Bin in Afghanistan. Peter J. Gnad. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter J. Gnad
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844220858
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Krieg und du hättest sehen sollen, wie unsere Leute, Zivilbevölkerung, aussahen, nachdem die Russen mit Brandbomben, Flammenwerfern und Feuerstürmen über uns kamen. Wir haben die Toten nicht einmal mehr identifizieren können."

      Im Juli wurde der Beschluss gefasst, das Unternehmen "durchzuziehen". Die Weichen wurden gestellt, alles Notwendige veranlasst. Mirwais Frau war nachsichtig, sie konnte seinen Hunger nach der Heimat, seine Sehnsucht gut verstehen. Außerdem wusste sie, dass nichts und niemand ihren Mirwais von einem Plan abbringen konnte, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Sie zog, mit ihrem Sohn, der nun, neunzehn Jahre alt, die Schule mit gutem Notendurchschnitt absolviert, ein Stipendium bekommen hatte, ohnedies nach Hamburg gewollt hatte, eben dorthin. Da war sie auch nicht alleine, konnte endlich wieder mit ihren Verwandten zusammen sein.

      Als der August kam, wurden die Tickets gebucht, man wollte nach Duschanbe , Tadschikistan fliegen und von dort, auf dem Landweg nach Afghanistan einreisen.

      "Das ist sicherer, man weiß nie, wer da am Flughafen sitzt und wem derjenige dann möglicherweise Bericht erstattet, das kann zu Verwicklungen führen. Wir sollten möglichst unerkannt einreisen !"

      Ende des Monats war es dann soweit, der Vogel hob ab und landete ohne Zwischenfälle, einige Stunden später, problemlos in Duschanbe.

      Ein paar Tage später waren sie dann, ganz normal, mit einem Taxi, an die Grenze gefahren, hatten ihre Papiere ordentlich vorgezeigt, auch dass sie ein Visum besaßen, alles wie geplant. Mirwais hatte tief eingeatmet, als sie dann offiziell afghanischen Boden betraten.

      "Es kommt immer anders, als man denkt… ganz besonders in Afghanistan !"

      Michaels Freunde, in Deutschland, hatten alle nur mehr den Kopf geschüttelt, ihn einen hoffnungslosen Träumer genannt, als er das erste Mal seine Absichten erwähnte. Ronnie, sein bester alter Freund, war die einzige Ausnahme gewesen, hatte ihm sogar noch etwas Geld zugesteckt, und gesagt, dass wenn er mal in ernsthafte Schwierigkeiten geriete, "aber nur wenn wirklich schon der Hut brennt !", dann solle er dazu sehen, ihm irgendwie Nachricht zukommen zu lassen, er hätte da "einen Mann" im Außenministerium, einen alten Freund, aus Kindertagen, der dann eventuell noch helfen konnte, wenn alle anderen Möglichkeiten versagten.

      "Aaach… mir passiert schon nix, wirst schon sehen, eines Tages steh' ich wieder vor deiner Tür… Unkraut vergeht nicht !"

      Ein anderer Freund hatte ihn gleich direkt gefragt, ob er denn Lebensmüde sei ? Ganz im Ernst, ob er denn, weil er mit seinem Leben irgendwie nicht zurechtkam, nun zum Sterben nach Afghanistan fahre ??

      Felsberg dachte noch lange über diese Frage nach, sie hatte ihn getroffen !

      Natürlich dachte er mit keiner Faser seines Gehirns ernsthaft an eine Art Selbstmord, aber an der Frage war etwas dran.

      Was hatte er in seinem Leben nicht alles versucht, angegangen und dann doch wieder abgebrochen, weil ihm irgendetwas nicht passte.

      Ein andauernder Zickzack Kurs, ein schlingerndes Schiff, ständig in Gefahr im tobenden Sturm zu kentern und abzusaufen.

      Als sie dann in Kabul gelandet waren, er erstmals die heiße Luft in seine Lungen sog, wenige Sekunden später bereits den ersten Schweißausbruch auf seiner Stirn konstatierte, den Geruch der Stadt einsaugte, auch eine gewisse Vertrautheit feststellte, schwanden seine Selbstzweifel, machten nun endgültig den vor ihnen liegenden Abenteuern Platz.

      Als Erstes war ihm aufgefallen, dass alles in der Stadt mit einer dicken Schicht Staub bedeckt war, jedes Blatt auf jedem Baum, jede Fläche, überall. Staub überall, auch in der Luft, im Wasser, in den Häusern, es gab keine Möglichkeit diesen Staub abzuhalten, er kroch durch Ritzen und Löcher, war einfach überall.

      Und der Gestank, der über der Stadt lag. Eine wahrlich atemberaubende Mischung von allen möglichen Gerüchen. Abfall, Abwässer, Exkremente, Verfaulendes, alles zusammen, ein Pest-Odem, dem man so schnell wie möglich zu entkommen suchte.

      "Morgen wirst du einen Freund von mir kennen lernen, ein General der siegreichen Kämpfer, ein Volksheld, fast so wie Massoud !"

      Felsberg war da aber bereits in einer Art Trance gewesen, das Essen, die Schmerzen in seinem Bauch, das ununterbrochene Laufen zur "Toilette", einem Loch im Boden eines Raums, der ständige Energieverlust.

      Auch am nächsten Tag dann, beim Besuch von Mirwais Freund, einer imposanten Figur in Kampfanzug, blieb es ihm nicht erspart mehrmals die Toilette zu besuchen. Die "Rache Montezumas" war auch in hier wirksam. Nun war er tatsächlich in Kabul angekommen.

      General Habibullah war später dann, angesichts Felsbergs Nöten, wortlos aufgestanden, hatte einem seiner Soldaten einen leisen Befehl erteilt und sich wieder zu seinen Gästen gesetzt. Kurze Zeit darauf war der Soldat zurückgekommen, hatte dem General etwas in die Hand gedrückt und war wieder zurück auf seinen Posten gegangen.

      Der General hatte ihm anschließend ein Glas Tee gereicht, dazu eine kleine dunkelbraune Kugel, hatte ihm bedeutet diese zu schlucken, was Felsberg umgehend tat. Es konnte nicht mehr schlimmer werden.

      "Das war Opium, was du da gerade geschluckt hast !"

      "Opium ??"

      "Jaa, das ist gut gegen deinen Dünnschiss… funktioniert genauso gut wie andere Medizin, genau so gut."

      "Schmeckt aber richtig widerlich !"

      "Man muss das Zeug schnell schlucken, einfach runter damit und viel nachtrinken !"

      "Und… werde ich jetzt in einen Opium-Rausch verfallen… dann musst du mich wenigstens ins Bett bringen, okay !"

      "Nein, das kommt in deinem Gehirn so nicht an, das lähmt deine Darmtätigkeit, beruhigt dein System, und in zwei Tagen ist wieder alles gut !"

      Aber es war ein ganz anderes Thema, das anschließend Felsbergs Aufmerksamkeit erregte, auf einmal lag ein großer Brocken eines blauen Steins auf dem Tisch. Der Hausherr legte den Brocken auf ein Teller, goss eine Schale mit Wasser darüber, so dass der Stein mit einem Mal in einem leuchtenden und doch dunklen Blau erstrahlte.

      "Lapis Lazuli, der Stein der Götter, schon die alten Pharaonen ließen sich diese Steine direkt aus Afghanistan kommen, um ihre Schätze und Kunst- oder Kultgegenstände damit zu veredeln."

      "Hmmm… ja, habe schon gehört von dem Stein, aber das ist meinen erste Begegnung, wo findet man die ?"

      "Es gibt weltweit, nur ein Vorkommen, im Norden von Afghanistan. In den Bergen, über die Grenze, in Pakistan, gibt es zwar auch noch ein Vorkommen, aber die Qualität der Steine von dort ist schlecht, sie sind stark durchsetzt, vermischt mit anderem Gestein, eben unsauber, wie Pakistan."

      "Wieso magst du keine Pakistani ?"

      "Diese schmutzigen, schleimigen Parasiten haben den Krieg in Afghanistan überhaupt erst geschürt, wollten Afghanistan zu einer ihrer Provinzen machen, der Geheimdienst ISI hatte seine schmierigen Hände tief in diesem blutigen Spiel. Afghanistan wird nie vergessen, was Pakistan uns angetan hat, so wie wir auch die Russen nie vergessen werden… und die Engländer, die wir gleich zweimal vernichtend geschlagen haben !!"

      "Das war ja auch gut so, was hatten Engländer in Afghanistan verloren…??"

      "Was hatten die Russen hier verloren… sie wollten uns nur benutzen, für ihre 'geo-strategische Position'… einen Keil hier in diese Region treiben, Afghanistan selbst interessierte sie überhaupt nicht !"

      "Aber die Taliban waren doch eure eigenen Leute !"

      "Aaaah… jaaaa, schon, hauptsächlich unsere 'Brüder' aus dem Süden unseres Landes, die Pashtunen, auch das hat Geschichte, sie wollten schon immer die anderen Volksgruppen unterdrücken… außerdem waren sie von den Amerikanern finanziert, und von Pakistan, das mit seinem Geheimdienst schon von Anfang an beteiligt war… jaja, die Amerikaner haben eigentlich die Taliban mit-kreirt…und auch finanziert, das ist eine bewiesene Tatsache…dazu kamen dann erst später arabische und andere extremistische Einflüsse, Ikhwanis und so weiter…"

      Mirwais keuchte heftig, als er diese Sätze hervorstieß,