seite stehe. Für mich war es von Anfang an im Leben wichtig, einen Nutzen für die gesamte Schöpfung zu sehen und entsprechend so zu leben und zu handeln, dass es möglichst vielen Geschöpfen gut geht. Nur an mich selbst zu denken, empfinde ich als nutzlos. Es macht weder Freude noch Sinn, nur mein eigenes Wohl im Kopf zu haben, noch dazu eventuell auf Kosten des Wohls anderer. Und noch heute fällt es mir schwer, mal nur an mich selbst zu denken, denn es ist langweilig für mich und bedeutet mir wenig.
Ich lerne deshalb mühsam, auch einmal egoistisch zu sein, mich durchzusetzen, eine eigene Meinung zu vertreten und unbequem für andere zu sein. Für empathisch lebende Menschen ist das die größte Herausforderung im Leben, dieses Ich-Bewusstsein zu erleben und es wirklich auch zu mögen. Denn meistens bedeutet es uns nichts. Es fühlt sich rückschrittlich an, und im Inneren entsteht ein Gefühl von steinzeitlichem Gegeneinander. Empathische Menschen aber sehen stets das Potenzial jedes Menschen und wollen Unterstützung bieten, einer positiven Evolution auf die Sprünge zu helfen.
Es besteht trotzdem weiterhin eine Diskrepanz zwischen dem Ich-Bewusstsein und dem Wir-Bewusstsein. Das Wir-Bewusstsein bringt Erfüllung, Freude, Entwicklung, Ausdehnung und, vor allem, ein Fühlen und Erfahrung vom Sinn im Leben. Das kann das Ich-Bewusstsein alleine nicht. Es hinterlässt einfach nur Leere. Nur seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen ist öde. Es fühlt sich auf Dauer sinnlos an, auch wenn es kurzzeitig Freude bereitet.
Aber gerade weil ich es nicht schaffte, mich im Ich-Bewusstsein wohlzufühlen, kam ich mir immer falsch im Leben vor. Es fehlte etwas Grundlegendes, und mein Dasein machte keinen Sinn.
Deshalb war es wichtig für mich zu lernen, mich so anzunehmen, wie ich bin, ohne am Leben zu verzweifeln und meine hochsensible, empathische und mediale Art zu verurteilen. Durch solche gravierenden und großen Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln entstehen natürlich immer auch viele Missverständnisse, weil man im Grunde aneinander vorbeiredet, und weil jeder anders tickt. Das macht es mir heute noch schwierig, mit Menschen zurechtzukommen, die rein irdische Interessen vertreten und auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Vor allzu narzisstischen und egoistischen Menschen ziehe ich mich guten Gewissens heute noch zurück, weil Begegnungen nur in einer unbefriedigten Situation des Unverständnisses enden, und ich immer wieder Gefahr laufe, über den Tisch gezogen, bevormundet, manipuliert und gedemütigt zu werden.
Auch wenn Menschen wie ich überwiegend im Wir-Bewusstsein leben, haben wir alle auch ein Ich-Bewusstsein, das instinktiv Grenzen setzt, wenn sich etwas komisch anfühlt, wenn Gefahr droht und Selbstschutz notwendig ist.
Ich habe mich zwar Zeit meines Lebens fremd im irdischen Dasein gefühlt, aber mein kindliches Gemüt hat dazu beigetragen, dass es mir als Kind nicht immer so viel ausgemacht hat. Mein Ich-Bewusstsein hat mich instinktiv geschützt. Als Kind konnte ich deshalb unbeschwert mit meinem Anderssein umgehen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich fand es normal, anders zu sein als alle, weil ich ja nichts anderes kannte als diese Andersartigkeit.
Schon immer liebte ich lange, hübsche Kleider. Als Jugendliche mit wallenden Kleidern in die Schule zu kommen, war schon ein Affront für alle anderen. Aber ich habe es allen zugemutet, weil es mir gleichgültig war, gemobbt zu werden, also dem allgemeinen Spott ausgesetzt zu sein. Spott hat mich immer begleitet, aber ich lebte ja in meiner eigenen Welt. Und dort ging es mir gut. Mein Schutz, dass schon alles richtig ist, wie es ist, und mein kindliches Gemüt haben (fast) allen Schmerz an mir abprallen lassen. Und so wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich allen anderen anzupassen. Ich wollte gar nicht zu irgendeiner Gruppe dazugehören, in der ich mich sowieso nicht wohlgefühlt hätte. Nicht zu dem Preis, mein eigenes Selbst aufgeben zu müssen.
Das habe ich schon als Kleinkind im Kindergarten instinktiv erfasst und scherte mich wenig darum, eine Einzelgängerin zu sein, und auch, dass keiner mit mir spielen wollte. Ich habe einfach mein Ding durchgezogen, auch wenn das bedeutete, ziemlich einsam im Alltag dazustehen. Aber ich hatte ja immer meine Pflanzen. Mit ihnen konnte ich sprechen. Der Garten, in dem ich aufwuchs, war mein Zauberreich, meine Feen- und Elfenwelt, mein Raum, in dem Engel und wunderschön liebende, geistige Wesen lebten. Also fühlte ich mich nicht wirklich einsam.
Trotz vieler Krankheiten, die ich ins Leben mitbrachte und die mich stets begleiteten, hatte ich eine schöne Kindheit. Und ich konnte so sein, wie ich bin. Das war das Glück, in einem großen geheimnisvollen Garten aufzuwachsen und so ziemlich mir selbst überlassen zu sein. Ich brauchte keine Fremden, die mit mir spielten. Meine Schwester und ich, wir konnten uns wunderbar selbst beschäftigen. So konnten sich meine Gaben unbeschwert weiter entfalten, gerade deshalb, weil ich von meinem Ich-Bewusstsein beschützt wurde.
Was ich als Kind allerdings schon damals gut wahrnehmen konnte, waren mein Einfühlungsvermögen und mein extrem angeschlagenes Nervensystem. Ich war schüchtern und so sensibel, dass ich kaum etwas ertragen konnte, was mich überreizte. Lautes, Derbes, Anstrengendes, Bedrückendes – das war mir schon als Kind ein Stressfaktor. Diese Energien konnte ich schon immer spüren. Ich wusste, wenn es anderen Kindern schlecht ging, wenn sie wütend oder traurig waren, oder wenn sie neidisch waren auf meine Unbekümmertheit. All diese Energien nahm ich in mir auf.
Als Allergikerin und Neurodermitikerin verstärkte das meine Plagen. Meine Haut juckte. Ich zog mir seltsame Hauterkrankungen zu, die niemand behandeln konnte, und reagierte weiterhin sehr überreizt auf alles Laute, Schnelle und Unübersichtliche. Ich war also schon als Kind oft gestresst und wenig widerstandsfähig den Anforderungen des Lebens gegenüber. Dauernd gestresst zu sein ist ein Kennzeichen fast aller hochsensibel, medial und empathisch geborenen Menschen.
Als Erwachsene merkte ich dann schnell, wo meine Grenzen waren. Mir war fast alles immer viel zu viel. Frustriert brauchte ich mehrere Anläufe, um endlich einen Führerschein zu machen. Und Autofahren stresst mich auch heute noch extrem. Ich habe immer noch Angst davor, weil mich eben alles Schnelle, Laute und Unübersichtliche komplett aus der Bahn wirft. Dann erlebe ich einen Blackout im Hirn, verliere die Übersicht und bekomme Panik. Mein Hirn funktioniert dann nicht mehr, sondern versinkt in einem Chaos der Überforderung.
Leider hat die in den letzten dreißig Jahren einsetzende Technisierung der Welt dazu geführt, dass ich noch verwirrter wurde. Immer mehr Technik kam auf den Markt, immer neuere Entwicklungen, immer bessere Geräte, die ich nie im Leben alleine bedienen konnte und kann. So dauerte es zum Beispiel beinahe zwei Monate, bis ich es schaffte, den neuen Fernseher zu nutzen. Die Vielzahl technischer Möglichkeiten wirkt bei mir so verwirrend, dass ich nur noch genervt und überreizt bin. Nur mühsam eigne ich mir neues technisches Wissen an und muss ständig nachfragen, wie man was bedient. Kaum hat man es mir erklärt, vergesse ich es wieder und kann mir nur das merken, was ich täglich mehrmals wiederholen muss. Dann sickert es langsam in mein Gedächtnis, aber wehe, ich brauche eine Anwendung eine oder zwei Wochen nicht mehr. Dann muss man es mir erneut beibringen, was meine Umwelt extrem nervt.
Nein, ich bin nicht dumm, aber ich habe eine Teilleistungsschwäche, was die rasant voranschreitende technische Entwicklung anbelangt. Und alles Mathematische.
Es ist gar nicht so seltsam, dass ich diese Art von „Technik-Demenz“ an vielen hochsensiblen, empathischen und medial veranlagten Menschen bemerke. Das damit verbundene Multitasking wirkt verwirrend. Das Gehirn kann die Vielfalt an Reizen und Einsatzmöglichkeiten nicht verarbeiten und liefert „schwarze Löcher“ beim Begreifen und Verstehen.
Die Erfahrung, sich