Cemetery Car®. Angelika Nickel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Nickel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847696667
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seinen ganz besonderen Charme verlieh.

      Zwei schwarze schmiedeeiserne, an Gaslichtlaternen erinnernde Straßenleuchten säumten den Eingang des Le Petite.

      An warmen Tagen hatten die Pensionsgäste die Möglichkeit, auf einer efeuumrankten Terrasse, umgeben von hohen alten Birken, zu frühstücken.

      Je nachdem aus welcher Richtung der Wind kam, konnten die Gäste den leicht herben Geruch riechen, der von der Seine herüberzog.

      Nicht weit vom Le Petite ließen die Bronzeglocken der Cathédrale de St. Claire, im stündlichen Rhythmus, ihren dumpfen Klang über Paris ertönen.

      2 – Urlaubsziele

      Vor weniger als zwei Stunden hatte Quentin Cemetery Car auf dem Pensionsparkplatz, unter weißen Birken geparkt.

      Bepackt mit Reisegepäck für zwei Wochen, betraten Quentin, Kim, Madame Zink, Professor Gräulich und Nickel die Pension. Ihnen folgten Salvatore Amore, der, aus Tarnungsgründen, ebenfalls eine Reisetasche bei sich trug.

      Auch Evelyn hatte ihre Phantasie ausgelebt. Um nicht als Geist aufzufallen, hatte sie sich in eine Frau, Anfang sechzig, mit leicht blondiertem Haar und salopper Kleidung verwandelt. Auch sie trug einen Koffer bei sich.

      Nachdem sie von Madame Le Blanc begrüßt worden waren, sich im Gästebuch eingetragen hatten, führte sie Madame auf ihre Zimmer.

      Quentin umarmte Kim. Er bedeckte ihr Gesicht mit leidenschaftlichen Küssen.

      »Quentin, doch nicht jetzt!«, versuchte sich Kim, von ihm freizumachen.

      »Aber warum denn nicht jetzt? Hast du vergessen, dass wir in der Stadt der Liebe sind?«

      »Nein, Liebling, das habe ich nicht vergessen. Dennoch heißt das doch nicht, dass wir uns gleich nach Ankunft ins Bett werfen und über uns herfallen müssen.« Um ihren Worten noch einen zusätzlichen Touch des Verstehens zu verleihen, sagte sie, mit gespieltem Akzent: »Nicht wahr, mon Cher?«

      »Dem kann ich nur zustimmen«, vernahmen sie eine allzu bekannte Stimme hinter sich.

      Entrüstet wirbelte Quentin herum. »Tante, ich darf doch sehr bitten! Schon einmal etwas von Privatsphäre gehört? Oder gar von der altmodischen Erfindung des Anklopfens?« Gereizt blickte er zu ihr hin. »Glaubst du, nur weil du ein Geist bist, dass du zu jeder Tages- und Nachtzeit ungefragt bei uns auftauchen kannst?«

      »Pst! Du weißt doch, dass niemand wissen darf, dass ich ein Geist bin. Wozu würde meine Verkleidung von Nutzen sein, wenn du mein tatsächliches Sein über Paris hinausschreist?«

      »Über Paris hinausschreien? Nun übertreib aber mal nicht, Tante Evelyn. Und außerdem, du brauchst gar nicht versuchen, vom eigentlichen Thema abzulenken. Wenn ich also bitten darf.« Er machte ihr mit der Hand Zeichen, endlich wieder zu gehen. »Es reicht, wenn wir später alle beim Abendbrot wieder zusammen sein werden.«

      »Liebling, sei doch nicht dermaßen ungehalten«, versuchte Kim, ihren Verlobten zu beruhigen. Zu Tante Evelyn gewandt, sagte sie: »Sei nicht böse, Tantchen, aber geben wir doch einfach Quentins Wunsch nach und treffen uns später unten zum Abendessen.« Sie zwinkerte Evelyn verschwörerisch zu.

      Die wiederum nickte, leicht schmollend. Danach verließ sie das Zimmer auf dem gleichen Weg, wie sie es auch betreten hatte. Sie entmaterialisierte sich und ging, wie es für einen Geist üblich war, durch die Wände. Zurück blieb der intensive Geruch nach Lavendel.

      »Ob sie sich jemals daran gewöhnen wird, dass es einfach zum guten Ton gehört, anzuklopfen, statt einfach unaufgefordert, mitten im Zimmer zu stehen?«

      »Quentin, du weißt doch, wie deine Tante ist. Glaubst du tatsächlich, dass sie das noch lernen wird?«, schmunzelte Kim.

      Mit gespielter Zerknirschung antwortete Quentin: »Eben nicht! Das ist ja das Schlimme daran. Nie bin ich mir sicher, ob sie nicht plötzlich einfach hinter mir steht. Schatz, ich möchte aber auch Zeiten haben, die nur wir beide miteinander verbringen. Dinge tun, bei denen wir keinen Zuschauer gebrauchen können. Intimleben, Kim, nenne ich so etwas, Intimleben.«

      »Dabei wird sie uns auch ganz bestimmt nicht stören. Immerhin, sie war auch einmal jung. Sie weiß, wie das ist, wenn man alleine sein will, um …, na ja, um Amour zu machen.«

      »Hoffentlich hast du Recht, meine Süße. Immerhin ist es mit ein Ziel unseres Urlaubs, auch zu entspannen, und dazu gehört auch unsere intime Zweisamkeit.« Er zog sie erneut in seine Arme, und machte da weiter, wobei sie durch Evelyns Erscheinen unterbrochen worden waren.

      Dieses Mal wehrte sich Kim nicht dagegen.

      In einem anderen Zimmer hatte sich Madame Zink ihren Laptop aufgestellt und wollte gerade mit dem Schreiben beginnen, als auch hier Evelyn unangekündigt, und ohne zu klopfen, das Zimmer betrat.

      Ein Lächeln auf den Lippen, warf sie einen Blick über Zinks Schulter.

      »Zink, glaubst du allen Ernstes, dass du in Paris, Zeit zum Schreiben finden wirst?«

      Madame Zink drehte sich erschrocken um. »Evelyn, wie oft, muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht immer so erschrecken sollst!« Mit der Hand streifte sie ihre Brust. »Eines Tages bekomme ich wegen dir noch einen Herzschlag. Und dann war es das mit mir!«, entrüstete sie sich.

      Die Geisterlady grinste breit. »Dann, meine Beste, wärst du bei mir. Und wir beide könnten gemeinsam durch die Gegend geistern. Auch ein verlockender Gedanke, wenn du mich fragst«, lachte sie. »Doch, wirklich, das hat was für sich«, hörte sie nicht auf, zu lachen.

      »Nein danke. Nur weil ich fünfzig bin, heißt das nicht, dass ich von der Bühne des Lebens schon abzutreten habe. Und erst recht nicht, mithilfe meiner Geisterfreundin.« Ihr Herzrasen hatte nachgelassen, und wandte sich wieder ihrem Toshiba zu, um endlich mit dem Schreiben zu beginnen.

      »Also gut, dann will ich dich in deinem Tatendrang nicht weiterhin stören. Auch wenn ich nicht glaube, dass du auf dieser Reise viel zum Schreiben kommen wirst. Immerhin hatte der Professor eine Vision, damals, nachdem wir von Shadowisland entkommen waren. Nur so nebenbei, im Falle du es vergessen haben solltest.« Sie wandte sich an Nickel, den braunfelligen Cockerspaniel Madames und streichelte den treuen Hund, der zusammengerollt neben Madame Zinks Stuhl lag.

      »Wie könnte ich das vergessen haben, Evelyn? Nur, bis es wieder soweit sein wird, dass die beiden uns brauchen, so lange kann ich doch schreiben. Was soll dem im Wege stehen?«

      »Nichts, Zink, nichts. Aber ich möchte auch von Paris etwas sehen und nicht nur auf dem Zimmer herumsitzen und warten, bis wir gebraucht werden«, entgegnete Evelyn.

      »Ich auch nicht, sei versichert, beste Freundin. Und nun sei so gut und lass mich noch ein klein wenig schreiben, solange meine Gedanken noch fließen.«

      Evelyn li Nola lächelte warmherzig und verständnisvoll. »Dann will ich deinen Gedankenfluss nicht weiter unterbrechen. Ich gehe jetzt einmal den Professor interviewen, wer weiß, vielleicht hatte er unterdessen ja wieder eine Vision.« Mit Verklingen ihres letzten Wortes, verschwand sie aus Madames Zimmer.

      Auch hier hinterließ sie den intensiven Duft von Lavendel.

      »Nun, Professor, nun sagen Sie schon: Was wissen Sie? Was wird auf dieser Reise passieren?« Salvatore Amore hatte sich in den Sessel am Fenster fallen lassen.

      Professor Gräulich nahm seine Pfeife aus dem Aschenbecher auf dem Tisch. Langsam und bedacht entzündete er sie. Er blies Rauchkringel in die Luft und schaute ihnen gedankenverloren nach. »Was sich auf dieser Reise ereignen wird? Wer dieses Mal hinter Quentin und Kim her sein wird? Wenn ich ehrlich sein soll: Ich weiß es nicht. Nach Shadowisland hatte ich keine weitere Vision diesen Urlaub, Frankreich, betreffend. Wir müssen einfach abwarten.«

      »Abwarten, Professor? Ist das nicht ein bisschen wenig?«, hörte er auf einmal die Geisterlady hinter sich, fragen.

      »O lá lá, Evelyn