R.A.O.D.. Orelinde Hays. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Orelinde Hays
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656807
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die es zu identifizieren galt, war die von Sean Flannagan. Ein paar Jugendliche, die sich dort herumgetrieben hatten, hatten sie entdeckt. "Oh verdammte Scheiße!", fluchte Paul leise. Er machte sich größte Vorwürfe, dass er nicht selbst die Observation übernommen hatte. Da denkt man, man hat Leute mit jahrelanger Erfahrung und was passiert? Sie lassen sich abhängen. Hoffentlich gab es irgendein Lebenszeichen. Es sah aus wie eine Hinrichtung. Ein Kopfschuss aus nächster Nähe hatte Sean niedergestreckt. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung kam auf Paul zu. "Mr. Egan? Sir, wir haben einiges gefunden: Spritzen und verschiedene Blutspuren... Da werden wir den Laborbefund abwarten müssen, wem sie zuzuordnen sind. Aber kennen Sie zufällig dieses Taschenmesser?" Er hielt ihm einen Beutel unter die Nase. Paul nickte. Er kannte es nur zu gut, denn er selbst hatte es seinem Freund vor längerer Zeit zum Geburtstag geschenkt. Und nun - nun wusste er nicht einmal, ob dieser überhaupt noch am Leben war. "Ja, das gehört einwandfrei meinem Freund. Sehen Sie hier: RAOD, das sind seine Initialen, die dort eingraviert sind", bestätigte er. "Sichern Sie alles genau ab, es darf kein Detail verloren gehen, haben Sie verstanden?" "Ja, Sir, selbstverständlich!" Sean Flannagan, das war ein harter Schlag. Zum ersten Mal in all den Jahren hatte Egan das beklemmende Gefühl, seinen Freund nicht lebend wiederzusehen. In letzter Sekunde hatte dessen Anruf verhindert, dass Hunderte von Menschen einem Anschlag zum Opfer gefallen waren. Drei Bomben hatten sie noch rechtzeitig entschärfen können. Wenn er an all die Studenten und Besucher dachte, die sich ständig dort aufhielten! Ganz zu schweigen von der UNO-Delegation, die kurzfristig dort eingetroffen war. Es wäre ein Zwischenfall von internationaler Bedeutung geworden, der den laufenden Friedensprozess gehörig in Frage gestellt hätte. Zum Glück hatte man die ganze Aktion in aller Eile als Feuerwehrübung tarnen können und somit waren die Gebäude ohne jede Panik geräumt worden. Paul fragte sich, wie die Terroristen noch vor der Presse an diese Information gekommen waren. Sie mussten noch genug Zeit gehabt haben, den Anschlag vorzubereiten und alle Sicherheitsbestimmungen zu umgehen.

      Es folgten Stunden hektischer Betriebsamkeit. Paul setzte die ganze Maschinerie ein, die ihm zur Verfügung stand. Hier ging es nicht nur um einen verschwundenen Mitarbeiter, hier ging es um den besten Freund, den er jemals gehabt hatte. Szenen schossen ihm durch den Kopf: Dinge, die sie gemeinsam durchgestanden hatten, Erlebnisse wie in Shiraz... Hätte er Alice auf diese Weise verloren, wie er damals seine Karen - es hätte ihm den Verstand geraubt. Sein Freund hatte danach nie seine alte Fröhlichkeit wiedergefunden.

      Abends im Hotelzimmer lag Paul auf dem Bett und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er griff zum Telefon und wählte: "Alice? Hallo, Schatz, was macht Jerry?"

      "Paul! Uns geht es prima, ich hab den Kleinen gerade hingelegt. Wie war es bei dir? Habt ihr sie gefunden?"

      Er erzählte, was passiert war und für einen Moment wurde es still am anderen Ende. Alice war immer klar gewesen, was diese Männerfreundschaft bedeutete: Der eine würde für den anderen sein Leben geben, sie würden sich niemals in Stich lassen. Und jetzt war die Reihe an Paul.

      "Verdammt!", hörte sie ihn tief seufzen, "ich hätte es wissen müssen! Ach Alice, wenn ich ihn doch bloß darauf angesprochen hätte..."

      "Was meinst du?"

      "Ich hatte so ein ungutes Gefühl diesmal. Ich meine, ich wusste ganz genau, wie sehr er im Moment an der Fachschule in Arbeit steckt. Trotzdem war er sofort bereit, die Sache zu übernehmen. Es kam mir fast vor, als würde er ganz bewusst das Risiko suchen. Fast als wäre es ihm egal, ob er zurückkehrt oder nicht."

      "Um Gottes Willen, Paul, mal nicht den Teufel an die Wand! Obwohl - seit Karens Tod hat er sich verändert, da muss ich dir recht geben. Als hätte er sein Inneres eingekapselt, lässt niemanden wirklich an sich heran."

      "Ich hätte spätestens da hellhörig werden müssen, als er die Sache mit Sean unbedingt noch weiter durchziehen wollte, obwohl er ihn für ein Sicherheitsrisiko hielt. Verdammt!"

      "Liebling", hörte er sie mit zärtlicher Stimme sagen, "jetzt gib dir nicht die Schuld dafür! Hey, es wird alles wieder gut und du wirst ihn finden, ganz bestimmt!"

      Er konnte fühlen, wie sie sich zusammennahm. Eine große Sehnsucht nach ihren Armen stieg in ihm auf. Sie war das Beste, das ihm je widerfahren war.

      "Paul, ich liebe dich. Gib auf dich acht, wir brauchen dich!"

      "Ich liebe dich auch! Gib Jerry einen Kuss von mir. Ich rufe dich morgen wieder an, okay?"

      "Ja, das tue ich, er vermisst seinen Daddy. Versuche jetzt zu schlafen, hörst du?"

      "Gut. Bis morgen, Liebes!"

      "Bis morgen, Paul!"

      ~~~~~~~~~~~~~~~

      Wie durch einen Schleier nahm ich in meinem Fieber alles wahr, ohne wirklich mitzubekommen, was um mich herum geschah. Die Gliederschmerzen wurden so stark, dass ich mich nur noch stöhnend von einer Seite auf die andere wälzte. Immer wieder wurde mir furchtbar übel und ich musste mich übergeben, würgte bittere Galle hervor. Sekunden schienen zu Stunden zu werden und ich wimmerte, dass das alles doch endlich aufhören möge. Stets war Siobhan an meiner Seite, wenn ich sie brauchte. Hielt meinen Kopf, wenn ich wieder erbrach, wischte mir den Schweiß von der Stirn, machte Wadenwickel zum Fiebersenken, redete mir gut zu und beruhigte mich. Wie gut mir doch ihre liebevolle Art und Weise tat, wenn sie mir die schweißnassen Haare aus dem Gesicht strich und mir ermutigend über die Wange strich. Sie ahnte ja nicht, wie sehr sie auch meine Seele streichelte... Heute weiß ich, dass ich es ohne sie wohl kaum geschafft hätte.

      Am nächsten Tag ging das Fieber gottlob herunter und auch die Schmerzen ließen nach. Mein Verstand arbeitete wieder klarer. Langsam, aber sicher, ging es bergauf mit mir. Amus hatte Siobhan nach Hause geschickt, sie hatte ein paar Stunden Schlaf auch bitter nötig. Der Kreislauftee, den sie gebraut hatte, blieb drin und ich merkte, wie gut er mir tat.

      "Ja, davon versteht sie was, unsere kleine Kräuterhexe!", hatte Amus, nicht ganz ohne Stolz, zufrieden gelächelt. Ansonsten war er recht wortkarg gewesen. Er hatte überdies auch in seiner Praxis zu tun und so hatten wir nicht viel geredet. Es strengte mich auch noch ziemlich an.

      Die Sonne schien auf mein Bett und oben über der Scheibengardine blickte ich auf einen strahlend blauen Himmel. Hallo Welt, du hast mich wieder!, schoss es mir dankbar durch den Kopf. Was auch immer passiert sein mochte... Wenn ich versuchte, mich zu erinnern, dann blieb nur eine gähnende Leere. Es war ein mehr als gespenstisches Gefühl, plötzlich keine Vergangenheit mehr zu haben. Noch weniger verstand ich, warum mir nicht einmal mein Name einfiel. Alles war fremd um mich herum, ich selbst war mir fremd. Doch ich spürte, dass ich bei Menschen war, die es gut mit mir meinten.

      Der Nachmittag verstrich und ich sehnte mich danach, dass diese liebe, junge Frau wiederkommen würde, in deren Gegenwart ich mich so geborgen fühlte. Irgendwann musste ich wohl wieder eingenickt sein, jedenfalls war es schon dunkel, als Stimmen von nebenan mich weckten.

      "Ich habe dir doch gesagt, du sollst erst morgen früh wiederkommen!", hörte ich den Doktor.

      "Amus, das ist ja gut gemeint von dir, wirklich! Aber ich bin wirklich völlig ausgeruht, glaube mir. Und du setzt dich jetzt erst einmal hin und isst zu Abend, denn du brauchst jetzt Ruhe und damit Ende der Diskussion!"

      Die Tür ging auf und sie kam herein.

      Ich begrüßte sie. "Seien Sie nicht so streng mit dem Doktor."

      "Na, Sie scheinen ja schon wieder ganz munter zu sein, wie fühlen Sie sich denn?"

      Sie nahm an meinem Bett Platz, kontrollierte meinen Puls.

      "Ach, na ja, schlapp fühle ich mich, aber wieder auf der Welt!"

      "Der Tee ist drin geblieben?"

      "Ja."

      "Übel ist Ihnen auch nicht mehr?"

      "Nur ein kleines bisschen."

      "Haben Sie schon versucht, etwas zu essen?"

      "Nein."

      "Gut. Dann werde ich jetzt frischen Tee machen und dann versuchen wir es mit etwas Zwieback. Kommen Sie, ich mache Ihnen das Kopfende schon mal etwas höher, dann kann sich der Kreislauf daran gewöhnen. So, geht es so?"

      Nachdem sie meinen