Orangen und Datteln. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746750163
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Am Fuße eines solchen Höhenzuges glänzte von unten die blitzende Fläche eines Wassers zu uns herauf, an dessen Ufer ich einiges spärliche Lentiskengesträuch bemerkte.

      »Das ist keine Sobha, Hassan, sondern ein Schott oder Birket, welcher hinter dem Hügel liegt und von dem wir hier nur eine Bucht sehen können. Ich werde dir gleich seinen Namen nennen!«

      Ich schlug die stets bereite Karte auf und fand den See verzeichnet. Es war eines jener leblosen Gewässer ohne Farbe und Bewegung, die kein Fisch, kein Lurch durchrudert und in deren Wasser man höchstens jene häßlichen Würmer zu Myriaden erblickt, welche der Beduine Thud nennt.

      »Es ist der Birket el fehlatn (tote See). Laßt uns zu ihm hinunter!«

      »Das ist ein Befehl, Sihdi, der mehr wert ist, als der Preis von zehn Kamelen. Mein Serdj, was du Sattel nennst, brennt unter mir, als säße ich auf einem abgerissenen Zipfel von der Tschehenna (Hölle). Ich werde mich entkleiden und meinem Körper durch einen Ghusl (Bad) neue Kräfte geben.«

      Wir hielten auf das Wasser zu, welches wir nach einer Viertelstunde erreichten. Es war, wie ich richtig bemerkt hatte, kein Schott, sondern der Birket el fehlatn. Hassan war uns voraus; er konnte das Bad nicht erwarten. Am Ufer angekommen, wandte er sich mit einer Gebärde der Enttäuschung zurück.

      »Sihdi, das ist kein Wasser zum Ghusl, sondern ein Bahr el Thud (Würmermeer), und siehe, dort liegt ein Duar von über zwanzig Zelten, die uns Schatten geben werden!«

      Wirklich sah ich zwischen dem oberen Teile des Sees und dem Hügel eine Reihe von Zelten stehen, zwischen denen zahlreiche Pferde und Kamele lagen. Eine andere Truppe von fünf Kamelen weidete seitwärts die fleischigen Blätter der Salzkräuter ab, welche der dürftige Boden durch den Einfluß des Wassers hervorbrachte. Ich erkannte auf den ersten Blick, daß es nicht gewöhnliche Lastkamele seien, die man für vierhundert Piaster das Stück bekommt, sondern ohne Ausnahme Reitkamele, echte Hedjihn, deren jedes man mit mehreren tausend Piastern bezahlt. Vielleicht waren es gar Bischarinhedjihn, diese edelste Rasse der Kamele, denen man bei aller Enthaltsamkeit wohl eine ganze Woche lang täglich einen Weg von vierzehn bis sechzehn deutschen Meilen zutrauen kann. ja, bei den Tuareg trifft man Kamele, welche noch mehr zu leisten vermögen. Ich erkannte diese Rasse an den zierlichen Formen, dem verständigen Auge, der breiten Stirn, den herabhängenden Unterlippen, den kurzen, stehenden Ohren, dem kurzen, glatten Haare und der Farbe desselben, welche bei dem Bischarin entweder weiß oder lichtgrau, manchmal auch falb und zuweilen gefleckt ist wie bei der Giraffe.

      Diese kostbaren Tiere gehörten jedenfalls nicht in das arme Zeltdorf, sondern sie waren wohl das Eigentum von fremden Beduinen, welche im Duar als Gäste weilten.

      Wir eilten auf das Duar zu.

      Es wäre eine ganz unverzeihliche Beleidigung für den Besitzer des ersten Zeltes gewesen, wenn wir an diesem vorübergeritten wären, um in einem der folgenden Aufnahme zu suchen. Der Bewohner der Steppe ist ein geborener Dieb und Räuber, aber das Gastrecht hält er noch ebenso hoch und heilig, wie es den biblischen Erzvätern galt, von denen er ja seine Abstammung herleitet.

      Als wir hielten, wurde das alte, vielfach zerfetzte Tuch, welches den Eingang bedeckte, bei Seite geschoben, und ein Mädchen trat heraus, um uns zu begrüßen. Sie war unverschleiert; die Frauen der Wüstenaraber sind weniger difficil als die Weiber und Töchter der Mauren (Städtearaber). Ihr Haar war in dichte Dafira (Flechten) geordnet, welche mit roten und blauen Bändern durchflochten waren. Um die Hüften trug sie den Rahad, einen schmalen Gürtel, von welchem eine große Anzahl Lederstränge bis über das Knie herabfiel und so einen Rock bildete, welcher mit Korallen, Bernsteinstücken und Kaurimuscheln verziert war. Um den Hals trug sie den Kharaz, eine vielfache Schnur von Glasperlen und allerlei Münzen. Von den Schultern hing ein leichter Ueberwurf bis zu dem Gürtel herab. In den kleinen Ohren hingen goldene Ringe von enormer Größe; an den Füßen oberhalb der Knöchel glänzten silberne Spangen, und um die Gelenke der feinen Händchen, deren Fingernägel mit Hennah gefärbt waren, wanden sich starke Ringe von Elfenbein, deren weißer Glanz sehr hübsch gegen die warmen Töne der braunen Haut abstach, welche der schönsten florentinischen Bronze nichts nachgab.

      »Marhaba ia Sihdi, du sollst willkommen sein, o Herr,« klang ihr Gruß, und zugleich reichte sie zur Bekräftigung desselben meinem Kamele ein Handvoll Waëdydatteln dar.

      Hinter ihr kam ein alter Mann zum Vorschein, der uns mit neugierigen und verwunderten Blicken musterte. Sein sonnegebräuntes Gesicht war voller Falten und seine ausgedorrte Gestalt tief gebeugt. Er mochte wohl an die neunzig Jahre zählen.

      »Sallam aaleikum,« grüßte ich ihn, die Hand zur Brust erhebend. »Hast du ein wenig Raum für uns, wo wir das Haupt zu einer kurzen Ruhe niederlegen können?«

      »Marhaba ia Sihdi, willkommen, o Herr! Unser armes Zelt hat der Gäste bereits drei, doch ist noch Platz für dich. Steige ab, und erlaube mir, dir einen Hammel zu schlachten!«

      »Dein Herz ist voller Wohlthat, und dein Zelt steht offen dem Wanderer; du bist ein guter Sohn des Propheten und ein Liebling Allahs, der dir viele Jahre des Lebens geschenkt hat; doch sollen deine Gäste die Güte deiner Seele ganz besitzen. Erlaube mir, zu einem andern Zelt zu gehen!«

      »Willst du mich beschimpfen, Sihdi? Was habe ich dir gethan, daß du mein Zelt verschmähest? Steig herab vom Tiere, welches bereits ein Gast der Tochter meines Sohnes ist, und lege dich bei mir zur Ruhe!«

      Er ergriff das Halfter des Kameles und gebot ihm durch das gebräuchliche, kehllautende »khe, khe,« niederzuknieen.

      Ich stieg ab und wurde in das Zelt geführt, wohin auch Josef und Hassan bald nachfolgten. Längs der Wand desselben zog sich das Serir herum, ein sich nur wenig vom Boden erhebendes gitterartiges Gerüste aus leichtem Holze, welches mit Matten und Hammelfellen bedeckt war. Das bildete den Diwan und das Bett für die ganze Familie nebst den etwaigen Gästen. Im Hintergrunde des Zeltes waren Sättel und Schilde aufbewahrt; an den Pfählen hingen Waffen, Schläuche, lederne Eimer und allerlei wirtschaftliches Geräte, und die Wände selbst waren mit künstlich geflochtenen Bechern, Giraffenhäuten, Bouquets von Straußenfedern und vorzüglich mit Schellen und Klingeln geschmückt. Diese letzteren sind in arabischen Zelten sehr gebräuchlich und machen in stürmischen Nächten eine dem ermüdeten Wanderer sehr unwillkommene Musik. Der Wind bewegt das ganze Zelt, das Metall der Schellen erklingt und bildet die Begleitung zum Krachen des Donners, zu dem Stöhnen der Kamele, dem Blöken der Schafe, dem Gebell der Hunde und dem Heulen der wilden Tiere.

      Ich nahm auf den Matten Platz. Der Alte hatte die Pantherfelle gesehen; das Gesetz der Gastfreundschaft verbot ihm, nach meinem Namen und Herkommen zu fragen, aber wissen durfte er, wie ich in den Besitz dieser kostbaren Beute gekommen war. Mit der dem uncivilisierten Menschen eigenen Schlauheit wußte er das Gespräch auf diesen Gegenstand zu bringen.

      »Ruhe dich aus, Sihdi, bis Fleisch und Kuskussu bereitet sind.«

      Kuskussu ist ein aus grob gemahlenem Weizenmehl bereitetes Lieblingsgericht der Araber.

      »Ich danke dir, Vater,« entgegnete ich. »Ich esse Fleisch und Kuskussu nur des Abends, wenn ich die Reise des Tages beendet habe. Gieb mir und meinen Dienern Wasser und ein wenig Bsissa (Brot, von Mehl und getrockneten Datteln gebacken)

      Das Mädchen brachte mir das Bsissa.

      »Das Wasser des Birket ist schlecht, Sihdi. Willst du nicht einen Becher Kamelsmilch oder Lagmi (Dattelsaft) trinken?« fragte sie.

      »Eddini Lagmi, gieb mir Lagmi, Ambr el Banat, du Zierde der Mädchen!«

      Sie brachte mir einen Lederbecher voll des erquickenden Getränkes. Der Alte wartete, bis ich getrunken hatte, und fragte dann:

      »Du wirst bleiben viele Tage in der Hütte deines Freundes?«

      »Ich werde sie verlassen, sobald ich ausgeruht habe.«

      »So willst du reiten des Nachts, wenn die Stimmen der wilden Tiere erschallen und der Panther Mensch und Djemmel zerreißt? Bleib bei uns, Sihdi, denn dein Tod würde auf meine Seele fallen!«

      Ich mußte dem guten Alten sein Verhör erleichtern.

      »Der