Ich habe meine ‚älteste’ Tochter erst mit zweiundvierzig Jahren kennengelernt und weiß, wovon ich spreche — und vor allem auch, worunter ich leide: Als normalsterblicher, alter ‚Jungpapa’ merkt man nur allzu schnell, dass einem da ein gravierender Gedankenfehler unterlaufen ist: Kein Au-pair-Mädchen spielt Babysitter, keine Haushaltshilfe kocht und keine Putzfrau wischt den Brei weg oder räumt das Kinderzimmer auf. Und weil die ‚eigentlichen’ Großeltern längst im Seniorenheim sind, passt auch sonst niemand auf die Kleinen auf.
Auch bei den Finanzen gibt es Schlimmes zu vermelden: Keine Privatstiftung übernimmt in zehn, zwanzig Jahren die Ausbildungskosten der Kinder. Mit Ach und Krach lässt sich gerade noch eine Lebensversicherung erhamstern, die später einmal Frau und Kind den Umzug von der Mietwohnung in eine Gemeindewohnung ermöglichen könnte.
Ja, diese grau melierten Superhechte locken uns ‚billige Goldfischchen’ in ein gefährliches Gewässer. Der Eros verbindet uns zwar mit Rod Stewart, Nicki Lauda, Fritz Wepper oder Wolfgang Ambros — nur das Bankkonto haben wir blöderweise mit Vincent van Gogh gemeinsam. Zu allem Überdruss werden wir auch noch von der Wissenschaft geprügelt: Bei Neugeborenen von fünfzigjährigen Vätern, heißt es da, wäre später einmal das Schizophrenierisiko dreimal höher als bei der Nachkommenschaft von quietschfidelen Mittezwanzigjährigen. Gemein, was?!
Aber lassen wir die wissenschaftlichen Spekulationen und wenden uns lieber dem praktischen Leben zu: Fakt ist, dass mit einem Kind auch für uns ein völlig neues Leben beginnt. Kein Bürgerkrieg in Afrika hätte ihn je so zermürbt, wie die Geburt seines ersten Kindes, hat mir einmal ein Entwicklungshelfer erzählt.
Freilich ist ein Kind kein gefährlicher ‚Kriegszustand’, aber die Krawatte am Vatertag muss schon verdammt hart erarbeitet werden. Wie gesagt, Eltern sind wagemutige Extrembergsteiger, und jedes Jahr gilt es da, einen neuen Achttausender zu erklimmen. Ob man(n) das auch mit einem Greisenstock will und vor allem auch schafft, muss schon jeder für sich selbst entscheiden.
Vater oder bankrott werden?
Altes afrikanisches Sprichwort: Eine Schwangere ist eine Königin!
Neues europäisches Sprichwort: Eine Gebärende ist eine Kapitalistin!
‚Goldenes Skalpell’ oder ‚rostige Schere’? Das Angstgespenst von der ‚Zweiklassenmedizin’ geistert herum. Auch in Österreich, auch in den Kreißsälen. Soll mein Kind nun ‚zweitklassig’ die Welt betreten, oder soll ich ihm zur Geburt einen goldenen Teppich ausbreiten?
Während es in den ‚guten alten Zeiten’ noch voll und ganz reichte, sein Kind mit einem ‚goldenen Löffelchen’ auszustatten, also schlicht und einfach einen reichen Balg in die Welt zu befördern, ist die heutige Geburts-Differenzierung schon weitaus komplizierter: Welche ‚Kreißsaal-Location’ ist gerade in, welche out? Wo kommen wirklich die Leistungsträger der Zukunft zur Welt, und welches Krankenhaus ist bloß eine billige Absteige für Schmarotzer?
Aktuell gilt: Wer sein Baby wirklich liebt, sorgt dafür, dass es goldig auf den Popo knallt. Genau das wird jedenfalls werdenden Eltern von den Hochglanz-Hypnotiseuren á la Bunte, Gala und Konsorten suggeriert. Schließlich leben uns das alle Hollywoodstars vor: Ein ganz, ganz besonderes Baby braucht auch einen ganz, ganz besonderen Ort, um seine erste Windel ganz glücklich vollzuscheißen.
Und besonders wichtig für uns Männer: Die Wahl der Geburtsklinik drückt immer die Liebe eines Mannes zu seiner Frau und seinem Baby aus. Wer Frau und Kind also liebt, greift tief und glücklich in die Brieftasche — wer seine familiären Anhängsel hasst, verramscht sie beim Discounter, entscheidet sich also für ein öffentliches Krankenhaus. Irrtum absolut ausgeschlossen: Gute Väter und Ehemänner werden in Privatkliniken geboren, ‚Loser’ auf Krankenschein produziert.
Mein guter Bekannter Max meint bei diesem Thema immer, ich solle ihn und seine Geschichte unbedingt als ‚Max Mustermanns Leiden’ anführen. Er sei da wohl das Musterbeispiel an Dummheit und finanziellen Nachwehen, denn die Geburt seines Kindes spüre er immer noch auf seinem Konto.
Selbstverständlich war es Max überaus wichtig, dass seine Frau bei der Geburt in bester medizinischer und menschlicher Obhut sei. Und wie die meisten von uns, hat auch Max mit seiner Frau alle Kreißsäle in Wien und Umgebung genau unter die Lupe genommen. Heldenhaft — wie eben die meisten von uns — ohne Meckern und Murren, zwei Monate lang … jedes Wochenende. Max könnte (eben wie wir alle) bei ‚Wetten dass?’ auftreten und 1.000 Grundrisse von Kreißsälen locker aus dem Gedächtnis heraus aufzeichnen.
Aber zurück zu seiner Geschichte: Max’ Frau war — trotz der intensiven Kreißsaalsuche — nicht von einer ‚öffentlichen Niederkunft’ zu überzeugen. Alsdann startete sie per Internet eine virtuelle ‚Gebärtour’ durch Österreichs teuerste Privatkliniken. Für Max war dringend Schadenbegrenzung angesagt: Er budgetierte also für seine Frau einen Privat-Gynäkologen und als Bonus gab es auch noch eine persönliche Hebamme. So wollte er mit 3.000 Euro seinen Kopf aus der Schlinge ziehen und seiner Frau einen passablen Liebesbeweis liefern. Oh, oh … lieber Max! Max, du dummer, dummer August! Hast du im Ernst geglaubt, mit 3.000 Euro davonkommen zu können?! Dich so billig aus deiner (Liebes-) Verantwortung stehlen zu können? Nein! Nichts da! Keine Chance gegen diese Rezeption … Selbst auf dem iPad sah diese Klinik von der Rezeption bis zum Zimmer wie ein Fünfsternehotel aus. Nein, absolut keine Chance gegen diese Suite — die ist ja größer als deine Wohnung. Und erst der 24-Stunden-Restaurantservice … ja, da war die Gattin so richtig auf den Geschmack gekommen. Da hieß es zahlen!!!
Und das hat unser ‚Max Mustermann’ dann auch: Summa summarum haben ihn die Liebe zu seiner Frau und die Ankunft seines Kindes 8.600 Euro gekostet. Sein Kredit läuft heute noch unter ‚Wohnraumbeschaffung für Familienneugründung’ und wird ihn verlässlich die nächsten Jahre begleiten — was bei seiner Frau nicht so sicher ist … Na ja, drücken wir den beiden die Daumen — immerhin verbindet sie ein großartiges Kind und eine tolle Geburtsgeschichte:
Max’ Frau hatte zum Glück ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Ihr schlechtes Blutbild machte allerdings eine rasche Überstellung in ein öffentliches Krankenhaus notwendig. Am selben Tag, kaum fünf Stunden nach dem Kaiserschnitt. Bei Kaffee und Kuchen jammert sie heute noch ihren Freundinnen vor, wie schrecklich traurig sie sei, damals nicht drei, vier Tage vor dem Kaiserschnitt in der Privatklinik eingecheckt zu haben. Nur diese eine Nacht vor der Geburt sei ja die reinste Geldverschwendung gewesen, der arme Max und sie seinen da ganz und gar nicht auf ihre Kosten gekommen. Gerade einmal ihre Kleidung konnte sie in den tollen Schrank einräumen. Sogar auf der Rückseite hatte der einen Riesenspiegel — ehrlich, der muss aus Frankreich gewesen sein. Jedenfalls hätte sie ihren Freundinnen wahnsinnig gerne diese eindruckvolle Geburtsvilla präsentiert. Irre schade … Sie hätten ihnen dann ein Essen in Haubenküchenqualität servieren lassen, direkt aufs Zimmer, das nur wegen dem elektrischen Hebebett nicht wie eine Hotelsuite aussah. Gott, alleine der Gedanke daran mache sie heute noch verrückt!
Max ergeht es da ähnlich: Verdammt schade, dass sich die Geburt seines Kindes bloß für die Klinik und seine Bank ausgezahlt habe. Was freilich rein pekuniär gemeint sei — mit seinen eigentlichen Vaterfreuden habe der schnöde Mammon natürlich nichts zu tun. Max hat übrigens per Mail einen Verbesserungsvorschlag an die Privatklinikleitung geschrieben: Man