Weihnacht!. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746747477
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bewegende Statue auf uns zu und sagte mit seelenloser Stimme:

      »Die Gymnasiasten von vorgestern. Was wollen Sie?«

      »Sie haben Ihre Schiffskarte in Falkenau liegen lassen, und wir bringen sie Ihnen nach,« antwortete ich.

      Ihre Augen waren nicht auf mich, sondern wie durch die Wand hindurchgerichtet, und es klang, als ob sie zu einem Abwesenden spreche:

      »Danke; legen Sie sie hier auf den Tisch!«

      »Ihre Gültigkeit läuft Anfangs Februar ab,« fuhr ich fort, da ich es trotz der dazu ganz unpassenden Situation für meine Pflicht hielt, ihr diese Mitteilung zu machen. »Nun Ihr Vater gestorben ist, wird Ihnen der Bremer Lloyd den Betrag der auf seinen Namen lautenden Karte zurückzahlen, denn bei Todesfällen verfällt die Summe nicht.«

      »Ich weiß nicht, ob ich bis nach Bremen komme,« erklang es kalt und ohne Ton.

      »Sie müssen hin. Ein Freund von Ihnen hat mir das für Sie gegeben; stecken Sie es ein!«

      Es war, als ob ich gar nicht anders könnte, ich mußte diese Worte sagen und meinen »Geldschrank« unter der Weste hervorziehen, um ihn ihr zu geben. Sie steckte den Beutel ein, ohne ihn anzusehen, ja, ohne ihn, wie es schien, eigentlich in der Hand zu fühlen.

      »Geben Sie das aber ja nicht für das Begräbnis her!« fügte ich hinzu. »Sie brauchen es zum Fahren unterwegs.«

      »Ich werde es verstecken,« nickte sie wie ein Automat.

      »Und hier in diesem Paket ist für Sie etwas zu essen, was ich mitgebracht habe. Gute Nacht, Frau Wagner!«

      »Gute Nacht!«

      Ich gab dem Knaben die Hand und ging mit Carpio hinaus; die Botenfrau folgte uns. Draußen fragte ich sie:

      »Haben Sie alles gehört, was ich zu der Frau gesagt habe?«

      »Alles,« nickte sie; »jedes Wort.«

      »Sagen Sie ihr alles, aber auch alles wieder, denn sie scheint nicht draufgehört zu haben! Sie muß den Beutel verstecken, daß man ihr das Geld nicht nimmt, welches sie zur Reise braucht. Für das Begräbnis hat die Gemeinde zu sorgen, zu welcher diese Mühle gehört. Und damit Sie etwas für die richtige Ausführung dieses Auftrages haben, halten Sie die Hand auf!«

      Sie that es, und ich schüttete ihr mein Reisegeld hinein; dann gingen wir fort, im Halbdunkel des hereingebrochenen Abends den Weg zurück, den wir gekommen waren.

      Was ich dabei dachte? Nichts, gar nichts. Ich hatte wie unter einer Eingebung gehandelt und bereute nicht, es gethan zu haben. Der Busenfreund trollte lange Zeit schweigend hinter mir her, bis es ihn doch endlich trieb, das Schweigen zu unterbrechen:

      »Du, Sappho, diese alte Mühle und diese Sterbescene werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen! Wieviel hast du der Frau gegeben?«

      »Alles.«

      »Deine zwanzig Sparthaler und unsere zehn Gulden? Mensch, du bist ein großartiger Kerl! Aber ich nicht minder! Ich hätte es ihr auch gegeben, grad so wie du! Und was hat die alte Frau bekommen?«

      »Mein Reisegeld.«

      »Das ganze?«

      »Ja.«

      »Wieviel hattest du noch?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Er weiß es nicht! Großartig! Er giebt seinen letzten Pfennig und Kreuzer weg. Was aber machen wir nun, und wovon leben wir nun?«

      »Wieviel Geld hast du noch?«

      »Ich weiß es auch nicht genau.«

      »Ist auch nicht nötig. Zum Übernachten in Bleistadt reicht es auf jeden Fall für uns beide aus.«

      »Ja, aber dann?«

      »Dann gehen wir wieder nach Falkenau.«

      »Etwa zum Franzl?«

      »Ja.«

      »Potztausend! Der wird den Quarkkuchen nicht so schnell vergessen haben! Können wir das nicht vermeiden?«

      Da blieb ich stehen, nahm ihn beim Arme und fragte in meinem feierlichsten Tone:

      »Carpio, habe ich schon jemals einen Menschen angepumpt?«

      »Nein – – nie – – keinen einzigen!«

      »So höre, was ich dir sage! Mit unserer Reise ist es aus, denn unser Geld ist alle. Betteln können wir nicht; ich pumpe also den Franzl an; der muß uns soviel geben, wie wir brauchen, um heimzukommen. Bist du einverstanden?«

      »Sag erst, wer es ihm wiederzugeben hat! Du allein oder wir beide.«

      »Ich allein.«

      »So erteile ich dir meine vollste Genehmigung. Aber du mußt ihn selbst anborgen; ich brächte kein Wort über meine Lippen, schon des übergangenen Heißhungers wegen.«

      »Natürlich thue ich es selbst. Jetzt komm!«

      »Ich komme schon; ich bin mit allem einverstanden. Aber wenn der Franzl wegen des Pumpes wild wird und uns zum Fenster hinauswirft, lasse ich mich niemals wieder hier in Österreich sehen, sondern suche drüben mein Eldorado auf, wo ich soviel Geld bekomme, wie ich nur haben will!« – –

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