Seelentaucher. Heiko Buhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heiko Buhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748522423
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so eine Scheiße mit mir abzuziehen. Ich könnte dich umbringen.

      Bobby Ich werde alles tun, was du sagst, Lorraine. Wirklich alles. Und wenn ich blind durch die Welt laufen soll, damit ich keine andere mehr ansehen kann, dann mach ich das.

      Lorraine Ich hör mir Deine Versprechen nicht länger an.

       Unentschlossenes Schweigen.

      Bobby Übermorgen, da ist dein Geburtstag. Wäre doch eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang, oder? Ich hab auch schon ein Geschenk für dich besorgt. Du wirst überrascht sein.

      Lorraine Hat sie dich also vor die Tür gesetzt.

      Bobby Ich hab sie verlassen, weil ich es ohne dich nicht ausgehalten habe.

      Lorraine Du lügst.

      Bobby Du hast mir gefehlt.

      Lorraine Na klar – und dein Vater ist der Präsident.

      Bobby Es ist die Wahrheit. Lorraine, bitte, du musst mir glauben. Das passiert nie wieder.

      Lorraine Du hättest das nicht tun dürfen, Bobby.

      Bobby Lass uns reden. Bitte.

      Lorraine Du verdammter Idiot.

       Perspektivloses Schweigen.

      Bobby Lorraine? Lorraine?

      Lorraine Wo bist du?

      Bobby Gleich bei dir um die Ecke.

       2

       Ein Vorort von Jackson, Wohnung April Miller. Die Nacht von Freitag auf Samstag, 13. Mai 2005, abends 22.15 Uhr. April sitzt auf einem Sofa in ihrer Wohnung und blickt nachdenklich vor sich hin. Sie sieht müde und erschöpft, aber zugleich zufrieden und glücklich aus. Aus einem Radio erklingt Musik. April steht auf und rückt summend und mitsingend an den Möbeln herum und dekoriert noch etwas um, da klingelt plötzlich ihr Handy. Sie muss es zunächst lokalisieren, dann, nachdem sie es gefunden hat, schaut sie kurz auf das Display und nimmt erfreut das Gespräch an. Es ist die Stimme von Jocelyn Miller aus dem Off zu hören. Indessen dreht April das Radio noch leiser.

      Jocelyn Hey, April, ich bin’s.

      April Wer hätte es auch sonst sein sollen, Tantchen?

      Jocelyn Ist alles in Ordnung bei dir, mein Schatz?

      April Schläft Debbie schon?

      Jocelyn Ich hoffe, ich störe dich nicht bei etwas Wichtigem?

      April Vielleicht könnte ich sie noch mal kurz sprechen?

      Jocelyn Schau mal auf die Uhr, Kleines.

      April Oh, schon so spät.

      Jocelyn Was machst du denn gerade?

      April Ich stelle nur noch mal ein bisschen um und packe die letzten Kartons aus. Hab gar nicht gewusst, wie viel Zeug wir hatten. Wenn du das alles sehen könntest. Die Möbel sind übrigens schon aufgebaut. Wirklich nett, die Leute von der Spedition. Ein guter Tipp von dir. Danke.

      Jocelyn Du weißt doch, ich helfe dir immer gern, wo ich nur kann.

       Ermutigendes Schweigen.

      Jocelyn Brauchst du vielleicht noch etwas?

      April Es fehlen eigentlich nur noch die Vorhänge an den Fenstern, dann ist alles so gut wie perfekt. Ich denke, da wirst du mir wirklich doch noch mal zur Hand gehen müssen, wenn du mich besuchen kommst. Bis dahin werde ich mir irgendwie anders helfen müssen. Es sei denn, ich finde hier einen netten Nachbarn, der einer jungen Mutter gern einen Gefallen tun möchte.

      Jocelyn Geht es dir wirklich gut, mein Liebling?

      April Auch für das Aufhängen der Bilder werde ich dich brauchen. Das geht besser, wenn jemand schaut, ob es auch passt und gut aussieht.

      Jocelyn April?

       Melancholisches Schweigen.

      April Du musst mir versprechen, mich mit Debbie auch unter der Woche möglichst oft zu besuchen. Sie nur am Wochenende zu sehen, das halte ich bestimmt nicht aus. Willst du das tun?

      Jocelyn Natürlich, mein Schatz.

      April Es ist ja nicht mehr so lange, bis sie in die Schule kommt. Dann habe ich hier bestimmt schon Fuß gefasst und sie kann ganz zu mir ziehen.

      Jocelyn Du hörst dich irgendwie traurig an. Und nach allem, was du durchgemacht hast, ist es auch nicht verwunderlich, dass du niedergeschlagen bist. Ich kann dich da nur allzu gut verstehen, wie du weißt.

      April Ich bin jetzt hier und seit heute Morgen mit dem Einzug in meine neue Wohnung beschäftigt, Tante Jocelyn. Hier beginnt für mich, Debbie und dich ein vollkommen neues Leben. Fang also bitte nicht schon wieder mit den alten Geschichten an. Ich will das endlich und endgültig hinter mir lassen und nur noch nach vorne schauen. Verstehst Du das denn nicht? Bitte, Tante, lass …

      Jocelyn Es ist nicht leicht für mich, dich noch immer so leiden zu sehen, April. Und schließlich müssen wir beide doch auch ganz besonders an Debbie denken. Sie ist noch so klein. Es fällt ihr sichtlich schwer, diese ganze Aufregung augenblicklich zu verstehen. Und doch platzt sie fast vor Freude. Aber wir müssen es trotzdem langsam angehen. Versprichst Du mir das? Sie muss sich erst an die Veränderungen gewöhnen. Sie braucht Zeit. In Ordnung?

      April Meinst du, ich weiß nicht, wie schwer es dir fällt, sie allmählich loslassen zu müssen?

      Jocelyn Warum sagst du das, April? Ich weiß sehr genau, dass sie zu dir gehört. Aber du bist noch nicht so weit …

      April Ich leide nicht mehr. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich bin darüber ein für alle Mal hinweg. Und jetzt ist davon nur noch eine sehr große Kraft in mir übrig geblieben, Tante Jocelyn. Wenn du mich sehen könntest …

      Jocelyn Ich denke, es wäre trotzdem gut, sie nicht gleich zu oft aus ihrem Leben hier bei mir zu reißen.

      April Lass es uns bitte so machen, wie wir es besprochen haben. Debbie wird schnell herausfinden, wohin sie gehört und wo sie sein will. Natürlich wird sie dir nie vergessen, was du für sie und für mich getan hast. Da brauchst du keine Angst zu haben. Ich werde sie schon daran erinnern, wenn es so weit ist, dass sie es verstehen kann. Du bist schließlich für uns beide ein sehr wichtiger Mensch. Ich verspreche dir, sie und ich, wir werden dich immer in unseren Herzen tragen. Unser ganzes Leben lang. Aber sobald sie zur Schule kommt, wird sie bei mir leben. Das musst du akzeptieren.

       Mehrdeutiges Schweigen.

      Jocelyn Und ich kann wirklich nicht noch etwas für dich tun?

      April Ich habe Dich sehr lieb, Tante.

      Jocelyn Ich bin schon sehr gespannt, zu sehen, wie es bei dir jetzt aussieht.

      April Morgen früh komme ich und hole Debbie übers Wochenende ab. Dann kann sie sich hier alles einmal anschauen.

      Jocelyn