„He, David“, rief er zum nächsten Feuer hinüber, an dem der junge Mann mit anderen saß, „Komm mal rüber.“
„Ich habe überlegt, dass du am besten nach Cäsarea gehst, zum Statthalter, um Lösegeld von ihm zu fordern.“
David war jünger als Isaak, knapp dreißig Jahre, riesig von Gestalt mit einem scharf geschnittenen Gesicht. Die schwarzen Augen glühten Isaak jetzt an.
„Gern, Bruder, ich gehe gern nach Cäsarea, wieviel soll ich für unsern Römer denn fordern?“
„Du musst vor allem aufpassen, dass du mit keinem andern darüber sprichst als dem Statthalter. Sonst kommst du in Gefahr, dass dich irgendein Centurio aufhängt, bevor Rufus überhaupt von unserem Gefangenen erfährt. Also nur mit Rufus, verstehst du?“
„Höre, Isaak, du hast mich doch nicht ausgesucht, weil du mir das nicht zutraust. Ich werde auf keinen Fall von irgendjemand Lösegeld verlangen, als nur vom Statthalter, und wenn ich Wochen auf eine Audienz warten muss. Aber wieviel soll ich fordern?“
„Fordere achtzigtausend Sesterze, aber wenn er dir fünfzigtausend gibt, ist das auch in Ordnung. Er wird, wenn er überhaupt zahlt, mit dir verhandeln wollen. Kannst du, akzeptiere aber nicht weniger als fünfzigtausend.“
„Hat er so viel Geld in Cäsarea?“
„Ganz sicher. Alle Steuern, die die Juden zahlen, gehen dorthin, und er schickt Geld nur einmal im Jahr, im beginnenden Winter, nach Rom, er hat jetzt mehr als genug in seinen Truhen. Und höre, du kannst nicht Wochen in Cäsarea auf eine Audienz warten. Mach es dringend, aber wenn du in zwei Tagen nicht mit ihm gesprochen hast, komm zurück. Wir müssen dann neu nachdenken. So lange können wir diesen dicken Steuereinnehmer nicht ernähren, auch wenn wir ihn kurzhalten.“
David lachte.
„Ich glaube auch, dass er uns die Haare vom Kopf fressen wird, aber eine Woche können wir ihm ein wenig von unseren Vorräten abgeben, gerade so viel, dass er nicht verhungert.“
„Der junge Judas soll dich begleiten, schick ihn mit Nachrichten, wenn du länger bleiben musst. Und Judas wird uns auch benachrichtigen, wenn die Römer dich gefangen nehmen.“
Schnell wurde der junge Rebell ernst.
„Ich weiß, es ist gefährlich, in ihr Hauptquartier zu gehen. Aber mach dir keine Sorgen, Isaak, ich komme da wieder raus. Ich habe schon ganz andere Dinge erlebt.“
Isaak nickte. Er erinnerte sich an den Moment vor drei Jahren, als dieser jetzt so kräftige Mann plötzlich vor ihm stand. Eine Gruppe seiner Männer hatte ihn auf der Straße aufgelesen, vollkommen ausgezehrt, so schwach, dass er kaum allein laufen konnte.
„Was habt ihr den angeschleppt?“, hatte er die Leute erbost angefahren, „das fehlt uns noch, dass wir hier einen Schwächling durchfüttern, wir haben selbst gerade genug, um am Leben zu bleiben.“
„Aber Hauptmann“, hatte einer der Leute geantwortet, „das ist David, von dem du gehört hast. Sie haben ihn in Jerusalem verhaftet und nach Cäsarea gebracht. Sie meinten, er gehöre zu den Politischen und haben ihn eine Woche gefoltert. Und dann ist es ihm tatsächlich gelungen, aus ihrem Gefängnis auszubrechen und bis hierher zu flüchten. So einen können wir bestimmt gebrauchen, wenn er wieder zu Kräften kommt.“
Und so hatten sie ihn aufgenommen und kräftig durchgefüttert, bis aus ihm der starke und tapfere Mann wurde, der jetzt neben ihm saß. Manchmal hatte er Isaak von ihren Gefängnissen und den Foltern erzählt, die er erlitten hatte und hatte die Narben gezeigt, die sie ihm mit ihren Feuerqualen zugefügt hatten. Isaak war gewiss: David hasste die Römer ein für alle Mal, er würde sich mit keinem von ihnen verbrüdern.
„Aber warum willst du mir Judas mitgeben?“, fragte David gerade.
„Ich fühle mich sicherer, wenn du einen Begleiter hast, den du mit Botschaften zu mir schicken kannst. Bring ihn nicht in Gefahr, er soll auf keinen Fall mit in die Stadt gehen, er soll sich in den Dünen dort verstecken oder meinetwegen in den Olivenwäldern etwas weiter. Ihr werdet schon einen Platz finden.“
Wieder lächelte David.
„Aber Hauptmann, wenn Judas mit der Nachricht kommt, sie hätten mich hingerichtet, wirst du nicht mit deiner Truppe aufbrechen und die Stadt erobern, nein?“
Jetzt lächelte auch Isaak.
„Nein, so weit würde ich selbst für dich nicht gehen. Aber sicher kannst du sein, wenn sie dich umbringen, wirst du furchtbar gerächt werden. Jetzt leg dich hin, du hast morgen früh einen weiten Weg zu gehen, brich vor der Morgendämmerung auf. Sag Judas jetzt gleich Bescheid, damit er sich ebenfalls schlafen legt.“
4.
Wie er sich nach Rom sehnte! Annius Rufus war seit drei Jahren Statthalter in diesem gottverlassenen Land, gesandt von seinem Kaiser Augustus, der ihn getröstet hatte, als er ihm seine neue Aufgabe eröffnete.
„Geh, mein Rufus, geh in dieses Juda, zivilisiere die Menschen dort, bringe ihnen römische Lebensart bei. Sie sind Bauern, unwissend, sie wirtschaften ohne Gewinn. Finde heraus, mein Rufus, ob es an ihrer Religion liegt, dass sie sich nicht an unsere Lebensweise anschließen wollen. Seit wir in Syrien sind und von da aus die Juden unterworfen haben, machen sie uns Ärger, schon Julius Cäsar hat von ihren Räubereien berichtet, ihr Eroberer Pompeius soll ständig über diese Dickköpfe geflucht haben und auch ich muss mich dauernd mit diesem Volk von Terroristen beschäftigen.“
„Warum schicken wir nicht einfach zwei Legionen hin“, hatte Rufus vorsichtig eingewendet, „sie sind doch militärisch nicht sehr tüchtig? Es müsste ein leichtes sein, sie endgültig zu unterwerfen.“
„Nein, mein Freund, ich will Legionen erst dann einsetzen, wenn es keine andere Wahl gibt. Und so schicke ich dich, meinen geschicktesten Verwalter.“
Der Kaiser hatte ihn auf die ehrenvollste Art verabschiedet, hatte ihn in den Arm genommen und zweimal auf die Wangen geküsst, Rufus erbebte noch jetzt, wenn er an die neidischen Blicke der anderen Senatoren dachte.
Aber nun war er hier, in diesem verdammten Land, mit dieser elenden Hitze. Jeden Morgen, wenn sie sich erhob und ihn beim Frühmahl traf, fragte ihn Flavia, seine Frau:
„Mein Gatte, Annius, wann können wir heimfahren, nach Rom?“
Und der Statthalter traute sich nicht, ihr zu gestehen, dass sie ursprünglich für zwei Jahre hergeschickt wurden und jetzt im dritten Jahr waren; der Kaiser hatte ihn gebeten, noch länger zu bleiben, wie es aussah, auf unbestimmte Zeit.
„Ja, was ist denn, beim Jupiter?“, rief er, es hatte geklopft, obwohl seine Diener wussten, dass er im Arbeitszimmer nicht gestört werden durfte.
Läsius steckte vorsichtig den Kopf zur Tür hinein.
„Statthalter, da ist ein Jude, der will dich unbedingt sprechen, es sei zum Wohl des römischen Reiches, sagt er.“
„Schickt ihn zu Lucius, der soll das regeln.“ Lucius war seine rechte Hand.
„Das haben wir versucht“, antwortete Läsius, „er weigert sich, mit Lucius zu sprechen, er will nur mit dir reden, sagt er, wir würden es bereuen, wenn wir dir nicht von ihm berichten.“
„Komm rein Läsius, bleib nicht in der Tür stehen, jetzt hast du mich sowieso schon gestört.“
Rufus hatte diesen Sklaven aus Rom mitgebracht, Läsius war ein Gallier, der ihm seit fünfzehn Jahren treu diente, er war ihm ans Herz gewachsen.
„Erzähl, was ist das für ein Jude?“
„Du weißt ja, Herr, wie sie sind, starrköpfig und hartnäckig. Erst ist er an der Wache gewesen,