Da es mein erstes Date über eine Online-Plattform ist, will ich es auch wahrnehmen. Zur Begrüßung reichen wir uns förmlich die Hand. „Hi. Ich bin Marina“, quält sie sich widerwillig. Draußen ist es kalt. Jetzt ist mir noch kälter. Intuitiv nehmen wir den ersten Tisch am Eingang. Dann sind wir auch schnell wieder draußen. Zumindest als eine Art Trainingslager sehe ich jetzt dieses Date an, denn die Frau meines Lebens wird sie nicht. Gesichtszüge wie ein Kühlschrank sprechen mich nicht an, nur ihre Strumpfhose. Das reicht leider nicht. Ihr Gesicht wirkt maskenartig. Strenge Gesichtszüge. So sehen sonst nur 60-jährige Frauen in Hollywood aus, die mit Botox noch einmal Anfang 20 sein möchten. Wir reden über unsere Jobs, über unsere bisherigen Erfahrungen mit Online-Dates ( wobei mein Bericht entsprechend kurz ausfällt ) und über ihren letzten Urlaub. Den hat sie mit ihrer Mutter verbracht. Es ist ein oberflächliches Gespräch, welches auch nach zwanzig Minuten nicht besser wird. „Meine Mutter ist meine beste Freundin“, sagt sie. Das glaube ich ihr sofort. „Das ist schön, dass du dich so gut mit deiner Mutter verstehst“, ist meine nicht ernst gemeinte Antwort. Das Gespräch interessiert mich überhaupt nicht.
Da wir auf Hockern sitzen und das Café gut beleuchtet ist, habe ich besten Blick auf ihre Beine. Ich nutze den Logenplatz aus. Sie sind das Aufregendste an ihr, was aber eher gegen ihren Charakter als für ihre Attraktivität spricht. Ich überlege, ob die Netzstrumpfhose bei diesen Temperaturen nicht zu kalt ist. Ihre Waden sind ein wenig stramm. Ich habe keine Lust in ihr Gesicht zu schauen. Davon habe ich genug. Ich fasse es nicht, was sie dann von sich gibt: „Ein Mann, der mich bekommen will, muss schon etwas Besonderes sein. Schließlich bin ich auch was Besonderes. Ich kenne meinen Marktwert.“ Ich überlege, ob ich nicht den Krankenwagen rufen soll. Dann erzählt Marina weiter: „Ich gehöre auch nicht zu den Frauen, die unbedingt einen Freund haben müssen und sich mit Männern einlassen, in die sie gar nicht verliebt sind. Lieber bleibe ich Single. Hat die letzten fünf Jahre auch gut funktioniert. Außerdem bin ich müde von den vielen Dates.“ Ich bin müde von den zwanzig Minuten oberflächlichem Gerede und ihrem Kühlschrankgesicht. Wir stellen beide erleichtert fest, dass wir um 19.30 Uhr eine weitere Verabredung haben. Sie mit ihrer Freundin, ich mit einem Kunden. Wir wissen, dass wir soeben gelogen haben, aber so ist das Date schnell und unkompliziert beendet. Nachdem ich die Rechnung bezahlt habe, verabschieden wir uns. „Wir telefonieren dann“, sagen wir zeitgleich, ohne dabei konkret zu sein. Das heißt übersetzt, dass wir uns nicht wiedersehen möchten.
Das war es also: mein erstes Online-Date. Kurz und schmerzlos.
Ich will mir nicht lange Gedanken machen und schreibe am Abend noch eine 28-jährige Stewardess an. Sie wohnt nur ein paar Straßen weiter, stellen wir fest.
Saskia ist ihr Name. Frisch von ihrem nun Ex-Freund getrennt. „Und alles gut verdaut oder trauerst du noch?“, will ich wissen. „Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Was vorbei ist, ist vorbei.“
Sie sieht sehr sympathisch aus. Saskia hat eine natürliche Ausstrahlung und das Lufthansa-Kostüm steht ihr gut. Sie hat blonde lockige Haare, gebräunten Teint. Das gefällt mir. Wir verabreden per E-Mail ein Date. Neue Chance, neues Glück. Bis zum Date sind es noch drei Tage und auf einmal fängt sie an, mich mit Komplimenten zu überschütten. „Du siehst total gut aus. Ich stehe auf große Männer mit dunklen Haaren. Und du bist so nett. Das gibt es doch gar nicht. Ich hätte nicht gedacht, so einen Mann hier zu treffen. Du bist wohl ein Traummann oder?“
Ich fühle mich irgendwie unwohl bei dieser Lobhudelei, sie kennt mich doch gar nicht. Außer ein paar Fotos, einem Profil und den wenigen E-Mails bin ich ein Unbekannter. Ich versuche etwas Euphorie aus der ganzen Sache heraus zu nehmen. „Liebe Saskia, danke für deine Worte. Aber findest du es nicht etwas früh, von einem Traummann zu sprechen? LG, Lukas“ Saskia macht weiter. „Ich habe ein richtig gutes Gefühl mit dir. Und ich irre mich selten.“ Kann sein, dass ich mich jetzt irre. Aber diese Frau will ich nicht treffen. Wir sind erst einmal nichts weiter als Fremde. Ihre E-Mails wirken unpassend. Die Frau scheint Panik zu haben. Ein Partner muss her, aber schnell.
Ich bin froh, dass sie meine Adresse nicht kennt und auch meine Handynummer nicht hat. Ich verabschiede mich per E-Mail, unter einem Vorwand. „Bitte sei mir nicht böse, aber ich sage das Treffen ab. Du bist bestimmt eine attraktive und nette Frau, aber die Partnersuche über das Internet ist nicht mein Fall. Ich wünsche dir noch viel Erfolg und alles Gute. LG, Lukas“ Anschließend lösche ich ihr Profil. Ich bin erleichtert. Auch jetzt gilt, nicht lange überlegen, weitermachen.
Psycho
Mir fällt das Profil einer 25-jährigen beruflich Selbständigen auf. Sie ist im Marketing tätig. Es wirkt kurz, knackig und ein wenig selbstironisch. „Ich freue mich auf Männer, die wissen, was sie wollen.“ Ihr ideales Wochenende ist: „Ein Trip an die See. Sonne, Strand, Meer und Du. Bist du dabei?“ Und das Besondere an ihr ist: „Dass mein Nudelwasser immer überläuft. In manchen Dingen bin ich ein Tollpatsch.“ Sie wohnt in einer Kleinstadt, 50 km von mir entfernt. Ich schreibe sie an.
„Bei deinem Wochenende bin ich dabei. Wenn du Lust hast, mich näher kennenzulernen, kann ich vielleicht schon bald den Topf von deinem Herd nehmen.“ Sie meldet sich fünf Minuten später mit freigeschalteten Fotos, wo sie ein wenig unfreundlich aussieht. Halb zugekniffene Augen und ein irritierter Blick. Das liegt wahrscheinlich an der Selbstaufnahme. „Sorry, ich bin nicht besonders fotogen“, bemerkt sie. Sie wirkt sehr zielgerichtet: „Wie lange bist du schon Single? Welchen Typ Frau suchst du? Was ist dir wichtig in einer Beziehung?“
Sie heißt Marie. Sie ist im Marketing tätig und muss sich ihre Kunden selbst akquirieren. Das gefällt mir, da ich auch im Vertrieb tätig bin. Wir haben von Anfang an dieselbe Wellenlänge. In den nächsten Stunden schreiben wir hin und her. Dann fragt sie auf einmal, ob ich ihr neuer Kunde werden möchte. Ich könnte doch Unterstützung bei einem neuen Projekt gebrauchen. „Ist ja witzig. Bei XING suche ich neue Kunden und werde von Männern angebaggert. Hier suche ich einen Partner und gehe auf Kundenfang.“ Ich muss lachen und frage nach ihrer Telefonnummer. Die will sie mir nicht geben. Das gefällt mir nicht. Ich maile ihr meine Handynummer mit dem Hinweis: „Ich bin kein Mann des langen Schreibens. Mailfreundschaften suche ich nicht J. Zu verbergen habe ich auch nichts. Ruf mich einfach an, wenn es passend für dich ist. Ich freue mich.“ Nun ist sie am Zug. Entweder fasst sie Vertrauen oder sie ist eine Skeptikerin. Auf alle Fälle bekomme ich Klarheit. „Okay, du hast gewonnen. Hier ist meine Handynummer. Ich bin jetzt aber nicht zu erreichen. Ich fahre zu einem Kunden. Morgen können wir aber gerne telefonieren.“ Diese Antwort wollte ich haben.
Ich melde mich am nächsten Tag unangekündigt. Wir telefonieren eine Stunde und tauschen uns über alles Mögliche aus, Berufliches wie Privates. Sie wahrt dabei immer eine Distanz und sagt dies auch deutlich. „Dass ich dir meine Handynummer erst nicht geben wollte, ist nichts gegen dich. Aber ich möchte es generell langsam angehen. Zu schnell zu viel Offenheit war in der Vergangenheit nicht immer gut.“ Sie macht einen konsequenten Eindruck. „Als Selbständige muss ich fast nach Stundenplan arbeiten. Disziplin ist wichtig. Sonst wird das nichts.“ Marie findet mich sehr nett am Telefon und könne sich ein Date durchaus vorstellen. „Später, nicht sofort.“ Ihre Zurückhaltung, ein Date nicht sofort abzumachen, macht sie noch interessanter. Marie spricht schnell, ein wenig hektisch. Eine Powerfrau? Ich werde abwarten. Wir verabreden uns am nächsten Tag zum Telefonieren. Diesmal dauert das Gespräch zwei Stunden. Die Zeit mit ihr vergeht schnell. Sie ist mir sympathisch. Marie ist direkt, natürlich und hat Humor.
Am Abend, zuhause angekommen, stelle ich fest, dass ich noch nie so lange mit einem Menschen telefoniert habe. Ich habe nicht eine einzige Sekunde als langweilig empfunden. Marie spricht mich an. Vom Typ her. Von ihrer sympathischen und natürlichen Art. Beim nächsten Telefonat, das auch wieder fast zwei Stunden dauert, frage ich sie, wann wir uns denn nun treffen. „Ja, jetzt können