Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermine Stampa-Rabe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844272291
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schnappe mir meine Utensilien und wandere bei plötzlich eingefallener Dunkelheit zur Küche, weil dort Steckdosen für elektrische Geräte sein sollen.

      In der Küche sitzen zwei junge Männer mit ihren Computern am Tisch. Ich erkundige mich nach noch einem Anschluss. Sie zeigen zur gegenüberliegenden Wand. Tatsächlich, unten über der Scheuerleiste wartet eine freie Steckdose auf mich. Ich setze mich daneben auf den Fußboden und schreibe.

      Wieder zurück in meinem Zelt mache ich es mir bei der Dunkelheit gemütlich. Aber es frieren mir in meinem kleinen Daunenschlafsack die nackten Füße. Ich habe mein Zelt gegen den Wind aufgestellt, so dass er von hinten durch das Fliegennetz hereinpfeift. So kann ich nicht schlafen. Da erinnere ich mich an die Kühltasche, die sich in meinem Gepäck befindet. Diese hole ich mir hervor, stülpe sie über das Fußende meines Schlafsacks und schlafe glücklich und zufrieden ein.

      Mit dem Bus durch das Mittelgebirge

      12.01.2013: Bunbury – Albany (Bus): 7 km

      Draußen sind es angenehme 26°C. Schlief ausgezeichnet. Um 8.30 Uhr soll ich bei der Chefin des Caravan Parks sein; denn sie will meine Eisenbahnfahrt per Telefon anmelden. Bis dahin lade ich meinen Akku auf und schreibe auf meinem Notebook. Auch möchte ich noch bei der Post Garderobe vorschicken.

      Pünktlich stehe ich bei der Chefin auf der Matte. Nach mehreren Versuchen schafft sie es. Aber heute am Sonntag fährt keine Eisenbahn, stattdessen ein Langstreckenbus. Das ist mir total egal, Hauptsache, er nimmt mein Rad mit.

      Mit meinem bepackten Rad verlasse ich meine Schlafstätte. Nach ungefähr 200 m liegt ein kleiner toter Alligator neben dem Fahrradweg. Na, eigentlich nehme ich in meinem Fotoapparat keine Leichen mit nach Hause. Aber einen Alligator, der hier in Großformat ein Schreckensgespenst darstellt, möchte ich mitnehmen. Er ist ungefähr 35 cm lang und von der Hitze der letzten Tage ausgetrocknet. Ach ja, ein totes Känguru liegt auch an der Straße. Das ist ja vielleicht ein Riesentier! Da es auf dem Rücken liegt, sehe ich, dass es ein Männchen ist. Also kann dort kein Baby im Bauch mehr leben. Aber ein Zusammenstoß mit so einem großen Känguru kann tödliche Folgen haben! Wenn es hier auch Bären geben würde, wäre es bald aufgefressen worden. Aber welches Tier soll dieses Ungetüm durch Auffressen vernichten?

      Die Sonne scheint mit 27°C, als ich den Bahnhof finde und mir mein Ticket für den dort schon stehenden Langstreckenbus kaufe. Und weil ich der erste Passagier bin, darf ich mir einen Platz aussuchen. Der liebenswürdige Busfahrer – hier Kapitän genannt – fragt mich nach meinem Heimatland. Als er hört, dass ich aus Deutschland bin, strahlt er über das ganze Gesicht und erzählt mir, dass er schon auf dem Fahrradweg des ganzen Mittellandkanals und weiter bis nach Holland an den Ärmelkanal mit seinem Fahrrad gefahren ist. Er ist davon noch ganz begeistert! Deutschland ist sehr schön, erzählt er mir aus tiefster Seele.

      Und dann fährt der volle Bus los. Zuerst wundere ich mich über die platte Landschaft. Beidseitig liegen viele Weinplantagen. Hier reifen die Trauben im heißen Sonnenschein. Aber dann wird es bergig. Die Landschaft nötigt mir großen Respekt ab. Was für ein Glück, dass ich nicht per Rad auf der Straße unterwegs bin. Der Highway führt zweispurig ohne Seitenstreifen durch ockerfarbenen Sand, eingerahmt von riesigen Eukalyptusbäumen. Ein wunderschöner Anblick! Die Sonne dringt mit ihren Strahlen durch die Blätterkronen und verschönt alles. Fasziniert hypnotisiere ich die Landschaft. Wie gern wäre ich hier mit meinem Rennrad entlanggesaust! So tue ich es in Gedanken. Wer einen schweren Marathon vor sich hat wie Paris – Brest – Paris, würde hier die beste und angenehmste Trainingsstrecke vorfinden. Denn hier herrscht nur sehr wenig Autoverkehr. Und die Wärme ist garantiert.

      Der Bus hält in den Orten, in denen ich auf Caravan Parks schlafen wollte. Ziemlich weit in der Nähe der Südküste schon vorbeifahrend, mache ich linkerhand eine Gruppe Kängurus mit Babys aus. Etwas weiter steht sehr viel Damwild auf einer großen Wiese. Da es so viele Tiere sind, kann es sich nur um eine Farm handeln. Und noch etwas weiter äsen schwarze Alpakkas auf der Weide.

      Vielleicht eine Stunde später liegt ein totes Känguru neben der Straße. In Denmark ist es ungewöhnlich kalt. Die Wärme oder Hitze ist mir sympathischer. Nun rollt unser Bus die letzten 53 km nach Albany. Dieser Ort liegt ziemlich tief unten an der Küste einer Bucht. Eine Bergkette ist ihr vorgelagert, die die Brandung vom Südpol aus abpuffert. Das mit Schaumkronen bedeckte Wasser sieht unangenehm grau aus. Der Himmel ist bewölkt. Es macht den Anschein, als wollte es zu allem Unglück auch noch regnen.

      Ich stehe als Letzte mutterseelenallein vor dem Bus-Terminal. Und wo finde ich hier ein Bett? Kein Mensch ist zu sehen. Verständlich. Bei dieser Kälte (für Australien) von 20°C wäre ich auch nicht mehr aus dem Haus gegangen. So blicke ich mich um. Die Häuser sind wie in Italien gestaffelt übereinander an den Hang gebaut worden. Und oberhalb in der ersten Querstraße steht in großen Lettern an einem dieser Häuser „Backpacker“. Das ist genau das, was ich heute brauche. Bei dieser Kälte im Zelt schlafen? Habe keine Lust dazu.

      Aber wie komme ich dort hinauf? Ich sehe mich um. Autos fahren weit links herunter. Ja, dort möchte ich auf den Berg fahren. Den Namen „Backpacker“ finde ich oben auch an einem Haus. Zwei junge Leute sitzen dort, die mir den Weg zum Eingang beschreiben. Sie schlafen auch darin.

      Ich folge ihrer Beschreibung und buche mich für eine Nacht ein. Frühstück ist im Preis inbegriffen. Das ist gut. Ich setze mich auf die Terrasse und schreibe, während junge Leute an großen Tischen hinter mir unten im Hof sitzen, essen, trinken und sich viel erzählen. Aufbrandendes Gelächter schallt zu mir herauf. Ebenso zieht leckerer Essensduft an meiner Nase vorbei.

      Mir wird hier vom Chef, seiner Frau und einer deutschen, jungen Angestellten und eben auch von einem anderen jungen Mann dringend davon abgeraten, mit dem Rad durch das 45°C heiße Nullarbor zu radeln, Das ist einfach nicht zum Aushalten! Da werde ich vor Hitze umkommen! Das Nullarbor scheint wohl eine Vorstufe der Hölle zu sein. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Was soll ich nun machen? Vorsichtshalber buche ich mir eine zweite Nacht dazu, um mir in Ruhe alles genau zu überlegen. Hier beginnt das wilde Zelten im Freien. Das Abenteuer winkt schon von weitem!

      Mit dem Road Train durch das glühend heiße Nullarbor

      13.01.2013: Albany – Nullarbor (Rad und Road Train): 7

      Es zieht mich weiter. Bald stehe ich mit meinen Packtaschen draußen und möchte sie befestigen. Da wird mir von zwei jungen Männern wieder ins Gewissen geredet, die Fahrt per Fahrrad in dieser Affenhitze nicht durchzuführen. Ich lächle sie an und erkläre ihnen, dass 85% der Menschheit dauernd Angst hat. Das sind die normalen Menschen. Zu den restlichen 15% gehöre ich. Die hier Anwesenden und die drinnen Sitzenden sind alles Weich-Eier (eingeschlossen der Backpacker-Leiter, was ich aber nicht sage). Sie verschwinden beleidigt.

      In diesem Backpacker Hotel erhält jeder so viele Eierpfannkuchen, bis der Bauch voll ist. Während Mozarts „Kleine Nachtmusik“ spielt, sitze ich da und genieße die duftenden und leckeren Pfannkuchen, bis nichts mehr hinein geht.

      Draußen starte ich bei Sonnenschein und blauem Himmel. Die Wolkendecke von gestern ist bis auf kleine Schäfchenwolken abgezogen. Der Leiter des Backpacker Hotels sucht mich draußen, um mich bei meinem Start zu fotografieren. Auch reiche ich ihm meinen Fotoapparat und erhalte auf dieser Weise ein Startfoto. Ab geht es und immer leicht bergauf. Aber es radelt sich ganz angenehm. Bald liegt Albany hinter mir tief unten. Mit einem komischen Gefühl aufgrund der gefährlichen Nullarbor-Durchquerung rolle ich gen Osten, immer überlegend, wie ich dieses große Problem lösen kann.

      Nach 7,14 km teilt sich der Highway. Meine Strecke führt rechterhand weiter gen Osten. Zu meiner hellen Freude steht hier ein Roadhouse. Das lächelt mich richtig bittend an, einzutreten. Ich kann dem Gefühl, hier eine Flasche mit kaltem Sprite zu trinken, nicht widerstehen, stelle mein bepacktes Rad rechts neben den Eingang, steige die Stufen hinauf und betrete einen wunderbar kühlen Innenraum voller Regale mit Leckereien. Hinter dem Tresen steht der Inhaber, gerade einen Gast abfertigend. Und gegen die Busstrecke von gestern ist das, was mir nach dem Wegfahren von Albany im ersten Roadhouse passiert, noch gar