Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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Sorgen nicht mehr haben. Sie beugte sich über den vernarbten Kopf und sog den fauligen Atem ein, der ihr jetzt entgegenschlug. Vielleicht hatte sie einen Moment zu lange überlegt, ob sie dem Hantua noch ein letztes Mal ins Gesicht spucken sollte. Stechend grüne Augen starrten sie plötzlich an. Er war wach.

      „Du wirst keine Zeit mehr für eine Warnung haben!“ fauchte sie ihm entgegen, doch noch bevor sie die Waffe durch seine Haut rasen lassen konnte, spürte sie einen brennenden Schmerz in ihrem rechten Arm. Der Bruchteil der Sekunde, den sie gezögert hatte, hatten für den Zrundirsoldaten ausgereicht, seine Axt hinaufschnellen zu lassen.

      Blitzschnell trat sie dem Angreifer hart die Waffe aus der Hand und drückte seinen erhobenen Arm mit dem Knie zu Boden. Knochen brachen, doch der Hantua ließ ebensowenig wie Lennys den geringsten Schmerzenslaut vernehmen. Außer sich vor Wut funkelte er seine Gegnerin an.

      „Greift ihr feigen Dämonenbastarde eure Opfer immer im Schlaf an?“ ächzte er heiser.

      „Beschwerst du dich über unsere Großzügigkeit?“ fragte Lennys kalt.

      „Du hast keine Chance, Höllenweib. Wir werden euch überrennen, wie schon damals!“

      „Das wirst du nicht mehr erleben.“

      Sie kniete nun so auf seinen Armen, dass die Nerven eingeklemmt waren und er zu keiner Bewegung mehr fähig war. Etwas enttäuscht stellte sie fest, dass sich keine Angst in den Augen des Hantua spiegelte.

      „Nur zu, bring mich und meine Freunde ruhig um...“ gurgelte er als sich die Klinge seinem Hals näherte. „Oder bin ich der Letzte?“

      Lennys wusste nicht, was Akosh hinter ihr tat, ob noch Einer oder Zwei am Leben waren oder ob sie tatsächlich dem Letzten der Fünf in die Augen sah. Sein Blut würde besser schmecken als das der anderen, so war es schon immer bei jenen gewesen, die ihr eine Wunde zugefügt hatten. Trotzdem war etwas an diesem Krieger anders.

      „Das Beste zum Schluß!“ sagte sie leise. „Dein Blut wird die gerechte Belohnung für mich sein!“

      „Gerecht, du Verfluchte? So gerecht, wie ihr immer zu uns gewesen seid?“

      „Ihr verdient Schlimmeres als den Tod!“

      „Du bewahrst mich gerade vor Schlimmeren. Mein Herr wird nicht erfreut sein, dass du ihm die Bestrafung abgenommen hast!“

      „Lennys!“ Akosh eilte zu ihr herüber. Von seiner Klinge tropfte Blut und in einer Hand hielt er bereits seinen Kelch, der jedoch noch leer war.

      „Du bist das letzte Ungeziefer des Abschaums in diesen Reihen. Und dein Atem wird jetzt auch vergehen!“

      Doch noch immer zeigte der Hantua keine Furcht, ganz im Gegenteil. Er grinste verzerrt und entblößte dabei einige braune Stummel im sonst zahnlosen Mund.

      „Du tust mir damit einen Gefallen, wie ich schon sagte. Ich habe schon längst mit meinem Leben abgeschlossen!“

      „Ein Ungewollter, der sich den Tod wünscht?“

      „Ein Kämpfer, der weiß, wann seine Zeit gekommen ist. Eine Tatsache, für die du ewig blind sein wirst, Dämonenbastard. Wir haben unseren Herrn enttäuscht, wir haben nicht gefunden, wonach er verlangte. Seine Strafe für unser Versagen ist grausamer als alles, was du mir antun kannst!“

      „Lennys....“ sagte Akosh wieder. „Was tust du? Warum tötest du ihn nicht endlich?“

      „Wer ist der Herr, von dem du redest?“ fragte Lennys den Hantua, ohne Akosh zu beachten. Weiter presste sie ihre Knie gegen die Nerven des Unterlegenen und mit jedem Blutstropfen, den sie an ihrem Arm entlangrinnen spürte, verstärkte sie den Druck. Die Sichelklinge zitterte auf der narbigen Haut seiner Kehle, doch noch ließ sie den Kämpfer unversehrt.

      „Seinen Namen auszusprechen ist mir nicht erlaubt, selbst wenn du mir mit Tod und Folter drohst. Doch er wird auch dich eines Tages für dein Dasein bestrafen, so wie er euch alle vernichten wird!“

      „Leeres Geschwätz. Ist das alles, was du mir noch zu sagen hast?“

      „Fahr zur Hölle, Abschaum der Finsternis!“

      Sie saßen nebeneinander am Osthang des Hügels, in dessen Schatten wenige Stunden zuvor noch fünf Hantua Rast gemacht hatten. Lange Zeit sagten sie nichts.

      Die Kelche waren längst geleert und schweigend hatten sie die Wirkung des Inhalts genossen. Dennoch war Lennys nicht zufrieden. Sie wusste, dass der Letzte der fünf Kämpfer ihr nur das Triumphgefühl hatte nehmen wollen, dass er in Wirklichkeit alles andere als Zuversicht im Angesicht des Todes empfand. Natürlich hatte er Angst gehabt, doch es störte sie, dass er sie so gut zu verbergen gewusst hatte. Die Genugtuung, der Stolz und die Befriedigung beim Töten des Hantua waren vorhanden gewesen, doch nicht so ausgeprägt und intensiv wie sonst.

      „Wir sollten zusehen, dass wir nach Goriol zurückkehren.“ sagte Akosh. „Es wird bald Tag.“

      Lennys stand auf, zuckte beim Abstützen aber kurz zusammen. Akosh warf ihr einen langen Blick zu. „Du hättest mich wenigstens einen Blick darauf werfen lassen können. Die Wunde könnte sich entzünden.“

      „Es ist nur ein Kratzer, übertreib nicht immer so.“

      „Du hast manchmal eine seltsame Sichtweise. Kratzer....“

      „Können wir jetzt gehen?“

      Ihre plötzliche Ungeduld beunruhigte Akosh ein wenig. Der süße Tropfen, den diese Nacht beschert hatte, hätte ihr Temperament ein wenig zügeln sollen, doch stattdessen schien er es nur noch mehr anzustacheln.

      Der nachtschwarze Himmel über ihnen schimmerte schon bläulich, als sie die Stadtgrenzen Goriols erreichten, doch frühestens in einer Stunde würde er das kühle Violett annehmen, das den neuen Tag ankündigte, kurz bevor die ersten Sonnenstrahlen hervorblinzelten. Mosgul, von dem Akosh sich die beiden Pferde geliehen hatte, bewohnte ein kleines Haus nahe der Gasse, an dessen Ende der Schmied lebte. Der Stall lag direkt dahinter und Akosh machte sich nicht die Mühe, seine Rückkehr anzukündigen, sondern führte beide Tiere direkt an ihre Schlafplätze. Lennys wartete auf der Straße, die jetzt noch wie ausgestorben da lag. Von fern hörte sie zögernde Hufschläge.

      „Er hält wieder Ausschau nach ungewöhnlichen Vorkommnissen.“ bemerkte Akosh spöttisch als er zurückkam.

      „Der Schnüffler aus dem Süden?“

      „Ja. Man weiß nie, wann er wo auftaucht. Er reitet durch die Gassen und am Waldrand entlang und beobachtet die Leute, die sich dort aufhalten. Manchmal tut er dies mitten in der Nacht, manchmal am Tage.“

      Die Geräusche kamen nicht näher, sondern schienen sich in Richtung Marktplatz zu bewegen.

      „Man könnte meinen, er will unbedingt gehört werden. Niemand, der ungesehen bleiben will, wird sich in seiner Nähe blicken lassen, wenn er derartig auf sich aufmerksam macht.“ meinte Lennys.

      „Vielleicht geht es ihm gerade darum. Gesindel zu vertreiben. Und den Leuten zu zeigen, dass er für Ordnung sorgt.“

      „Eingebildeter Manatarier.“ bemerkte Lennys jetzt abfällig. „Ich werde mich jedenfalls nicht dadurch am Aufbruch hindern lassen. Wir haben ohnehin schon zu lange gewartet. Wenn er weiter so einen Krach macht, wird es nicht schwer, ihm auszuweichen.“

      „Wir können auch warten, bis er weg ist.“

      „Das kommt nicht in Frage! Ich lasse mir von so einem dahergelaufenen Wichtigtuer nicht meine Pläne durcheinanderwerfen!“

      Akoshs Haus kam in Sicht. Ein schwacher Lichtschein hinter zugezogenen Vorhängen erhellte einen der Räume.

      „Wenigstens hört sie auf das, was ich sage.“ Lennys schien nicht so überrascht wie Akosh.

      „Du hast ihr gesagt, sie soll wach bleiben?“ fragte der Schmied verblüfft.

      „Unsinn, natürlich nicht. Ich habe nicht vergessen, dass sie nur eine Mittelländerin ist. Deshalb habe