Tod unterm Leuchtturm. Martin Cordemann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Cordemann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656623
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      „Das ist ein Verhörzimmer“, sagte der Polizist.

      „Ja, und?“

      „Da klopft man nicht, da geht man einfach rein.“

      „Oh.“

      „Um einen starken Eindruck zu machen.“

      „Sie meinen, Höflichkeit…“

      „…ist nicht unbedingt das, was einen in einem Verhör weiterbringt.“

      Woher wusste er all das? Wahrscheinlich aus dem Fernsehen. Oder war es wahrscheinlich, dass er hier in Köln Ehrenfeld ständig Verhöre durchführte?

      „Gehen Sie jetzt rein?“

      „Ja, natürlich!“

      Ich nickte und öffnete die Tür. Ein Mann saß an einem Tisch, ein Polizist in Uniform saß ihm gegenüber und nahm seine Aussage auf. Einen Spiegel, hinter dem jemand anders saß, um das Verhör zu beobachten, gab es nicht. Wieder mal hatte uns das Fernsehen belogen.

      „Guten Abend“, sagte ich. „Mein Name ist Rhode und ich bin von der Mordkommission.“

      Der Uniformierte sah auf, nickte mir zu, reichte mir eine dünne Mappe und meinte: „Ich habe seine Personalien aufgenommen.“ Dann ging er hinaus und ließ mich mit dem Mann allein.

      „Sie sind…“ Ich sah auf das Formular. „Dr. Nabuse?“ Das konnte nur ein Tippfehler sein. Oder ein Schreibfehler. Oder ein Scherz.

      „Ja, das stimmt“, nickte er.

      Soviel dazu.

      „Wie Sie wissen…“ Ich unterbrach mich. Das war ein guter Zeitpunkt für eine Frage. „Was genau wissen Sie?“

      „Dass es einen Mord gegeben hat?“

      „Ja, ich denke, das triff es in etwa.“

      „Und, dass es ein Freund von mir war.“

      „Der Mörder?“

      „Das Opfer.“

      „Oh.“ Wäre wohl auch zu leicht gewesen. „Sie waren also mit ihm befreundet?“

      „Ja.“

      Ich suchte in den Unterlagen nach dem Namen des Toten, aber diese unwesentliche Information schien man mir vorzuenthalten.

      „Und sein Name ist, ich meine, damit wir auch über denselben Toten sprechen?“

      „Dr. Frank Stein.“

      Ja, da stand es doch, ganz unten. Dr. Frank N. Stein. Das konnte doch alles nur ein Scherz sein. Oder war ich so überarbeitet, dass mir meine Phantasie Streiche spielte? Oder meine Kollegen? Ja, das wäre eine Erklärung gewesen. Irgendjemand war auf die Idee gekommen, mich reinzulegen und hatte sich dieses komplizierte Szenario ausgedacht: ein Toter, ein Leuchtturm, vier Verdächtige, ein Fall, der sich nur dann als Agatha Christie würdig erwiese, wenn alle die Verdächtigen und das Opfer auf irgendeine unglaubwürdige Weise miteinander verwandt wären oder so was.

      „Sie waren mit ihm befreundet?“ sprach ich in die langsam länger werdende Stille.

      „Ja.“

      „Wie kommt es, dass Sie alle zum selben Zeitpunkt hier in der Gegend waren? Wohnen Sie hier? Arbeiten Sie hier?“

      „Wir treffen uns einmal im Monat, um hier zusammen etwas zu trinken. In einer Kneipe.“

      „Einmal im Monat?“

      „Ja. Öfter schaffen wir es nicht. Sie wissen, wie das mit Diensten bei Ärzten so ist.“

      Ich wusste es nicht, aber ich könnte es bestimmt nachschlagen. Wahrscheinlich schlecht, viel zu tun, wenig Freizeit, viel Bereitschaft, all so was.

      „Also Sie haben sich hier getroffen?“

      „Ja. Unsere Stammkneipe ist hier in der Nähe. Aus Studienzeiten.“

      „Sie haben also alle zusammen studiert?“

      „Nur Frank, Stefan und ich.“

      „Stefan?“

      „Dr. Cimbell, Dr. Stefan Cimbell.“

      Na klar, dachte ich. Dr. Cimbell auf der Flucht. Das konnte doch nur ein Scherz sein.

      „Kann ich mal Ihre Papiere sehen? Nur aus… Routine!“

      Das würden wir ja sehen, ob er… er hatte. Einen Personalausweis. Der ihn als Dr. Felix Nabuse auswies. Und der Pass sah verdammt echt aus, jedenfalls sofern ich das beurteilen konnte… was ich, zugegebenermaßen, nicht tat. Aber wenn das hier ein Scherz auf meine Kosten sein sollte, dann hatten sich die Kollegen wirklich verdammt Mühe gegeben.

      „Gut, Dr. Nabuse, also Sie haben sich hier mit Dr. Cimbell getroffen?!“

      „Ja.“ Er nickte. „Wir waren verabredet. Und mit Frank.“

      „Frank?“ Ach so, ja, das Opfer. Den sollte man nicht vergessen – nicht, dass das bei seinem Namen so sonderlich schwierig wäre. Wäre er noch am Leben gewesen, mit dem Namen wäre er Verdächtiger Nummer 1. Aber so einfach wollte man es mir dann wohl doch nicht machen. „Haben Sie ihn gesehen?“

      „Frank? Nein. Er war da wohl schon…“

      Tot.

      „Hmm.“ Ich nickte zustimmend. Dann dachte ich nach. „Wie kommen Sie darauf?“

      „Weil ich, als ich über den Platz kam, direkt verhaftet wurde.“

      „Oh.“ Okay, das war ein guter Hinweis, selbst für einen Laien. „Was hat Sie aufgehalten?“

      „Die Polizei.“

      „Nein, ich meine vorher. Warum waren Sie spät dran?“

      „Das war ich nicht.“ Nabuse schüttelte den Kopf. „Frank war immer zu früh.“

      „Aha.“

      Ja, das erklärte…

      „Was mich verwundert ist…?“ unterbrach der Doktor meinen Gedankengang.

      „Ja?“

      Er sah mich fragend an.

      „Warum hat er sich nicht gewehrt?“

      „Wie hätte er das tun sollen?“

      „Naja, er hatte doch dieses Messer. Dieses Messer, das er jedem, den er kannte, gezeigt hat. Also warum hat er es nicht benutzt, um sich damit zu wehren?“

      Vermutlich, weil es in seinem Rücken steckte, dachte ich.

      Doktorspiele

      Der nächste Kandidat hatte ebenfalls säuberlich sein Formular ausgefüllt, bzw. der Polizist, der sich mit ihm den Raum teilte, hatte das. Vorsichtshalber ließ ich mir direkt seinen Ausweis zeigen. Er identifizierte ihn als Dr. Patrick Huuh. Dr. Huuh? Ach Gott, warum nicht?

      „Wie geht es Ihnen?“ fragte ich, nachdem der Polizist den Raum verlassen hatte.

      „Nicht besonders. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ich von der Polizei verhaftet werde.“

      Von dem denn sonst?, lag mir auf der Zunge, aber ich verkniff es mir. Dies war nicht der Zeitpunkt um eine Debatte darüber zu führen, von wem er am liebsten verhaftet werden wollte. Eine Horde Cheerleaderinnen würde sich da anbieten, die einen statt mit Handschellen mit Pontons… waren das nicht Brücken? Pontonbrücken? Aber wie hießen dann die puscheligen Dinger, mit denen die Cheerleader… ach, es war einfach zu spät.

      „Sie sehen müde aus“, sagte er, ein weiterer Hinweis darauf, dass dies ein ausgeklügelter Plan war, um mich in den Urlaub zu treiben. „Aber keine Sorge, Sie werden schon wach werden, wenn ich Sie verklage!“ Und da war die Theorie dahin.

      „Verklagen?“