Querverkehrt. Peter J. Gnad. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter J. Gnad
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844214369
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spielte er weiter, konnte seine Augen nicht von ihr wenden. Sie wusste genau um ihre Wirkung, als sie nach knapper Frage nach dem gewissen Örtchen, in ihren Pumps an ihm vorbeistöckelte. Franz wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn, gab einen fauchenden Laut von sich, ohne Saxophon. Das war schon ein Exemplar, da könnte er schon auch schwach werden, wie er sich eingestand. Sehr interessant, auf allen Ebenen.

      "Könnten Sie nicht nachsehen, ob der Mann noch da ist, ich meine, wahrscheinlich wartet er vorm Haus. Er hatte mich ja hineingehen sehen. Ich bitte Sie ungern, aber das ist eine außerordentliche Situation!"

      "Kennen Sie denn den Mann, ich meine, was will er denn von Ihnen, warum verfolgt er Sie überhaupt, haben Sie denn mit ihm gesprochen?"

      "Nein, ich weiß nichts. Nur dass er mir schon den ganzen Tag hinterher ist. Einmal hat er sogar versucht, mich im Auto von der Straße abzudrängen. Pures Glück, dass ich nicht im Straßengraben gelandet bin. Bitte tun Sie mir doch den Gefallen, gehen Sie nachsehen. Er hat einen großen dunkelblauen BMW. Ich muss raus hier... und das bald!"

      Nach kurzem Zögern willigte er ein, ging zum Bäcker nebenan, kaufte einige Semmeln und sah sich unauffällig um. Zuerst dachte er schon, dass der Kerl wohl verschwunden sei, aber dann sah er den dunkelblauen BMW, ganz harmlos eingeparkt zwischen anderen Autos. Im Wageninneren konnte er die Silhouette des Mannes von vorhin erkennen. Franz ging zur Sicherheit noch in die Apotheke gegenüber, von dort aus hatte er bessere Sicht auf und in den Wagen. Aber da war kein Zweifel möglich, es war der Verfolger, also hatte sie recht. Er hatte schon zu zweifeln begonnen, ob dies alles nicht doch nur die Ausgeburt einer blühenden weiblichen Phantasie war, aber nun war das keine Frage mehr.

      Wieder in seiner Wohnung, bot er ihr an, sie durch eine Verbindungstür ins Nebenhaus zu lotsen, von wo aus sie dann durch eine weitere Hintertür in eine andere Straße verschwinden konnte.

      "Meine Freunde nennen mich übrigens 'Frankie'... falls Sie in diese Kategorie aufgenommen werden wollen. Wie heißen Sie eigentlich, ich meine - wo erreiche ich Sie, wenn der Kerl vielleicht doch…"

      "Ich heiße Sabrina Hansford, mein Vater war Amerikaner. Aber meine Freunde sagen 'Jeannie' zu mir... so wie die Hexe in der Fernsehserie... Aber es ist momentan besser, wenn Sie nicht wissen, wo Sie mich erreichen. Zu Ihrem eigenen Schutz. Ich melde mich bei Ihnen, sagen wir übermorgen, wenn es Ihnen recht ist?"

      Sie küsste ihn im Hausflur fest und lange auf den Mund, presste ihren Körper, wie ein Versprechen, fest an den seinen und schlüpfte vorsichtig aus dem Haus, in das nun schon dämmrige Licht des schwindenden Tages.

      Frankie atmete scharf aus, schüttelte seine rechte Hand, als ob er sie verbrannt hätte, sah kurz auf die Straße hinaus, aber die Frau war schon nicht mehr zu sehen. Das konnte ja noch heiter werden. Was wenn der Mann nochmals kam und nun auch irgendetwas Unangenehmes von ihm wollte. Er musste aufpassen, sich wappnen.

      Einige Stunden und eine halbe Flasche Chivas später hätte er den Vorfall schon fast vergessen, wenn... ja, wenn da nicht noch immer der BMW geparkt gewesen wäre. Er sah ihn erst auf dem Rückweg von dem Automaten, bei dem er sich eine Schachtel Zigaretten herausgerückt hatte. Nervös zündete er sich einen Glimmstängel an, rauchte gleich drei hintereinander, kam aber zu keiner vernünftigen Lösung, was er denn nun tun sollte.

      Zwei Stunden später, die Flasche Chivas ging langsam zur Neige, hatte er wieder alles fast vergessen, wäre da nicht ein gewisses Schaben und Knacken vor seiner Wohnungstür gewesen. Schnell löschte er das Licht in der Wohnung und sah durch den Türspion hinaus. Und da war er wieder, der Mann aus dem BMW. Frankie schwankte und fiel fast hin, als er die Tür aufriss und den Mann zur Rede stellen wollte.

      Aber mit einem Blitz in seinem Gehirn - er hatte gerade noch einen zischenden Laut gehört, so wie wenn jemand einen Schlagstock oder etwas Ähnliches geschwungen hätte - verzog sich sein Bewusstseinnun in irgendeine ferne, nebelschwangere, Dimension. Als er wieder erwachte, was äußerst schmerzhaft war, wurde er sich darüber im Klaren, dass man ihn offensichtlich niedergeschlagen haben musste. Seine Wohnung sah aus, als wäre da ein kleiner Hurricane auf Besuch gekommen.

      Wie auch immer, man hatte nichts gefunden, konnte gar nichts gefunden haben, die Frau war ja nicht mehr da, denn selbstverständlich nahm er an, dass diese Männer nach ihr gesucht hatten.

      Vier Seiten geschrieben an diesem Tag, Rudolf war mit sich und der Welt ausnahmsweise zufrieden. Aber das Gefühl dauerte nur kurze Zeit an. Draußen war es nun auch schon finster geworden und das hieß, dass er sich sputen musste.

      Die Karre wartete schon in diesem Hinterhof auf ihn, wartete, dass er wieder auf den Bock stieg, um sich neuerlich auf diesem Wege, eine Nacht um die Ohren zu schlagen. Wenigstens der Druck der Mietzahlung war nun gewichen, grinsend erinnerte er sich an die Vorfälle der vergangenen Nacht.

      Ja, morgen Nacht wollte er sie von ihrer Arbeit abholen, von der "Mademoiselle-Bar". Hoffentlich war nicht wieder der Kerl im dunkelblauen BMW da und verfolgte sie. Er wusste nicht, ob er ihn noch einmal so billig abschütteln konnte.

      Auf jeden Fall war da wenigstens eine Perspektive. Genüsslich rieb er sich zwischen seinen Beinen, stöhnte in wohliger Vorfreude. Er würde sein Bestes geben; und das mit dem größten Vergnügen. Da ließ sich gleich auch diese noch vor ihm liegende Nacht leichter ertragen. Wenngleich auch sein Rücken von der Schreibarbeit am Nachmittag, mehr als gewöhnlich schmerzte. Aber ein echter Indianer kannte keinen Schmerz und durchhalten war die Mutter jeglichen Erfolges. Da musste er einfach durch. Arschbacken zusammen und ab durch die Mitte, war einer der Standardsätze seines Vaters gewesen. Und ausnahmsweise hatte er damit recht gehabt, sein Vater. Nur keine Schwächen aufkommen lassen, den Letzten beißen die Hunde.

      Aber diese Nacht sollte noch eine grundlegende Änderung seiner Sicht der Dinge gebären.

      Dabei hatte alles so schön harmlos begonnen. Eine eher durchschnittliche Schicht. Anfangs recht zügig im Geschäft, schon um Mitternacht hatte er die sich selbst gesetzte Mindestumsatzgrenze erreicht, mehr konnte man von einem gewöhnlichen Montag nicht erwarten.

      Einige kleine Episoden würzten die zwischenzeitliche Langeweile. Nämlich, als eine etwas überkandidelte Frau einstieg, eine Diplomatin, wie sie gleich zu erkennen geben wollte. Amerikanische Botschaft, leitende Position - wahrscheinlich war sie Sekretärin, oder Telefonistin. Sie gebärdete sich, als ob nicht nur Rudolf, sein Taxi, sondern auch das Land, alle Politik und die ganze Welt von ihrem Gutdünken abhinge.

      "Fahren sie gefälligst schneller, ich habe keine Zeit, das ist eine offizielle diplomatische Mission, also keine dummen Spielchen, okay ?"

      Das konnte ja heiter werden, wenn das "Verhältnis" zum Fahrgast gleich mal so begann, das konnte nur in einem Fiasko enden.

      "Was meinen Sie mit dummen Spielchen ?"

      Rudolf überlegte, ob er die Person ernst nehmen sollte, oder besser nur seinen Sarkasmus auspackte. Zynismus, Sarkasmus, Ironie, die besten Waffen gegen übergriffige Fahrgäste, die glaubten, einen Leibeigenen vor sich zu haben.

      "Ich meine, fahren Sie keine Umwege, ich bin keine Melkkuh !"

      "Naja, sicher, der erste Teil, das mit dem Melken ist schon etwas übertrieben. Ich mag außerdem gar keine Milch, nicht einmal im Kaffee !"

      "Was wollen sie mir damit sagen… Passen Sie auf was sie sagen, sonst…"

      "Sonst was… schicken sie mir die CIA ? Oder irgendwelche anderen Verbrecher, die sie so im amerikanischen Militär, im Geheimdienst haben. Wir alle kennen die Geschichten aus Irak und Afghanistan. Wollen sie mir mit Guantanamo drohen ?"

      Die Frau zog ihre Oberlippe hoch, wenn sie sprach. Es sah aus, als wolle sie gleichzeitig die Zähne fletschen. Dass sie auch noch affektiert mit ihren Augendeckeln klimperte, machte das Bild vollständig. Eine zu Fleisch gewordene Gurke, obwohl das eigentlich eine Beleidigung für Gurken darstellte.

      "Wenn sie frech werden wollen, sind sie morgen ihren Job los, also halten sie ihren Mund und tun sie, was ich ihnen befehle."