EHER LERCHENJUBEL ALS UNKENRUF. Harald Kanthack. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harald Kanthack
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844266870
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ist auch hier der Herr nicht Herr des Verfahrens. Er hat sich dem Geist zu unterwerfen, der in den Definitionen ruht, mit denen seine Geschöpfe ihn ausdeuten. Ein grandioses Beispiel für die alles umfassende Kraft des Geistes, die sich auch bei Historikern findet, deren Hauptbeschäftigung ja darin liegt, die Vergangenheit gemäß ihrer vorab entwickelnden Thesen zu verändern, um sich dann als Polemiker zu betätigen – was ebenfalls einem Gott unmöglich ist. Das Gewesene kann dieser so wenig verändern wie vergehen lassen, denn es ist schon vergangen. Das Zukünftige kann er bestimmen, ja, aber verfälschen kann er es nicht. Das können nur Ideologen.

      Aus alledem wird die große Verantwortung ersichtlich, die wir für unseren Gott tragen. Nachdem wir ihn so gestaltet haben, die Einswerdung mit ihm ersehnen zu können, sind wir nun einmal gehalten, sein Bild zu erhalten und zu pflegen. „Und indem wir das inbrünstig tun, wachsen wir ihm mit der Aussicht entgegen, tatsächlich das zu werden, was das Ziel unserer Sehnsucht ist!“(Zwischenruf eines Esoterikers)

      Ob unser Vorstellungsvermögen grenzenlos ist, könnte eine Frage sein, zu deren Beantwortung grenzenlose Vorstellungskraft gehört. Ob es eine Antwort geben kann darauf, wieso alles da ist, statt dass es nicht da ist, wurde hingegen bereits gestellt und einer möglichen Antwort zugeführt, die da lautet: Vorstellbar ist, auf bestimmte Fragen keine Antworten geben zu können, weil diese Fragen Unwissbares betreffen. Kein Mensch, kein Übermensch, kein Geist, kein Dämon, kein Gott, keine Urkraft, kein Eigentliches hinter allem weiß darauf eine Antwort. Auch weil es das 'hinter allem’ nicht gibt. Das All ist eben überall; hinter ihm, vor ihm, unter ihm, über ihm oder jenseits von ihm sind widersprüchliche Ausdrücke.

      Wenn eine Ewigkeit schon vergangen ist, ohne dass eine befriedigende Antwort auf eine immer wieder gestellte Frage auftauchte, liegt die generelle Unbeantwortbarkeit ( ein Wort so scheußlich wie seine Bedeutung) dieser Frage nahe. Sie ist eine Unfrage, weil sie sich auf Unwissbares bezieht.

      Gehen wir von der Annahme aus, grundsätzlich sei die Fähigkeit des Menschen, etwas zu verstehen, grenzenlos und vermuten dennoch, mit der Frage, ob die Welt auch hätte gar nicht existieren können, an der Grenze zum Unwissbaren angelangt zu sein – einer Grenze, die wir uns als grundsätzlich für alle denkenden Wesen vorstellen – , so führt das zwangsläufig zu dem als größenwahnsinnig erscheinenden Schluss: unser Gehirn stellt den Endpunkt der möglichen geistigen Entwicklung im Weltall dar. Weiter hinauf reichen kann kein Geist als bis dahin, wo es nun für nichts und niemanden weitergeht. Als Alternative käme freilich noch die Schlussfolgerung in Frage, in unserem Gehirn den Maximalzustand der geistigen Verwirrung im Weltall zu sehen.

      Nenne ich dieses Unwissbare ein ewiges Geheimnis, das von nichts und niemandem enträtselt werden kann, ein Geheimnis, das sich selbst ewig ein Geheimnis war, ist und bleibt, ein Geheimnis so geartet, dass nichts und niemand aus ihm heraus gelangen kann, dass alles und jedes ein Teil desselben ist, dann versehe ich das Unwissbare mit einer Eigenschaft, die ihm nicht zukommt: der Eigenschaft des Geheimnisvollen. Das Unwissbare ist aber nicht geheimnisvoll. Denn ein Geheimnis setzt jemanden voraus, der in dieses eingeweiht ist. Ein Heim, in dem sich jemand befindet, andere aber ausgeschlossen sind. Das aber ist gerade bei dem, was ich unwissbar nenne, nicht der Fall. Ein Rätsel, das zu stellen der Sphinx würdig gewesen wäre: ‘Es ist da. Aber keiner kann wissen, ob es auch hätte nicht da sein können. Dennoch ist es kein Geheimnis'.

      Dass etwas unwissbar ist, setzt allerdings dieses etwas voraus; was vorhanden ist, nur nicht gewusst wird. Die Frage, ob die Nichtexistenz der Welt möglich gewesen wäre, liegt vor. Die Antwort hingegen weiß nicht nur niemand, sie ist vielmehr unwissbar. Unzutreffend und irreführend jedoch ist das Wort ‘unwissbar‘ im Zusammenhang mit der Frage nach der Ursache für das Vorhandensein des Kosmos. Denn diese Ursache kann es gar nicht geben. Aus dem einfachen Grund, weil eine Ursache zwangsläufig ihrer Wirkung vorausgehen muss, einem ewigen Kosmos aber, der nie einen Anfang hatte, auch nie etwas, folgerichtig auch keine Ursache, hat vorausgehen können. Es ergab sich niemals die Gelegenheit für eine Ursache, und was ihre Wirkung hätte sein können, war schon ewig da.

      Wer hierin nur menschliche Unbescheidenheit sieht, die das leugnet, was sie nicht fasst, setzt wiederum das Geleugnete als existent voraus, nämlich nicht irgendeine Ursache, sondern eine erste Ursache. Verstößt folglich gegen die allgemeinen Regeln der Logik, nach denen hier Betrachtungen angestellt werden. Eine Fundamentalregel dieser Logik lautet nun einmal: jede Ursache ist gleichzeitig die Wirkung einer vorhergehenden Ursache. Demnach es eine erste Ursache nicht geben kann. Ich spreche nicht von einem Verstoß ‘gegen die allgemein gültigen Regeln‘. Denn ob diese Regeln außerhalb des Gedankenspiels, dem sich wenige Menschen so gerne hingeben, Gültigkeit beanspruchen können, ist eine andere Frage. Sie zu beantworten müsste man einmal kein Mensch sein und dennoch denken können. Unser Denken jedenfalls,wenn es die Logik nicht außer acht lässt, findet nie einen ersten Grund – weder im Denken selbst noch im Universum.

      In diesem Zusammenhang ist auch die Frage, von wem das Leben gelebt wird, nur so zu beantworten, dass es von niemandem und von nichts gelebt wird außer von sich selbst in seinen jeweiligen Erscheinungsformen, zu denen auch (falls vorhanden) Geister und Götter gehören. Sie sind jedoch im unendlichen Universum, nicht außerhalb, weil – nochmals gesagt – es ein außerhalb des Universums nicht geben kann. Das ergibt sich eben aus der Definition: das Universum enthält alles, was es gibt. Wer nun einwirft, mit seinen Gedanken könne man sich aber außerhalb des Universums niederlassen, verweist nur auf die unheilvolle Fähigkeit des Menschen, Unmögliches zu denken. Schlimmstes Beispiel: aus nichts könne etwas entstehen.

      Gibt es Geister und Götter oder nur einen Gott, nun, so muss er, so müssen sie sich im Universum befinden. Weshalb die Erklärung, die Natur sei ein unendlich geteilter Gott, das Universum gleichsam eine Zerstückelung Gottes, bzw. Gott eine Kugel, deren Mittelpunkt überall sei, sehr ansprechend ist (auch wenn hier ein Missbrauch des Wortes Gott vorliegt). Ein unendlich geteilter Gott, der im Wege des Selbstgenusses mit unendlich vielen Zungen sich selbst schmeckt. Dabei eben jeder einzelne Mensch eine solche Zunge ist und als Organ des Lebens mit dafür sorgen kann und gewisslich auch dafür sorgen soll, Freude als hauptsächliche Beute einzufahren. “Lass dich nur selbst leben!“ wäre keine schlechte Devise.

      Die Freudlosen sind der Natur ein Gräuel. Entsprechend lässt sie Miesepeter links liegen mit der Folge, sie noch mehr zu vergrämen. Worauf die Natur wiederum angemessen reagiert. Ein Teufelskreis, den wir so häufig bei unglücklichen Menschen beobachten können.

      Wer nach Sinn und Zweck des Ganzen fragt, versteht nicht die Erhabenheit und Würde der Natur. Sie bedarf keiner philisterhaften Erklärungen, ist da und wirkt seit und in Ewigkeiten. Und ein Ganzes ist sie, da ohne Grenzen, auch nicht.

      Hier noch ein Gedanke, der bei erster Bekanntschaft befremdlich anmuten mag. Es ist der, welcher die Existenz der Welt abhängig macht von mit Geist begabten Lebewesen, die diese Welt wahrnehmen. Wird sie nicht wahrgenommen, existiert sie auch nicht. Nehmen wir einmal an, wir, die wir uns Menschen nennen, wären die einzigen Lebewesen im Kosmos, die dessen Vorhandensein erkennen, so würde mit unserem Verschwinden auch die Welt verschwinden.Sie existierte nicht mehr, da niemand mehr da wäre, der sich ihrer Existenz bewusst wäre.

      „Natürlich existiert sie weiter, halt nur ohne uns!“ Wer aber wollte das beweisen? Wer könnte das beweisen? Es ist keiner da, der es will, und keiner, der es kann. Setzt Dasein nicht Objekt sein voraus, Objekt für einen anderen, der es als Objekt wahrnimmt? Wenn wir einmal Tiere und Pflanzen bei dieser Überlegung außen vor lassen, weil wir nicht wissen, ob und wie sie die Welt sehen, könnte man tatsächlich zu der Schlussfolgerung gelangen, ohne uns keine Welt und vor unserem Erscheinen auch nicht. Was dem Größenwahn die Tür öffnet, unser Geist sei größer als das Universum, weil dies erst durch unseren Geist in Erscheinung tritt.

      Um dieser Anschauung das Absurde zu nehmen, eine zusätzliche Bemerkung.Die Welt, unabhängig von den Eindrücken unserer Sinne, kennen wir nicht und werden sie voraussichtlich nie kennenlernen. Für uns ist die Welt das, was sich von ihr in unserem Gehirnkasten spiegelt. Fällt dieser Spiegel weg, ist diese, also unsere Welt ohne Zweifel auch weg.

      Dasein und Wirken der Götter in dieser Welt galten in früheren Zeiten als Selbstverständlichkeit.Der