Monet und der Tod auf der Insel. George Tenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Tenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750279315
Скачать книгу
er war – erfolgreich.

      »Denk an das Collier …«, sagte er wie beiläufig. Er kannte Anastasijas erlesenen Geschmack und nutzte das bei jeder Gelegenheit aus.

      »Woran hast du gedacht?«

      »Unser Mann am Bodensee macht hervorragende Kopien. Sie sind besser, als ich sie je von einem asiatischen Meister gesehen habe. Weißt du warum? Den Asiaten fehlt der Sinn für europäische Historie. Du kannst dafür nicht einfach eine Leinwand und Farben aus einer modernen chinesischen Herstellung verwenden.«

      »Aber?«

      »Unser Mann am Bodensee malt Expressionisten, die vor Ort gelebt haben. Zumindest zeitweise wie Otto Dix. Was wir brauchen, ist ein Mann, der Impressionisten perfekt kopiert, und zwar so, als wäre das Bild tatsächlich rund 140 Jahre alt.«

      »Dafür wirst du kaum jemanden finden«, widersprach Anastasija.

      Smirnov lachte auf. »Sei nicht so voreilig.«

      »Du hast schon jemanden im Auge?«

      »Du kennst doch mein Organisationstalent!« Smirnov hustete. Es klang nicht gut, und Anastasija dachte, dass er sich wohl sehr erkältet haben musste.

      Er stand auf und ging zum Fenster. Draußen war es bereits stockdunkel. Sie ist tüchtig, dachte er. Aber ihm wurde auch schlagartig bewusst, dass er sich mit seiner Offenbarung über den Petersburg-Deal gefährlich in ihre Hände begeben hatte. Leute wie er, das wusste er nur zu gut, schwebten ständig in Gefahr. Sie drohte von allen Seiten. Der deutsche Staat konnte seine Tätigkeiten entdecken. Oder schlimmer, die russische Staatsmacht, auch einer der betrogenen russischen Oligarchen. Einer der Kopisten konnte ihn erpressen, und selbst seine derzeitige Geliebte Anastasija war letztlich eine große Gefahr.

      »Es gibt einen Mann, der das perfekt kann.«

      »So …«

      »Ich habe eine Telefonnummer«, sagte Smirnov. »Ich kann einen Termin für ein Gespräch vereinbaren.«

      Es klang wie eine Frage, nicht wie eine Feststellung.

      »Aber?«

      »Die Krux ist, dass er verdammt vorsichtig ist.«

      »Ist das nicht jeder, der sich auf so etwas einlässt?«

      Aus der Ferne klang das Bellen eines Hundes aus der Nachbarschaft an ihr Ohr.

      »Was ist das für ein Bellen?«

      »Der Wind trägt die Geräusche heran«, stellte Smirnov fest. »Es ist der große Köter des Bauern am Wald. Ich kenne seine Stimme.«

      Mit einem Mal war das Geräusch des Hundes weg.

      »Sie haben ihn sicher reingenommen. Was soll die Kreatur auch bei dieser Kälte draußen.« Smirnov schob sich vom Fenster ab und ging zu der kleinen Bar. Er goss sich einen Malt Whisky ein und hob das Glas hoch, sodass sie es sehen konnte. Er meinte es gut mit sich. »Du auch einen?« , fragte er.

      »Nein. Ich wette, dafür hast du auch schon eine Lösung«, sagte Anastasija.

      »Wofür?« , fragte Smirnov. Es war eigentlich nicht sein Art, unaufmerksam zu sein. Einen Augenblick hatte er sich von dem Gebell des Köters ablenken lassen. Er tauchte vor ihm wie aus dem Nichts auf. Groß, grau-schwarz wie ein Wolf und sehr gefährlich. Sobald er einen Fremden sah, fletschte er seine Zähne. Man tat gut daran, ihn nicht zu provozieren.

      »Die Überwindung der Krux«, sagte sie ruhig. »Wie?«

      »Er liebt junge Frauen.«

      Anastasija Saizew lachte auf. »Ist dein Held nicht verheiratet?«

      »Doch. Der erste Kontakt kam auch über die Frau. Sie hält dort wohl die Fäden in der Hand. Geschäftlich meine ich.«

      Anastasija dachte kurz nach. »Da würde ich an deiner Stelle eher vorsichtig sein. Wenn sie verärgert wird, lässt sie jede mögliche Verbindung zu dir sausen. Und nichts verärgert eine Frau mehr, als wenn ihr Mann fremdgeht und dabei auch noch von möglichen Geschäftspartnern gefördert wird.«

      Smirnov nahm einen Schluck Whisky. Er spürte, wie er langsam, fast ölig, seine Speiseröhre hinunterlief. Der Alkohol belebte ihn.

      »Die Nummer, die ich von ihm habe, gehört einem Handy, das er allein betreibt. Wenn du anrufst, sprichst du auf eine Box, die er ausschließlich selbst abhört. Du schickst ihm ein Bild von dir und fragst, wann er dich treffen will.«

      »Du willst nicht sagen, dass er einfach so wegkann?«

      Smirnov hob die Schultern. »Wenn sie für einige Zeit ins Krankenhaus muss, wird er Zeit genug haben.«

      »Du bist ein Ekel. Ich gebe aber zu, ein gut planendes. Aber ein Ekel.«

      »Es wird ihr nichts Ernstes geschehen. Wir brauchen auch nicht allzu viel Zeit, um den Mann von der Notwendigkeit einer Mitarbeit zu überzeugen.« Er nahm sein Smartphone aus der Tasche. »Schau mal.«

      Anastasija sah eine Frau um die vierzig. Sie hatte schulterlanges, dunkelblondes Haar, das über den Augen zu einem Pony geschnitten war, und die hohen Wangenknochen der Audrey Hepburn, wenngleich ihr Gesicht nicht ganz so schmal war. Ihre Augen besaßen dieses Stahlblau, das, würde die Frau gereizt werden, sie sicher zu einer eiskalten Maske verwandeln konnte, die jedes Blut in den Adern gefrieren ließ.

      »Es malt Bilder im Stile bekannter Maler wie Édouard Manet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und …«

      »Claude Monet.«

      Smirnov nickte.

      »Du willst, dass ich mit ihm schlafe«, sagte sie unvermittelt.

      Er hob die Schultern. »Das hat aber nichts mit uns zu tun. Wir verfolgen gemeinsam ein Ziel. Und mach dich vom Gedanken frei, eine Vagina sei wie eine Seife, die sich abnutzt. Und Bilder der Impressionisten machen Sammler gefügig.«

      »Schwein«, sagte Anastasija.

      Smirnov spürte, wie er sauer wurde. Dennoch unterdrückte er erst einmal seine Wut. »Der Mann fälscht so genial, dass sogar die Aufkleber verschiedener Sammler und Kunsthäuser auf der Rückseite des Bildes echt aussehen, weil es sie gibt oder zumindest gab, wie den jüdischen Sammler Samuel Shapiro aus New York.«

      Alles, was Smirnov sagte, schien ihr verständlich. Sie glaubte, dass er sie liebte, und in gewisser Weise tat er das auch. »Dann stelle den Kontakt her«, hörte sich Anastasija sagen.

      »Ich wusste, dass du ein vernünftiges Mädchen bist«, sagte Smirnov. Er kam zur Couch und versuchte sie zu küssen.

      »Lass das. Mach ein Foto und schicke es ihm.«

      »Jetzt?«

      »Ja, jetzt.« Anastasija zog die beiden Kämmchen aus ihrem Haar, sodass ihr schulterlanges Haar ihre Schönheit noch unterstrich, und zog die Lippen mit dem Kanebo-SENSAI Nr. 15 Murasaki nach. Sie wusste, dass man mit der richtigen feuchten Farbe auf den Lippen noch jünger und lasziver aussehen konnte. Wenn ich das nicht ändere, dachte sie, geht die Geschichte ewig so weiter, oder ich gehe zugrunde.

      Smirnov machte zwei Fotos von verschiedenen Posen Anastasijas, die er anwies, prüfte sie, befand sie beide für gut und zog sich in die Kaminecke zurück, um einen kurzen, prägnanten Text zu formulieren und diesen abzuschicken.

      Unterdessen ging Anastasija in die Küche, um ein Abendbrot vorzubereiten. Kaltes Fleisch von einem Truthahn, der auf einem Bauernhof aufgezogen und gemästet wurde, und Brot.

      Am Abend zuvor, dem 6. Januar, dem russischen Heiligen Abend, endete die von strenggläubigen russischen Christen nach wie vor praktizierte vierzig Tage lange Fastenzeit. Wunschgemäß hatte sie Smirnov an diesem Abend Kutya nach dem Rezept ihrer Großmutter zubereitet, einen Brei aus Getreide mit Honig. Smirnov hatte für sich die alten Gebräuche und die orthodoxe Kirche wiederentdeckt. Sie hatte nichts dagegen, an ihre Kindheit erinnert zu werden, die sie weitgehend bei ihrer Großmutter in Geroyskaya, einem Ort unweit Sankt Petersburg an der Neva gelegen, verlebt hatte. Das