Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders. Birgit Ebbert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Birgit Ebbert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847679356
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rel="nofollow" href="#udaba1e44-df03-52ff-9d89-b14f44c37bc9">Leseprobe aus »Brandbücher«

       Impressum

       Teil I

       1 - Rache verglüht nicht, Addi

       Vindicta legte den Kopf sorgfältig in eine Hutschachtel. Sie achtete darauf, dass die Blutströme in die Plastikschale flossen und nicht ihre Kleidung beschmutzten oder die Schachtel, die aus dem Erbe ihrer Großmutter stammte.

       »Das war’s dann mit deinem überheblichen Getue. Ich konnte es nicht mehr ertragen, dass du uns ständig vorhältst, dass du etwas Besseres bist. Adelgunde von Grevreuth, die wir als Kinder immer Addi genannt haben. Ich hätte nicht gedacht, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen würden.«

       Vindicta betrachtete das hellblonde Haar, das mit einem Band auf dem Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz gebunden war. Wie durch ein Wunder war es verschont geblieben von den Blutströmen, die entstanden waren, als sie Addis Kopf vom Rest des Körpers getrennt hatte. Bis zum Schluss hatte ihre Schulfreundin um Gnade gefleht. Zu spät. Zu genau erinnerte sich Vindicta an eine ähnliche Situation. Drei Jungen schubsten sie über den Hof und Addi stand daneben und rauchte.

       Vindicta nahm den letzten Schluck aus dem Champagnerglas und schloss die Hutschachtel. Vorsichtig trug sie sie an der Kordel, die tapfer ihre Dienste tat, zum Auto. Den Kopf ihres ersten Racheopfers wollte sie in ihrem Garten begraben, als ständige Erinnerung, niemals aufzugeben, so wie sie immer auf Rache an Addi gehofft hatte.

      Ob ich das klirrende Lächeln des Eisbergs je vergessen werde, mit dem er heute kurz nach Arbeitsbeginn mein Büro betreten hat? »Wir möchten uns von Ihnen trennen«, erklärte er sein unangekündigtes Erscheinen und trat sechs Jahre harter Arbeit für dieses Unternehmen verbal mit Füßen.

      Dabei war er selbst erst sechs Wochen Geschäftsführer dieser Firma. Youth Paradise, sogar der neue Name ist von mir. Ich habe echt dafür gekämpft, vor allem weil meine Kollegin Conny sauer war, dass ihre Idee nicht genommen wurde. Sie hat keine Gelegenheit ausgelassen, mir Steine in den Weg zu legen, als mir die Projektleitung übertragen wurde.

      JuPa nennen Kids unsere Konsumpaläste in jetzt schon fünfzehn Städten liebevoll. Dank meines genialen Marketingcoups: Zum Start gab es eine Dailysoup und eine Buch- und Hörspielserie mit spannenden Abenteuern aus den JuPas. Sie sind Treffpunkt und Event zugleich. Hier können die 8- bis 14-Jährigen sehen und kaufen, was gerade angesagt ist. Und vor allem gibt es Knutschecken und Quatschzonen, Smile-Corners und Movie-Rooms, Playcenter und…

      Das ist es, ich werde ein Videospiel programmieren: Eisberg-Shooter!

      Im Studium habe ich ein Computerspiel kennengelernt, in dem konnte man grob gezeichneten Figuren – Männer und Frauen durch Frisur, Bart und Kleidung unterscheidbar – die Namen der meistgehassten Lehrer geben. Das fehlt für die Berufswelt. Ich sollte der Agentur für Arbeit einen Tipp geben!

      Scheiße, jetzt habe ich mir selbst eine Falle gestellt. Ich wollte es vergessen: Ich bin arbeitslos! Nicht in drei Monaten, nicht morgen, heute – von jetzt auf gleich. Ist das eigentlich grammatikalisch korrekt? Egal, von Arbeitslosen wird das ohnehin nicht erwartet.

      Nachdem der Eisberg mir die schriftliche Kündigung überreicht hat, hat er mein dienstliches Mobiltelefon, meine Essensmarken für die Kantine und den Schlüssel für meine Bürotür verlangt. In letzter Minute fiel mir ein, dass ich eine Quittung bekommen musste.

      Dann forderte er mich auf, unverzüglich meine privaten Dinge zusammenzupacken und das Unternehmen zu verlassen. »Sie sind bis zum Ablauf des Vertrags freigestellt«, erklärte er mir.

      Einen dieser Pappkartons, in denen das Kopierpapier angeliefert wird, hatte er bereits mitgebracht. Wie umsichtig von ihm.

      Vermutlich hatte er eine Todo-Liste erstellt Kündigung Kerstin Junker: Kündigung mündlich aussprechen, schriftliche Kündigung überreichen, Telefon, Essensbons und Schlüssel einkassieren, Pappkarton für private Sachen überreichen.

      Wie betäubt sammelte ich meine persönlichen Gegenstände ein: die Marionette und den Teddybär, den meine Patentochter mir genäht hat. Die Tasse mit der Aufschrift Ich bin der Boss, die mir eine Freundin mitgebracht hat, als ich Ärger mit einem unverschämten Machokollegen hatte. Die Milka-Blechdosen, in denen ich bei traurigen und freudigen Anlässen Geld für Geschenke gesammelt habe.

      Der Eisberg saß an meinem schönen Besprechungstisch und ließ mich nicht aus den Augen. »Lassen Sie sich Zeit«, sagte er und trommelte mit den Fingern auf die Platte des modernen sechseckigen Tisches.

      Der Eisberg brachte mich bis zum Auto. Bloß keine Kontakte mehr. Was habe ich ihm getan? Fürchtete er, dass meine Wärme seine Fassade zum Schmelzen bringen würde?

      Wie in Trance fuhr ich nach Hause. Ein Wunder, dass das Auto und ich den Weg unbeschadet überstanden haben.

      Beladen mit dem Pappkarton voller Gegenstände, die ich zu Hause nicht haben wollte, meinem Rucksack und meiner Laptoptasche kam ich vor meiner Wohnungstür an.

      Ich klingelte, obwohl ich wusste, dass niemand öffnen würde. Mein Freund Johannes, längst Ex-Freund, hatte sich vor sechs Wochen von mir getrennt. Nach sechs Jahren. Zum gleichen Zeitpunkt, als der Eisberg in mein Berufsleben trat. Ob es da einen Zusammenhang gibt. Ist Johannes zum Eisberg gezogen?

      Ich stellte den Karton auf die Fußmatte vor der Tür und schloss die Wohnungstür auf. Nicht einmal ein Hund oder eine Katze kamen mir entgegen gerannt. Blöde Tierhaarallergie. Sonst hätte ich wenigstens jemanden zum Reden. Selbst einen Hamster haben mir die Ärzte verboten!

      Zum Glück habe ich keine Telefonallergie.

      Ich warf die Tür hinter mir zu. Was scherte mich der Karton vor der Tür. Der gehörte nicht hierher.

      In meinen Lieblingssessel gekuschelt, das teuerste Möbelstück, das ich besitze, begann ich zu telefonieren. Stunden über Stunden habe ich die gleiche Geschichte erzählt, um sie selbst zu glauben: Ein Eisberg hat nach sechswöchiger Unternehmenszugehörigkeit meine in ununterbrochener Berufstätigkeit und harter Arbeit aufgebaute Existenzgrundlage zerstört.

      Nachdem ich unzählige Ohren und Anrufbeantworter mit meinem Leid besprochen habe, blieb mir als letzte Möglichkeit, meine Geschichte loszuwerden, diese Newsgroup im Internet. Wie albern der Name des Providers: Schwapp.de. Mir wäre da etwas Besseres eingefallen.

      Das Telefon klingelt. »Kerstin Junker, Youth Paradise!«. Das »Guten Tag« bleibt mir im Hals stecken. Das große G scheint sich quer zu legen, ich bekomme kein Wort heraus. Es scheint die Atemnot zu sein, die mir die Tränen in die Augen treibt. Nie wieder darf ich mich mit dem Firmennamen am Telefon melden!

      Schweigend reibe ich mir die Augen. Diese Chance nutzt der Anrufer am anderen Ende der Leitung. »Karsten Denker.«

      Hält der mich für blöd, seinen Namen habe ich längst verstanden, warum wiederholt er ihn denn? So einzigartig ist er auch wieder nicht. Nur seine Stimme, die klingt echt sexy. Was will Schwapp.de von mir? Habe ich eine Million bei einem Gewinnspiel gewonnen?

      »Was denn nun?« Als Frau muss man sich unnahbar geben, das macht die Männer neugierig, habe ich in einem Ratgeber gelesen.

      »Bitte entschuldigen Sie die Störung.« Höflich ist der junge Mann immerhin. Jung, na, Mitte dreißig wird er der Stimme nach sein. Altersmäßig würde er zu mir passen.

      »Sie blockieren mit Ihrem Beitrag unsere Newsgroup.« Das war’s dann also. Aus der Traum vom Fast-Blind-date mit einem Angestellten von Schwapp.de. Das G scheint weiterhin quer zu liegen, die Atemnot zwängt schon wieder Tränen in meine Augen.

      »Hallo, hören Sie mich?« Wirklich sexy klingt die Stimme nicht. Viel zu jung, fast schon stimmbruchartig.

      Woher hat der