Der Bund der Katzenfrauen
Fantasy-Roman
von D. Bess Unger
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
© 2013 by D. Bess Unger
Satz und eBook bei Ekkehard Hessenfeld, Darmstadt
ISBN 978-3-8442-7285-7
Alle Rechte vorbehalten.
Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung,
Verbreitung, Speicherung oder Übertragung
können zivil- oder strafrechtlich
verfolgt werden.
Klappentext
Die Mordanschläge einer Hexe hat die sechzehnjährige Lena nur knapp überlebt. Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Dass es Magie auf der Erde gibt, hat sie zu verdrängen versucht, kein Sternenstaubträger begegnet ihr mehr. Albträume über ihre brutale Entführung verblassen.
Nach Abschluss der Schule bricht Lena mit ihren Eltern zu einer Reise nach Südafrika auf. Der Urlaub ist ein Versuch, die zerrütteten Familienverhältnisse zu kitten. Vier Wochen sind eingeplant. Beim Antritt ahnt niemand, dass Lena erst nach Monaten zurückkehren wird und das nur, um einer magischen Intervention beizuwohnen.
Schon auf dem Hinflug hat Lena eine seltsame Begegnung, die ihr die Schrecken der Vergangenheit ins Gedächtnis zurückrufen. Sie versucht, das Aufeinandertreffen als eine sich nicht wiederholende Sache abzutun. Bei einem Safariausflug im Kruger National Park kommt sie bei einem Angriff eines magischen Wesens nur dank des Zufalls mit dem Leben davon. Furcht reglementiert ihr Dasein, zumal ihre Entführer von einst sie nicht vergessen haben und ihr dicht auf den Fersen sind.
Als sei das nicht genug, erreicht Lena die Nachricht, dass ihre beste Freundin unheilbar erkrankt ist. In ihrer Verzweiflung schließt sie sich einer weisen Zulu-Frau an, die mit einem HIV-infizierten Findelkind durch die Dörfer zieht um Kranke zu heilen. Gemeinsam begeben sich die Drei auf eine abenteuerliche Reise durch die Provinz KwaZulu-Natal. Ihr Ziel ist das Tal der Schamanen, der heilige Ort, in dem Heiler und Magier ausgebildet werden. Dort will Lena den verzweifelten Versuch wagen, der sie von ihren Ängsten befreien und ihre todgeweihte Freundin ins Leben zurückführen soll.
1. Pamelas Stern
An der verglasten Wand von Gate 23 stand eine jugendlich wirkende Frau. Sie hatte eine sportliche Figur, seidig glänzende schwarze Haare, ausgeprägte Mandelaugen mit hohen Wangenknochen. Gedankenverloren wanderte ihre Hand zum Ausschnitt ihres T-Shirts, umfasste die Glieder einer goldenen Kette und ließ sie durch die Finger gleiten.
Missmutig blickte sie auf den Riesenjet, in dessen geöffnetem Bauch von einem Förderband aus eine endlose Schlange von Gepäckstücken hineinglitt. Die imponierende Seitenflosse des Leitwerks war mit einem bunten Streifenmuster bemalt. Die Frau ließ den Tragegurt ihres Rucksacks von der Schulter gleiten, warf ihre Haare zurück und zog das Flugticket aus der Fronttasche.
MS LENA PAPALUKA-GARDENER, 08./09. NOVEMBER
18:20 - 19:25 UHR, ATHEN - FRANKFURT, AEGEAN AIRLINES
20:45 - 08:25 UHR, FRANKFURT - JOHANNESBURG, SAA
Stimmt, das war ihre Maschine, auf dem Rumpf stand in gewaltigen Lettern South African. Ihre in Heidelberg wohnenden Eltern hatten Lena flehentlich gebeten, sie nach Südafrika zu begleiten. ›Warum nur habe ich der blödsinnigen Reise zugestimmt?‹, fragte sie sich zum wiederholten Male. ›Was geht das mich an, wenn meine Eltern nach ihrer Trennung vor zwei Jahren beschlossen haben, einen Neuanfang zu wagen? Muss ich ihr Aufpasser spielen, damit sie sich gegenseitig nicht an die Gurgel gehen? Warum nur sollen wir aller Welt eine funktionierende Familie vorspielen?‹ Sie unterdrückte den absurden Wunsch, in Richtung des parkenden Airbus an das Fenster zu spucken. »Blödes Südafrika, blödes Deutschland«, murmelte sie vor sich hin.
Wo blieben nur ihre Eltern? Von Heidelberg nach Frankfurt waren es nur achtzig Kilometer. Sie schob die weißen Ohrstöpsel ihres MP3-Players ein und wählte die Zufallsauswahl. ›Mal sehen, welchen Song das Schicksal mir zugedacht hat.‹
Wenn dir gelingt,
was dir noch nie gelang,
dein Liebster zärtlich dich berührt,
dir Flügel wachsen,
die dich durch weiße Wolken tragen
und Nachtigallen deine Lieb’ besingen,
sei auf der Hut!
Die Hexe schreitet durch den Ring,
erhebt ihr Haupt
und trinkt dein Glück vollkommen aus.
Du stürzt aus allen Himmeln ab,
in Fänge, die schon auf dich lauern.
Verstört drückte sie die Stopptaste. ›Verdammt, wie kommt das Lied auf meinen Player? Das beschreibt perfekt das Elend meines desaströsesten Jahres! Was für eine nette Einstimmung für meine Reise!‹
’Die Hexe schreitet durch den Ring, erhebt ihr Haupt und trinkt dein Glück zur Gänze aus.’ Wenn Lena zwei Jahre zurückdachte, fühlte sie ständig einen Kloß im Hals. Sie war in das Visier einer Hexe geraten, hatte am eigenen Leib erfahren müssen, dass Schwarze Magie kein Mythos war, nein, es gab sie, mit schrecklicher Brutalität hatte sie zugeschlagen. ’Du stürzt aus allen Himmeln ab, in Fänge, die schon auf dich lauern.’ Für den Rest des Lebens trug sie ein Kainsmal auf der Stirn, sah Dinge, die keinem Sterblichen zu sehen erlaubt waren. Als sei das alles nicht genug, hatte sie in der Folge den schauerlichsten aller Albträume erleben müssen. Zwei Verbrecher hatten sie entführt, wollten Geld von ihrer vermögenden Tante Atridi erpressen, nur knapp war sie Vergewaltigung und Tod entgangen.
Anteilnahme und Aufmerksamkeit hätte Lena gebraucht. Die waren von den Eltern nicht zu erwarten gewesen, sie brachten die Tage damit zu, ihre Ehe und ihr Geschäft in Bausch und Bogen zu ruinieren. Ein Glück, dass es Atridi gelungen war, sie von der Misere in Deutschland loszueisen und bei sich in Griechenland aufzunehmen.
Lena griff zum Smartphone, wollte eine tröstende Stimme hören, am besten die besonnene von Atridi. »Mach schon, nimm endlich das Gespräch an.« Yannis meldete sich. An ihrem Telefon. »Du bist bei Atridi? Was macht ihr?« Die Frage ’Was treibt ihr?’ hatte sie mit Mühe unterdrücken können. Obwohl ein Altersunterschied von dreißig Jahren zwischen ihrer Tante und Yannis lag, hatten die beiden ein intensives Sexleben gepflegt. ’Bist du dir totsicher, dass dein Goldstück es nicht auch noch mit deiner Tante treibt?’, hatte ihre Freundin x-mal gefragt. ’Nein’, war ihre Standardantwort, ›Ich muss nicht alles über ihn, er nicht alles über mich wissen.’ Der entgeisterte Gesichtsausdruck den Kalja bei dieser Antwort aufsetzte, amüsierte sie jedesmal.
Unvermittelt legte sich eine Hand auf Lenas Schulter, erschrocken fuhr sie herum. Ihr Vater Filippos stand vor ihr. »Honey, ich melde mich von Johannesburg, meine Eltern sind angekommen«, sagte sie und beendete das Gespräch.
Mit einem Blick registrierte sie den Anflug von Grau in den Haaren, den unsicheren, ängstlichen Gesichtsausdruck, die Pfunde, die ihr Vater zugelegt hatte. »Grüß dich, Dad«, sagte sie gerührt, umarmte ihn und schämte sich, dass ihr einzig auffiel, wie unbedeutend er ihr vorkam. »Solange haben wir uns nicht gesehen! Wie geht es dir?«
»So lala«, stammelte er, »Danke, dass du uns begleiten willst.« Er löste sich aus der Umarmung. »Komm, lass dich anschauen.«
Lena zog die Ohrstöpsel heraus und schob die Sonnenbrille von ihren Haaren herunter. Die Brille mit den blauen Gläsern,