Traumspuren. Nadja Solenka. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadja Solenka
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847670834
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war zudem Chefsekretärin und ich hatte ein abgebrochenes Lehramtsstudium. Sie war Karriere-bewusst und ich eine tüchtige, man bemerke das Wort tüchtig, dass den Unterton hat "na, ja, wenigstens das", also dafür war ich eine tüchtige Mutter. Wirklich, ich hatte die schönste, intelligenteste und süßeste Tochter der Welt. Außerdem war ich freischaffende Journalistin, wenn auch mit Sklavenlohn. Also was hatte Denis bei der rot-blonden, Körper-betonten Zara sonst noch so gefunden? Wahrscheinlich war es ihre modern gestiftete Art mit dem "Ich weiß, was du brauchst Augenaufschlag". Ja, das musste der ausschlaggebende Faktor gewesen sein.

      Im Hintergrund schepperte und klapperte es. Dann wurde es leise. Karla, meine Tochter übte wohl ihre im Schachclub gewonnenen Kenntnisse am Computer. Irgendwann ging ich zu ihr hin, nahm sie vom Rechner weg und brachte Karla schließlich zu ihrer Freundin Monique, die mit ihr zum Kindergarten ging; beide würden bald zusammen zur Schule gehen.

      Verständnisvoll und geduldig war Karla mit mir, so verständnisvoll wie eigene Kinder waren, die die tiefen und verzweifelten Gefühle ihrer Mütter erfühlen.

      Während der ganzen Fahrt zu ihrem Treffen machte Karla kein Laut, erst als sie auf ihre Freundin lief, kreischte sie vor Freude. Moniques Mutter schaute mich prüfend an, meine roten Augen mussten mich verraten haben. Zur Kontrolle blickte ich auf meine schmutzigen Schuhe und sagte, "Ich hole sie ab um sechs, wie immer." Drückte Karla einen Kuss auf die Wange und weg war ich. Sollte diese Mutter denken von mir, was die wollte.

      Später nach dem Abendbrot schlief ich neben Karla ungewollt ein. Sie hatte mich mit einem selbst getexteten Liedchen in den Schlaf gesungen." "Wenn der Mond am Himmel steht und alle Menschen schlafen gehen ... „ , das war das letzte bewusste, was ich hörte.

      Die Sterne standen klar und weit entfernt da, und nicht zum ersten Mal bekam ich das Gefühl, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde und dann fühlte ich mich beschützt. Trotz meiner Last auf den Schultern fühlte ich mich auf einmal unbeschwert, irgendwie aufgehoben und doch hatte ich später fast Angst wieder einzuschlafen, als würde dieser Moment umkippen in eine Ewigkeit der Schwärze. Karlinchen lag neben mir, Gott sei Dank war sie zugedeckt, sie hatte sich also selbst schlafen gelegt, in meinem großen Bett.

      Die Sonne tauchte alles in rose-farbenes Licht, ich ging am Meer spazieren. Dann sah ich Spuren im Sand, ging ihnen nach. Da schwebte plötzlich Denis vor mir Richtung Meer, seine schwarze Badehose klebte nass an seinem Körper, dann schmiss er sich in die Fluten. Später sah ich Denis untergehen im Meer, und hatte das Gefühl, ich sehe ihn vielleicht nie wieder.

      Von diesem bedrückenden Alptraum wurde ich mit einem Mal wach. Nasse Strähnen wischte ich mir aus dem Gesicht. Dann schlief ich lange Zeit nicht ein. Und ärgerte mich, irgendwie fehlte Denis mir doch. Aber fast schien es so, er würde mich im Traum auf seine Weise verfolgen.

      2. Kapitel

      Gerädert, und wie gevierteilt wachte ich am nächsten Morgen auf. Ich schaute aus dem Dachfenster direkt über meinem großen Bett. Wattewolken hatten sich am Himmel gebildet. Und die Sonne kam irgendwie nicht durch.

      Karla hatte sich so breit gemacht, dass mir kaum Platz blieb auf meinem Lager.

      Mit Schwung setzte sich Karla auf meinem Bauch. Und schaute mich vollkommen ausgeschlafen an. Ernsthaft fragte sie mich: "Hast du gut geschlafen, Mama?" Grumbelnd klappte ich ein Auge auf: "Hmm, ging so.“

      Müde und abgekämpft räkelte ich mich, dann stand ich auf.

      Ich zog mich an, mit Jeans-Hemd und Jeans-Hose, und ging mit Karla nach unten, wo sie sich die zurecht gelegten Sachen anzog. Nachdenklich saß Karla zehn Minuten später auf dem bunten Sofa, das ich aus meiner Beziehung mit Denis gerettet hatte, und dieses war wie durch ein Wunder noch ganz gut in Schuss. Karlas Füße auf dem Sofa waren bloß einen halben Meter über dem Boden verschränkt. Und schon rollten mir nur Tränen die Wangen hinab ... . Ich drehte mich weg, Karla sollte nicht sehen, dass ich weinte.

      Ohne großartig mir dessen bewusst zu sein, verrichtete ich mechanisch die alltäglichen Vorbereitungen für den Kindergarten, bereitete das Frühstück und setzte mich mit Karla hin.

      Währenddessen grübelte ich weiter. Selbstvergessen biss ich ein Muster in meinen Toast und schaute auf die Weidenkätzchen vor dem Fenster.

      Denis hatte gemeint, ich wäre zu naiv und weltfremd, wüsste nicht, was da draußen los wäre in der Welt. Er hätte keine Zeit, sich meinen Forderungen nach mehr Hilfe zu beugen. Er müsste sich den Gesetzen der freien Marktwirtschaft da draußen aussetzen, da wollte er wenigstens zu Hause seine Ruhe haben, und ein wenig verwöhnt werden. Ausgerechnet er musste so was sagen. Wo wir doch stundenlang zu Hause, in den Kneipen und bei Freunden darüber diskutiert hatten, dass die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, hier Industriearbeit, dort Haushalt und Familie die Entstehung des Patriarchats und somit die Unterdrückung der Frau hervorgerufen hatte. Er entgegnete auf meine Vorwürfe, ich würde mich selbst in diese Falle begeben. Was ich an sich ungerecht fand, hatte doch schließlich jemand diesen Wust von Wäsche, Geschirr, Fläschchen zubereiten, säubern, und, und, und, zu bewältigen. Und dieser jemand war ich. Ich konnte Karla schließlich nicht mit sieben Wochen in irgendein Hort abliefern, nur um der allgemeinen Meinung meiner Freundinnen zu folgen. Ich war einfach gegen deren Auffassung: Ich habe mein Leben weiter so zu leben, wie ich es als Emanze wollte, habe nicht fremdbestimmt, sondern frei und ungebunden zu sein. Ich wusste gar nicht, wie ich das schaffen sollte, wo ich doch ganz augenscheinlich von früh bis spät nur in Arbeit war. Manchmal war ich gerade froh, mir noch meine Haare waschen zu können, damit ich nicht aussah wie ein bleiches, fett-haariges Zombie. Und nachdem ich tagsüber zwischen Karlas Windeln, dem Trockener, dem Geschirr und der Waschmaschine hin- und her gerannt war, konnte ich des Nachts acht- bis zehn mal aufstehen und der pädagogisch wertvollen Arbeit nachgehen, meiner Tochter das Vertrauen geben, das so notwendig war, um sich stets aufs neue ins kalte Wasser zu wagen. Später dann, im Erwachsenenleben. Denis Sexualleben wurde durch diese pädagogische Taktik auf ein Minimum reduziert. Und ich war schon gar nicht mehr interessiert daran, sondern einfach nur noch müde.

      Doch ich wollte nicht weiter forschen nach den Ursachen für unsere Trennung, schließlich gab es eben noch mich und Karla und ich wollte etwas Neues anfangen mit mir und meinem Leben.

      Schnell brachte ich Karla zum Kindergarten. Dann fuhr ich mit meiner Ente zurück durch die hügelige Landschaft zu meiner Wohnung. Die Morgensonne vertrieb langsam den Frühnebel, und kalte Luft drang ein durch das Gebläse.

      Der Motor machte so seine Zicken, irgendwas war nicht in Ordnung. Erich, mein Nachbar, musste mal nach schauen; unbedingt.

      Die Sonne tönte den Horizont orange-rot, wäre ich frisch verliebt gewesen, hätte ich das sicherlich unglaublich romantisch gefunden. Jetzt wirkte es so wenig auf mich, wie ein Türposter mit Südseemotiv.

      Erich fegte mit seinem Besen den Schmutz vor dem Weg vor seinem Haus zusammen. Meinen Kummer überspielend hob ich ihm grüßend die Hand. Heute hatte er einen freien Tag und ich war Gott dankbar dafür. Nicht nur für die Reparaturen an meiner Ente war er bestens geeignet, sondern auch für mein Seelenheil. Gelassen grüßte er zurück und schob sich eine graue Locke aus der Stirn. Schwungvoll fuhr er fort, mit dem roten Besen den Weg zu fegen.

      Bisher hatte er meine diversen Berufsversuche, die Schwangerschaft und Geburt von Karla intensiv mitgemacht. An der Trennung von Denis hatte ich ihn bislang nicht teilnehmen lassen. Was seine Art, sich um alles Sorgen zu machen, was mich betraf, wohl bis ins Unermessliche steigern musste.

      Als ich am Zaun zu seinem Garten hin vorbeiging, sagte er: "Na, alles klar, Luise?" Ein Windstoß ließ die Tannen, die den Garten säumten, hin und her wiegen, ein paar Vögel flogen gemütlich auf und ich antwortete: "Ach gar nicht, meine Ente scheint nicht OK zu sein. Hast du vielleicht Zeit mal eben zu helfen? " In Ordnung, eine halbe Stunde habe ich noch Zeit, ich schau mal rein." Prüfend sah er mich an. "Sonst alles in Ordnung?" "Es geht so", ich schlug den bunten Seidenschal, der durch den Wind auseinander gerutscht war, wieder um meine Schultern. Und hob trotzig das Kinn. Erich würde mir bei dieser gescheiterten Beziehungskiste nicht helfen können. So war es bei den ganz schlimmen Lebenstragödien, die musste man