Ros Augen begannen freudig zu leuchten, als der Schmied seinen Besuchern ein Abendessen zubereitet hatte und diese haben erfreut zugegriffen. Gesellig saßen sie beisammen und sprachen über die Geschichte in der Teufelsschlucht.
„Hat dir Ori auch erzählt, was auf der Papyrusrolle stand, die sie aus der Höhle geholt hatten?“, wollte nun Ros erfahren und biss beherzt bei ihrem Brot ab.
„Die Geschichte von Atlantis!“, begann Mao und bemerkte, dass die anderen wieder gespannt an seinen Lippen hingen. So gut er konnte, versuchte er das Gehörte in gekürzter Fassung wiederzugeben: „Leider war die Papyrusrolle beschädigt und so konnte sich Ori an manchen Stellen nur zusammenreimen, wie der genaue Inhalt lautete: Atlantis wurde von einem ihrer Leute verraten. Doch kurz bevor die Feinde den Herrscher von Atlantis stürzen konnten, bewerkstelligte dieser, sein langgehegtes Geheimnis von der Insel zu schaffen. Sein sogenannter Schatz, der etwas Mächtiges sein sollte, befand sich in einer kleinen Kiste. Was dieses Etwas war, weiß jedoch niemand so genau. Sicher ist nur, dass das Vermächtnis versteckt wurde und es bis heute niemand gefunden hat.
Doch genau um diesen Schatz geht es. Ich habe Ori nach seinem Tod geschworen, diese Kiste vor den Männern mit den Engelsmasken zu finden. Sie dürfen sie auf keinen Fall in die Hände bekommen!“
Nun breitete sich Stille in Jaks Haus aus. Alle zerbrachen sich den Kopf über die Geschichten, die sie eben gehört hatten und versanken in ihren Gedanken über die letzten Ereignisse, die sie selbst erlebt hatten.
Mao betrachtete das Medaillon, das sich in dem Umschlag von Jak befand, den Ori ihm vor langer Zeit zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Das Medaillon hatte den Umfang von Maos Handfläche. In der Mitte der Vorderseite kreuzten sich zwei Schlangen und am Rand befanden sich kleine hervorgehobene Punkte, die wie Augen aussahen. Es war schwer sie zu zählen, doch nach einer Weile war sich Mao sicher, dass es neuundneunzig Erhöhungen waren.
Auf der Rückseite befanden sich drei gekreuzte Schlangen und wiederum Augen, doch diese waren um einiges größer und Mao konnte nur dreizehn entdecken.
‚Doch wie soll uns das Medaillon weiterhelfen?‘, kreiste die Frage durch seinen Kopf. Mao versuchte sich zu erinnern, ob ihm Ori nicht doch noch eine Geschichte erzählt hatte, die mit dem Vermächtnis von Atlantis zusammenhängen könnte. Doch ihm fiel nichts dazu ein. Dabei spielte er unbewusst mit einer kleinen Holzfigur, die einen Frosch darstellte. Diese hatte er in den Ruinen seines Elternhauses gefunden. Es war bei dem Unfall, bei dem sein Vater ums Leben kam, bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Als er Bän aufgesucht hatte, nachdem das Ereignis mit Ori war, waren sie am Abend zu den Trümmern gegangen. Es hatte eine seltsame Stimmung geherrscht, während Mao durch die Reste des Hauses geschritten war und in Erinnerungen geschwelgt hatte. Dabei hat er sich eingebildet, eine gespenstische Frau in einem Spiegel gesehen zu haben. Als er genauer hingesehen hatte, war die Erscheinung verschwunden. Dafür hat er diese Figur unter einem Steinhaufen gefunden. Die Farbe war abgeblättert und sie war von Ruß überzogen, und dennoch hatte er den Frosch eingesteckt. Er erinnerte sich, dass sein Vater sie einst geschnitzt und ihm geschenkt hatte. Bis zu diesem Moment war der kleine Frosch aus seinem Gedächtnis verdrängt gewesen. Doch bei dem Anblick des Spielzeuges waren ihm einige Momente aus seiner Kindheit wieder eingefallen, die mit dem Geschenk in Verbindung standen.
Maos Interesse galt in diesem Moment allerdings dem Erbe von Atlantis.
‚Wie sollen wir nur das Vermächtnis finden? Wir wissen nichts darüber! Unser einziger Anhaltspunkt, den wir von Ori erhalten haben, ist dieses Medaillon. Zudem beschreibt er eine Bucht, mit dem Namen Zombiemeerjungfrau. Aber wo soll das sein? Und was sollen wir dort machen? Wie sollte uns diese Bucht helfen, das Vermächtnis von Atlantis zu finden?
Zudem haben die Männer mit den Engelsmasken Ori immer wieder nach einem Lee gefragt. Vielleicht kann der uns weiterhelfen!?! Aber wo finden wir Lee?
Den einzigen Hinweis auf den Aufenthalt des Mannes lautete: Er befindet sich dort, wo sich alle Zeiten treffen! Aber was soll das bedeuten? Wo soll sich dieser Ort befinden?‘, dachte Mao angestrengt nach und dabei sah er unbewusst zu Ros.
Das Mädchen spielte auf ihrer kleinen selbstgeschnitzten Flöte. Sie saß ganz dicht neben dem offenen Kamin, wurde von dem warmen Licht der Flammen beschienen und wirkte einfach nur wunderschön. Ihr langes feuerrotes Haar fiel schwungvoll um ihr bezauberndes Gesicht.
Ein Lächeln breitete sich auf Maos Lippen aus, während er sie noch immer verträumt beobachtete. Ihr Blick hingegen wirkte nachdenklich, da auch Ros in ihrer Erinnerung hing. Nachdem das Mädchen die Geschichte von Julo nochmals durchdacht hatte, erinnerte sie sich amüsiert an die Ereignisse der letzten Tage: ‚Wenn Oma mich nicht so gedrängt hätte, dass ich zu Mütterchen gehen sollte, hätte ich Kuao, den Bären, nicht gehört und Mao und Bän nicht zur Hilfe eilen können. Sie wären gestorben, ich hätte nie von alldem erfahren und würde mich schon gar nicht in diesem Haus befinden. Es ist schon amüsant, wie das Schicksal es manchmal mit einem meint‘
Ros blickte mit ihren großen rehbraunen Augen zu Bän hinüber.
Der Junge starrte auch gedankenverloren vor sich hin und spielte mit seiner Eidechse, Honalua, die über seine vernarbte Hand lief. Diese Narben hat der tollpatschige Junge aus seiner Kindheit, da er damals heißes Wasser über sich verschüttet hatte.
Auch in seinen Kopf kreiste die Geschichte, die er eben von Mao gehört hatte, hin und her. Doch dann dachte er an seine Mutter und an die anderen von seiner Familie. Vor allem seine Schwester fehlte ihm sehr. Sein älterer Bruder war schon vor langer Zeit von ihnen gegangen und besuchte sie nur sehr selten. Bän hingegen war noch nie so lange von zuhause weg gewesen. Genaugenommen war er nur einmal für längere Zeit unterwegs. Das war, als er mit seinem Vater reiste. Dieser machte einen Handel im Nachbardorf.
Die Eidechse krabbelte über seinen Nacken und legte sich in seine lockigen, braunen Haare, wie in einem Nest nieder. Da bemerkte der Junge, dass Jak das Tier beobachtete.
Der alte Mann mit den kurzen, grauen Haaren und den zusammengewachsenen Augenbrauen, schürzte in Gedanken versunken seine Lippen.
Nun öffnete er eine der vielen Kammern seiner Halskette und schüttete den Inhalt heraus. Es handelte sich um stinkende Kräuter, auf dem der alte Mann immer kaute. Er hatte ihnen zuvor erklärt, dass diese Mischung sehr gesund sei und sie ihn vor Krankheiten schützen würde. Bän war jedoch davon überzeugt, dass er eher krank werden würde, wenn er das Zeug in den Mund nehmen müsste. Doch der alte Mann schien es dringend zu benötigen, da er alles andere als gesund aussah.
Jak hat eine Narbe, die über dem rechten Auge beginnt und sich unterhalb über die Wange fortsetzte.
Der Junge musterte seinen weißen Schnurbart, dessen spitzen Enden bis zum Kinn reichten. Dennoch fand er den älteren Mann sehr freundlich. Vor allem seine Marotte, dass er jedes Geschehen mit einem Sprüchlein kommentiert, gefiel ihm. Dies erinnerte ihn an seinen Vater.
Wenig später machte sich die Müdigkeit unter ihnen breit und sie legten sich schlafen.
Mao lag unter der Schräge des Daches, in dem sich ein Fenster befand, wodurch das grelle Licht des Mondes hereinfiel und den Raum erhellte.
Bän stützte sich auf, sah in Maos Richtung und sprach: „Weißt du, an wen mich die rechthaberische Art von Roš erinnert?“
Mao schüttelte den Kopf und antwortete: „Nein, aber ich denke du wirst es mir gleich verraten.“
„An Giz!“, erläuterte Bän, und als er bemerkte, dass Mao keine Ahnung hatte von wem er sprach fügte er hinzu: „Sag bloß du hašt Giz vergeššen! Die kleine Nervenšäge, die unš immer nachgelaufen išt und verpetzt hat. Sie hat unš šo genervt, dašš wir ihr immer Streiche gespielt haben. Weißt du echt nicht mehr?“
Plötzlich bekam Mao einen Stich im Kopf, der ihn