Flucht in die Hoffnungslosigkeit. Iris Schneider. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iris Schneider
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738054088
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der angeschlagenen Stimmung, schlug ich Toni vor, Elena wenigstens bei mir zu lassen, wenn sie anderweitig unterwegs sein würde. Darauf ließ sie sich ohne weitere Diskussionen ein. Juchhuh, grenzenlose Freiheit für uns Zwei.

      In den darauf folgenden Tagen brachte Toni Elena immer öfter zu mir.

      Sie erledigte Unmengen Amtswege. Entweder waren die Ämter geschlossen, oder die Termine wurden wieder einmal verschoben, oder die Sacharbeiter hatten Urlaub, oder…

      Toni sah eben alles anders und deutete hier im deutschen Ländli die Gesetze für bescheuert und

      despotisch.

      Nach unverständlichen Stresssituationen der Kindergeldamtsmethoden und Harzviererpressungs-Versuchen, beratschlagten wir gemeinsam, ob es nicht vielleicht doch ratsamer wäre, vorrübergehend zusammenzuziehen, bis wir eine geeignete Wohnung für uns drei gefunden hätten.

      „Direkt über dem Haus am Berg, befindet sich sogar ein Kinderhort, in den Elena sogar zu Fuß alleine hingehen könne“, wiederholte ich eindringlich.

      Toni dachte darüber nach und sah es nach mehreren, überschlagenden Rechenexempeln ein.

      Lange Rede, kurzer Sinn. Wir taten es einfach und zogen mit einer vorübergehenden Genehmigung des Tolleranten Vermieters, in mein „Großes“, beziehungsweise „Kleines“ Apartment zusammen. Dieser Umzug wies außerdem besondere Vorteile für Toni auf. Er verschaffte ihr ebenfalls einen beachtlichen Vorsprung vor dem Gerichtsvollzieher, als erstes in der neuen Bleibe zu sein. Omis Schnelligkeit war eben oft langsamer, als die angehenden Konsequenzen es eigentlich bei ihrer Enkelin zuließen. In Tonis prekärem Fall, waren es ja nur die unverschämt, hohen Stromkosten der alten Wohnung, mit schlecht aufzuweisender Isolierung des Hauses. Leider sind die Herren Gerichtsvollzieher auch nur Menschen, die sicherlich gewinnbringend ihres Amtes walten. Außerdem brauchte eben alles seine Zeit, um umfangreiche Forderungen wie diese, an den richtigen Mann zu bringen, zudem Omas ja keine Rennautos sind.

      Meine Einsiedler-Wohnung wurde nun zu einer idyllischen Familien Cottage, und Elena begnügte sich vorerst mit dem Camping auf ihrer „Nur-Teppich-Spielecke“, wo sie mit ihrer Mama zum ersten Mal im angrenzenden, gebrauchten Hochbett schlafen durfte, das wir gekonnt in die Notnische hineingequetscht hatten. Zumindest, brauchten wir statt der Wand nur die Fußleisten zu entfernen.

      Selbstverständlich schlief Elena ganz oben. Ich selbst schlief im Wohnbereich auf meinem großen Eck-Sofa. So waren wir zu einer glücklichen und zufrieden Familie zusammengerutscht.

      Wir kochten, backten, spielten Spiele zusammen und pumpten uns ab und zu was bei Omi, wenn sich unser Wohlstand wieder minimiert hatte.

      Kapitel 4 Zum ersten Mal zu Dritt

      Eines Morgens wurde ich von einem hässlichen Streitgespräch, das Toni telefonisch mit jemand im Bad führte, geweckt. Elena schlief fest und ich versuchte krampfhaft mitzubekommen, mit wem Toni sich herumzankte. Nach einer Zeit kam sie regelrecht geschafft aus dem Badezimmer heraus.

      „Es war mein Mann. Ich muss da noch mal runterfahren“, sagte sie zitternd und schluchzend.

      Ich war geschockt.

      „Aber warum jetzt schon wieder?“ „Das verstehst du nicht. Der setzt mich permanent unter Druck. Er braucht wieder mal die Kohle und meine Unterstützung.“

      „Du wolltest doch aber weg von ihm, denke ich.“

      Toni wirkte verwirrt und hatte zugleich Wut im Bauch.

      „Wer bin ich denn hier in Deutschland?! Da unten bin ich wenigstens wer und gelte als reiche Frau und bin angesehen, weil mein Mann Arzt ist!“

      „Weißt denn dein Arzt, dass das Geld zum größten Teil von deiner Omi kommt?“

      Schweigen.

      Meine Enttäuschung wollte ich mir nicht anmerken lassen und ging auf die Terrasse.

      „Ja, ja, natürlich will ich von ihm weg, aber ich schaffe es noch nicht ganz Rolf.“

      „Weißt du denn überhaupt, was du wirklich willst?“

      Widerwillig blieb Toni mir diese Frage schuldig. Wieder einmal wich sie mir aus.

      „Toni, ich liebe dich doch. Ich denke du mich auch?“

      „Ja, ja, aber ich muss erst alles in mir ordnen. Ich will auch bei meinem Mann alles in Ordnung bringen, dann kann ich hier beruhigter leben.“ Filmriss. Wir hatten doch gestern erst noch Zukunftspläne gemacht. Wir planten sogar eine größere Wohnung mit größerer Spielecke und Nische, beziehungsweise einem eigenen Kinderzimmer. Und wir haben…

      „Hilfst du mir trotzdem ein paar Sachen in das Auto zu schaffen?“

      „Ja, klar, werde ich dir helfen. Wie ich das immer tue.“

      Mir kam die Galle hoch. Dieser verfluchte Ehemann war langsam der absolute Wahnsinn.

      Nach Tonis vollzogenem Pack-Ritual, es sind ja nur ein paar Kleinigkeiten, sank ich auf einen der noch herumstehenden Koffer, Kleinmöbel, Geschenke, Wäsche, noch mehr Geschenke, die Toni günstig auf ihren Amtswegen erworben hatte.

      Angeberisch protzten einige Kartons prall gefüllt als westliche Wohlstandsmitbringsel, ein letztes Mal in die deutsche Harz IV Luft. Ich stierte ebenfalls auf einen Karton mit Kleidung. Ein blau-weiß gestreiftes Kapuzen-Shirt streckte mir seinen Ärmel entgegen und flehte mich an, es zu retten, vor jene, Mordlüsternen Menschen, die hübsche Frauen und großzügige Omas finanziell ausbeuten.

      „Ich zog vorsichtig dran. Am Ärmel. Meinem Ärmel?!

      „Hast du unseren begehbaren Kleiderschrank auch noch mitgenommen?“ fragte ich vorsichtig, wedelnd mit meinem Shirt in der Hand.

      „Oh, ist mir wohl dazwischen gerutscht.“

      Ich akzeptierte es dieses Mal und nahm mein Verknudeltes Etwas an mich.

      „Ich kann da unten mit vernünftigen Geschenken eben mehr punkten.“

      „Bei den Schwiegereltern in Tunesien, oder beim Schwarzverkauf von Sekund- Hand- Klamotten?“

      „ Ich bin dann angesehener und bin nicht irgendjemand, Rolf!“

      „Ich dachte, du wolltest dich scheiden lassen?“

      „Das will ich ja auch.“

      Mir kam es nicht mehr tunesisch, sondern gänzlich spanisch vor.

      „Ich wusste ja nicht, dass man zur Scheidung solche üppigen Opfer-Gaben spenden muss. Und was kriegst du von ihm?“

      „Ich gelte damit als reiche, wohlhabende Fraauuu, Rolf.“

      „Aha“, sagte ich und hinderte Toni an einen weiteren Hemden-Klau, der aus meiner mageren, Sportlichen Kleider-Auswahl herstammte.

      „Hab dich doch nicht so, die haben da unten kaum was zum Anziehen.“

      „Müssen es denn meine schneeweißen neuen Hemden sein? Nimm doch lieber alte Gardinen mit, wo die sich da unten wenigstens schmucke Tunikas nähen können. Die leben doch so und so in einer staubigen Gegend“, sagte ich beleidigt.

      „Es wird Zeit. Ich muss los. Ich will mich jetzt nicht noch vorher mit dir zanken und außerdem muss ich Elena noch bei Oma abholen.“

      Wir nahmen uns in den Arm und gaben uns einen…Film ab, mageren, westlichen Abschieds-Kuss.

      Er dämpfte vorerst die vorherigen, mir unverständlichen Sätze und Silben.

      Matt fuchtelte ich wedelnd mit Shirt und Hemd in den Händen hinter Tonis Wagen her. Mit einem Drei-Kilo Herz in der Brust, nahm ich erst einmal wieder Abschied am Straßenrand.

      Toni fuhr nach Tunesien zu ihrem Noch-Ehemann und ich schlich frustriert in eine Dorf-Kneipe.