Gottes Pläne. null michelle_werner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: null michelle_werner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649601
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dass viele Menschen dadurch auch zu Tode gekommen waren.

      Als er das Schlimmste überwunden hatte, genas er mit großen Schritten und fuhr danach noch zur Kur, die seine vollständige Wiederherstellung besorgen sollte. Im Sommer war Theo wieder da und das mit all seiner Manneskraft.

      Schon im Jänner hatte der Herr Pfarrer zu verkünden, dass „wir wieder Gottes Segen empfangen haben!“ Adeles einzige Sorge war, ob es diesmal ein Sohn werden würde. Um es kurz zu machen, es wurde nicht, Margarethe bekam wieder eine Schwester. Vielleicht sind ja die Jungs da oben ausgegangen oder es gab einen Überschuss an Mädchen, der abgebaut werden musste.

      Kaum entbunden musste sich der Storch erneut für einen Einsatz vorbereiten und so kam auch das elfte und zwölfte Baby zur Welt. Noch immer war die einzige Farbe in den Kinderzimmern rosa. Adele war das gar nicht recht.

      Lass doch einmal die Stiefel an

      Irgendwann forderte Adele ihren Theodor dazu auf, im Bett doch einfach die Stiefel anzulassen, wenn sie es täten, denn sie hatte gehört, dass nur so Söhne gezeugt werden könnten. Adele fand das zwar ein bisschen dumm, aber sie wollte nichts unversucht lassen und sie hatte ja auch schon eine Menge anderer Dinge versucht, die nicht gefruchtet hatten, also kam es darauf auch nicht mehr an.

      Es klappte und das dreizehnte Kind war ein kleiner Karli, der erste Stammhalter in der Division und nun wäre wohl alles gut, dachte Adele.

      Theodor hingegen dachte ganz etwas anderes. Er wusste nun, wie man einen Sohn zeugt und daher zog er seine Stiefel nun im Bett überhaupt nicht mehr aus, was Adele nicht ganz so gefiel, denn es waren Reiterstiefel, die hinten spitze Sporen haben.

      Sonntags, wenn die Familie zur Kirche ging, mussten die Mädchen in zweier Reihen der Größe nach antreten und dann sahen sie wie die Orgelpfeifen aus, die ganz artig zur Kirche stapften. Auch die zweite Kirchenbank war inzwischen überfüllt und so überlegte der Pfarrer, ob er die Familie vielleicht auf den linken und rechten Block aufteilen sollte, aber er entschied sich dann doch, die dritte Reihe für die Familie zu reservieren.

      Das Schloss, in dem die Familie aufwuchs war sehr weitläufig, so dass alle genug Platz hatten, aber wenn sie alle zu Tisch kamen, so sah es doch ein bisschen wie in einem Mädchenpensionat aus. Theodor blickte ganz stolz auf ‚sein Werk‘ und er hatte keinen Moment Zweifel, ob sein Weg der richtige wäre. Seine Geschäfte liefen prächtig, die Felder brachten tolle Erträge und er ging sogar dazu über, Teile seines Besitzes an Pächter zu vergeben, weil er sie dadurch auch besser in die Verantwortung einbeziehen konnte und sich dies wieder positiv auf die Erträge auswirkte. Schließlich musste er ja eine große Familie ernähren. Seine Adele kümmerte sich um das Gesinde fürs Haus und er kümmerte sich um die Geschäfte. Darüber brauchte man nicht miteinander zu sprechen, dachte Theodor und emanzipatorische Bewegungen gab es damals noch nicht.

      In der Schule wurden die Kinder mit Samthandschuhen angefasst, denn alle wussten dass dieser Familienvater alleine eine Menge Arbeitsplätze sicherte. Zudem machte Theodor zuweilen größere Spenden und so war es ganz selbstverständlich, wenn die Lehrer auch kostenlos diesen Kindern Nachhilfe gaben, wenn es wirklich nötig war.

      Die Kinder entwickelten sich ganz unterschiedlich, sie hatten nur einen gemeinsamen Nenner, jenen den kleinen Karli zu quälen. Er war als Hahn im Korb mehr den Streichen ausgesetzt, als alle anderen Kinder. Daher zog sich Karli auch immer mehr zurück und entwickelte sich, trotz der großen Kinderschar, oder auch genau wegen ihr, als Einzelgänger. Stundenlang war er im Wald verschwunden und erschuf sich dort seine eigene Phantasiewelt von Drachen, Rittern, Helden und anderen Figuren.

      Die Pfeife

      Eines Tages hatte er ein Taschenmesser geschenkt bekommen und er fand sehr schnell heraus, dass man damit toll schnitzen konnte, eigentlich was man wollte. Natürlich verletzte er sich dann und wann, aber da ein Junge keinen Schmerz kannte, erfuhr niemand etwas davon. Sein Großvater war für Karli eine starke Bezugsperson. Von ihm hatte er heimlich das rote Taschenmesser zugesteckt bekommen. Dort war er das einzige Kind, war etwas Besonderes, wurde respektiert und war auch Großvaters Held. Der sagte immer, dass es eine heldenhafte Tat ist, unter so vielen Schwestern aufzuwachsen und dem konnte Karli nur voll und ganz beipflichten. „Wenn ich groß bin“, sagte Karli zu Großvater, „dann werde ich genauso wie du!“ Daraufhin zündete sich der Großvater seine Pfeife an und genoss das Leben. Auf Karli machte es einen großen Eindruck, wenn die weißen Rauchwölkchen wie bei einer Lokomotive aufstiegen.

      Karli musste unbedingt eine solche Pfeife haben und so ging er wieder in den Wald, wo er auf die Idee kam, sich eine eigene Pfeife zu schnitzen. Dieses Vorhaben war allerdings verdammt schwer. Er glitt immer wieder mit seinem Messer aus oder rutschte ab. Bisher hatte er an einem Holzstück immer nur außen geschnitzt, aber bei der Pfeife musste ein Hohlraum entstehen, genau mitten im Holz und das war mit einem kleinen Taschenmesser verdammt schwierig. Er verletzte sich mehrfach, musste immer wieder ein paar Tage pausieren, weil es so stark blutete und dadurch geriet er mit seinem Plan ziemlich in Verzug.

      Eines Tages, als es in der Schule wieder recht langweilig war, kam ihm die zündende Idee. Gleich nach der Schule eilte er in den Wald und suchte nach einem großen Pilz oder einer ähnlichen Pflanze. Die meisten waren zu klein, er brauchte eine stattliche Erscheinung für seine Pfeife. Die allerschönste Pflanze grub er behutsam mit seinen Händen aus und legte diese an einen ganz besonderen Platz, damit die Sonne sie in den nächsten Tagen trocknen könnte.

      Karli ging dann nach Hause und freute sich über sein neues Geheimnis. Er wollte aber niemand davon erzählen, denn Erwachsene konnten echte Spaßbremsen sein. Wenn überhaupt, dann würde er die Pfeife nur heimlich dem Großvater zeigen.

      Dass seine Mutter inzwischen das vierzehnte Kind geboren hatte, interessierte ihn überhaupt nicht. Es war übrigens wieder ein Mädchen. Karli war es schon aufgefallen, dass der Pfarrer am Sonntag immer zuerst seine Mutter ansah und offenbar taxierte.

      Damals gab es weder das Internet noch viele schlaue Bücher in denen sich Karli schlau hätte machen können, was das für eine Pflanze war, die er hier auserkoren hatte. Er kannte nur Champignons, Pfifferlinge, die mit den weißen Tupfen auf dem roten Schirm, aber diese Pflanze hatte er noch nie gesehen und so setzte er sein Vorhaben weiterhin um. Mit diesem Material ging auch das Schnitzen gut voran, obwohl man jetzt noch viel vorsichtiger sein musste, denn die Pflanze war viel weicher als das Holz. Da konnte man schnell ein Stück zu viel abschneiden.

      Also machte er ganz langsam und nach einer Woche war das Meisterwerk fertig. Am Sonntag, zur Ehre des Schöpfers wollte Karli seinen ersten Versuch starten. Er hatte zwar keinen Tabak wie Großvater, aber er hatte Blätter und Wurzelwerk gesammelt und getrocknet und dies würde ihm als Tabak dienen.

      Karli zündete schließlich seine erste Pfeife an und es schmeckte fürchterlich, es rauchte in alle Richtungen und die Pfeife wurde ziemlich heiß in seiner Hand. „Da muss man sich erst daran gewöhnen“ sagte er zu sich selbst und „erwachsen wird man auch nicht in einem Tag“.

      Von nun an, wenn er Kummer mit seinen Schwestern oder mit der Schule hatte, ging er einfach in den Wald und zündete sich sein Pfeifchen an, bei dem er mit Gott über die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt sprechen konnte.

      Was er in diesem Moment noch nicht wusste war, dass er sich die Pfeife aus einem gefleckten Schierling geschnitzt hatte. Diese Pflanze wurde bis zu zwei Meter hoch und war einer der giftigsten heimischen Pflanzenarten. Karli bezahlte dafür mit einem Magengeschwür, welches ihn sein ganzes Leben lang quälte. Er wurde etwa 60 Jahre alt, also eine sehr lange Zeit für ein so kleines Pfeifchen. Es wäre wohl alles nicht so schlimm gekommen, wenn er jemanden von seinem Geheimnis erzählt hätte, aber das tat er nicht.

      Theodor hoffte noch immer auf weitere Söhne, aber die Babys fünfzehn, sechzehn und siebzehn waren ebenfalls Töchter.

      Manchmal predigte der Pfarrer über die Maßlosigkeit, doch Theodor bezog dies nicht auf sich. Überhaupt konnte er dem Kirchenbesuch nicht mehr so viel abgewinnen und daher blieb er auch manchmal der Messe fern. Adele war dies natürlich peinlich und sie versuchte immer