Der Schlüssel zum Glück. Chris Cartwright. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Cartwright
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738014211
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rege und herzliche Austausch mit Sam war für Andy eigentlich immer der Höhepunkt der Woche, denn sie alberten nicht sinnlos herum oder sprachen über Banalitäten, sondern der Mittwoch eignete sich hervorragend zum Reflektieren der letzten Woche und dazu, sich gegenseitig mit Rat und Tat zu unterstützen. Es war also niemals bloß ein freundschaftliches Treffen, sondern eigentlich hatte auch fast jeder Mittwochabend ein Fazit, dass Andy und Sam weiter brachte.

      So kam es bald, dass es nicht lange dauerte, bis Andy sich schließlich selbst dabei ertappte, wie er diese Worte nur ein paar Tage später zu jemandem sagte. Es war Tommy, ein Freund aus der Schule und Pfadfinderbruder der es mal wieder versäumt hatte, seinen Aufgaben und Pflichten bei den Pfadfindern nachzukommen. Andy war empört über Tommys Unzuverlässigkeit, denn er wusste, dass Rechte und Pflichten immer nur miteinander einher gehen, und so wurde Andy laut und auch etwas ausfallend seinem Freund gegenüber. „Du Sklaventreiber“, erwiderte der vergessliche und etwas tollpatschige Tommy scherzhaft und ein wenig verständnislos. Doch Andy war das nun zu viel und er brach los: „Das sind ganz einfach die grundlegenden Regeln des Miteinanders hier bei uns! Richte auch Du dich danach!“

      Ein Moment der Stille trat ein. Tommy sah ein, dass er Mist gebaut hatte und sagte dann einsichtig: „Ja,.. Ja. Es kommt nicht wieder vor.“ Das genügte Andy vorerst.

      Am Abend dann zuhause war Andy immer noch gefesselt von der Auswirkungskraft der paar weise gewählten Worte. Und so schrieb er diesen kleinen Satz auf, in einem kleinen schwarz-roten Notizbuch, damit er ihn nie wieder vergessen konnte.

      Am folgenden Tag war Andy an der Reihe mit dem Familienhund Lexi Gassi zu gehen. Ihm war unwohl bei dem Gedanken daran, dass seine Mutter Kate den Hund oft ohne Leine frei laufen ließ. Er hatte immer gerne die direkte Kontrolle über alles. Und so ging er mit Lexi die gewohnte Strecke, durch die blühenden Felder in Richtung des kleinen Waldes.

      Bald bogen sie in ein Waldstück ein, in dem es recht düster und moderig war, und es kam trotz der strahlenden Sonne am Himmel kaum ein Lichtstrahl durch die Baumkronen hindurch. Andy war immer schon ein bisschen paranoid gewesen und so erschrak er bei manchem Geräusch, das aus dem Wald kam. Mit seinem geübten Adlerauge war er es gewohnt, Geräusche schnell einem Ort oder der Quelle zuzuordnen, den er vor sich sah um so die Lage schnell erkennen und einschätzen zu können.

      Vorsicht ist besser als Nachsicht dachte er. Das hatte er bereits aus dem Vorfall in Schweden gelernt, und so setzten sie ihren Weg durch den Wald achtsam fort. Zwar war Andy bis dahin in heimischen Gebieten nie ernsthaft in Gefahr geraten, aber das konnte ja auch durchaus an seiner Vorsicht liegen.

      Doch plötzlich hörte Andy ein hysterisches Bellen hinter ihnen und drehte sich erschrocken um. Da sah er einen weißen Pitbull auf seinen Hund und sich zu rennen, schnell und zielstrebig wie ein Pfeil. Ein Besitzer war weit und breit nicht zu sehen. Instinktiv begann Andy in die andere Richtung zu laufen, fest entschlossen zu entkommen.

      Lexi folgte ihm rasch, doch Andy wurde schnell klar, es war aussichtslos. Kein Ausweg. Und der Pitbull holte auf. Er überlegte in voller Panik „auf einen Baum?- Nein, dort bekomme ich Lexi nicht rechtzeitig in Sicherheit.... Oder sollte ich eine Begegnung der beiden Hunde zulassen, vielleicht wäre ja nichts weiter passiert, aber NEIN! lieber schnell weg, sicher ist sicher“.

      Doch nun war es zu spät, der Pitbull war nur noch wenige Meter von ihnen entfernt und instinktiv war Lexi in Kampfhaltung gegangen, willens sich und Andy zu verteidigen. Doch das wollte Andy auch. Er wollte seinen geliebten Hund beschützen. Der Pitbull war etwas größer als Lexi und wegen seines enormen Mauls war der unvermeidbar bevorstehende Kampf von vorneherein entschieden. Dann stürzten die beiden Hunde kläffend aufeinander ein, zähnefletschend und knurrend, die Haare in Nacken und Rücken aufgerichtet und die Ohren angelegt, schnappten sie nacheinander. Andy wusste vor lauter Entsetzen nicht, was er tun konnte. Es war grausam anzusehen, wie der Pitbull Lexi zurichtete. Und da lief Andy instinktiv zu den Bäumen, fest entschlossen einen starken Ast zu finden und diesen dem Pitbull über den Schädel zu ziehen, um den Kampf zu beenden. Mit ungeahnter Kraft brach er einen Ast in Augenhöhe von einem nahe stehenden Baum ab, und seine Entschlossenheit, in den Kampf der beiden Hunde einzugreifen, wich einem unermesslichen Hass. Es fühlte sich für ihn so an, wie ein Flashback nach Schweden.

      Doch bevor Andy die beiden kämpfenden Hunde wieder erreicht hatte, erklang plötzlich ein schriller Pfiff aus der Ferne. Das musste der Pitbull Besitzer sein. Denn als wäre es selbstverständlich, ließ der Pitbull von der verwundeten Lexi ab und rannte in die Richtung, aus der er gekommen war.

      Andy hatte Todesangst um Lexi gehabt, als er den Kampf nur beobachten konnte.

      Lexi war schwer verwundet, blutend lag sie auf dem Waldboden und winselte. Eine große Wunde klaffte an ihrem Hals und an ihrer rechten Schulter, sie war gänzlich unfähig sich zu bewegen. Sofort zog Andy seine Sweatshirtjacke aus und wickelte sie um seinen verletzten und vor Schmerz jaulenden Hund. Dann nahm er Lexi in seine Arme und rannte nach Hause so schnell er nur konnte. Während er lief, hatte er nur zwei Gedanken: Wird Lexi durchkommen? Und wie hätte er das nur verhindern können?

      Der Heimweg schien endlos lang zu sein. Er wollte einfach kein Ende nehmen und Andy hatte das missmutige Gefühl, dass sich Lexis Zustand rapide verschlechterte, und so rannte er, als ob die Höllenhunde hinter ihm her gewesen wären. Endlich Zuhause angelangt, fuhren Frank und Kate mit Lexi sofort zum Tierarzt. Das waren die schlimmsten Stunden für Andy. Er machte sich selbst Vorwürfe: „Wie hätte ich das nur verhindern können?!

      Warum war der Pitbull Besitzer nur so fahrlässig? Warum war niemand zufällig in der Gegend gewesen, der ihnen hätte beistehen können und warum war der Besitzer überhaupt nur so weit weg gewesen? Das konnte doch alles kein Zufall gewesen sein...“

      Er war immer noch sehr aufgebracht und nun, da er einen Moment lang zur Ruhe kam, übermannten ihn Schuldgefühle und Wut. Zudem musste Andy feststellen, dass er zitterte wie Espenlaub. Das war wohl der Schock, der ihm noch immer in den Knochen steckte. Also versuchte Andy, sich selbst zu beruhigen, indem er sich selbst laut in Gedanken sagte: „Du hast getan, was du konntest, und Lexi wird es schaffen sich von den Verletzungen zu erholen.“ Doch so oft er es auch wiederholte, er konnte es nicht wirklich glauben. Der Vorfall ließ ihn einfach nicht los. Er konnte, so sehr er sich auch bemühte, keinen anderen Gedanken fassen, und sobald er die Augen schloss, sah er wieder den Pitbull, wie er beißend und knurrend über Lexi stand. Und so beschloss er, den Pitbull und seinen Besitzer zur Rechenschaft zu ziehen für das, was sie Lexi und ihm angetan hatten.

      Körperlich war Andy zwar unversehrt, aber im Geiste war er wirklich sehr mitgenommen. Es hätte ihm gar nicht schlechter gehen können, selbst wenn der Pitbull ihn angegriffen hätte, dachte er.

      Denn körperliche Wunden heilen schneller als seelische.

      Als Andy seine Gedanken langsam wieder sammeln konnte und das Zittern aufgehört hatte, stand eine Sache von nun an für ihn fest: „Ich gehe nie mehr ohne Messer aus dem Haus“. - Regel Nummer 1.

      Denn hätte er sein Pfadfindermesser bei sich gehabt, hätte er zwischen die kämpfenden Hunde gehen und den Kampf beenden können, so dachte er. Es war zwar ein schon älteres, eher kleines Messer, dass Andy einmal von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Ein Werkzeug und kein Bärentöter mit Blutrinne.

      Auf Pfadfinderfahrten hatte er damit schon vieles getan. Essen zubereitet, Holz gemacht, Dosen geöffnet und nahezu alles andere.

      Zwar achtet und schützt der Pfadfinder alles Leben, aber in einer Situation der Notwehr, war er nicht zum ersten mal bereit zu Handeln.

      Das wäre zwar auch eine äußerst schwierige und moralisch fragwürdige Situation gewesen, aber er hätte nicht nur untätig daneben stehen müssen, vollkommen ohne Kontrolle und ohne Einfluss auf den Ausgang des Kampfes, sondern er hätte die Wahl gehabt, um eine, wenn auch sehr schwierige Entscheidung treffen zu können. Die in ihm aufflammende Erinnerung an das traumatische Erlebnis in Schweden bestärkte seinen gefassten Entschluss nur noch mehr.

      Nach wenigen Stunden rief Frank zu Hause an und meldete, dass Lexi über den Berg sei. Die Verletzungen waren Gott sei Dank nur oberflächlich