Dies und Das. Schila Lomcans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Schila Lomcans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844268614
Скачать книгу
Deutschen grundsätzlich ablehne. Dabei ist es nicht entscheidend für mich, wann, was oder wem die Deutschen etwas tun oder nicht, sondern nur, ob ich mitgemacht hatte oder nicht und ich war, und bin mir daher keiner Schuld bewusst.

      "Den Schuh zieh ich mir nicht an" und doch schien ich ihn zu tragen …

      Wir setzten die Reise fort und landeten schließlich in Toronto, wo uns mein Freund Jack und dessen Frau Waltraud erwarteten. Jack war damals "Member of Parlament" und hatte mich schon mehrfach in den vergangen Jahren eingeladen einen Urlaub bei Ihnen in der Nähe von Belleville zu verbringen.

      Ich kannte bereits einen Teil der Vereinigten Staaten und war nicht sehr begeistert gewesen. Aber Kanada entpuppte sich als etwas ganz anderes, obwohl es Nachbarstaaten sind und jeder, der die Grenze zwischen Kanada und den USA überschreitet, wird sofort den Unterschied bemerken. Erstaunlich daran ist, dass diese Gebiete seinerzeit während der gleichen Besiedlungswelle erschlossen wurden und sich scheinbar nur aufgrund ihrer staatlichen Zugehörigkeit heute so unterschiedlich darstellen.

      Wenn man durch Kanada fährt, so sieht man vor allem Bäume und Wasser. Dazwischen die Fauna und das Stück Straße vor und hinter sich. Die enorme Landfläche ist spärlich besiedelt, sieht man mal von den großen Städten ab. Wir bereisten Kanada von den Niagarafällen über die Amish-Siedlungen, Toronto, Belleville, Ottawa, Montreal bis etwas östlich von Quebeccity und dann Prince Edward Island und Neuschottland.

      Was mir auffiel, ist, dass es, auch in den kleineren Gemeinden, keine Zäune zwischen den Grundstücken gibt. Als ich eines Morgens neben Jack auf dessen Veranda saß und über das weitläufige Grundstück zum Lake Ontario blickte, sah ich einen Mann auf einem Aufsitzrasenmäher über das Grundstück fahren, vor der Veranda halten und absteigen. Meine Vermutung, es handle sich um einen von Jack beauftragten Arbeiter, der den Rasen trimmen sollte, stellte sich als falsch heraus. Es war sein Nachbar. Dieser hatte sein eigenes Grundstück gemäht, und weil er gerade Zeit und Lust hatte, dass von Jack gleich mit, wofür er sich zunächst entschuldigte, weil er nicht um Erlaubnis gefragt hatte, bevor er das ca. zwei Fußballplätze große Areal bearbeitet hatte. Jack lachte nur, bot Getränke an und anschließend saßen wir noch etwa eine Stunde auf der Veranda und sprachen über dies und das und wann Jack denn nun den Bootsanleger unten beim See bauen würde. Nein, es war kein Wochenende und nein, diese Menschen waren nicht Rentner, wie sie jetzt vielleicht vermuten.

      Am darauf folgenden Wochenende luden uns Jack und Waltraud nach Toronto ein. Wir wollten die Metropole etwas anschauen und Jack bestand darauf, ein Spiel der Blue Jays zu besuchen.

      

Das Baseballstadion in Toronto steht unmittelbar unter dem gewaltigen Fernsehturm, der lange Jahre das höchste Gebäude der Welt war, und besitzt ein Dach, das sich, trotz der immensen Größe des Stadions, öffnen lässt. 40.000 Menschen füllten die Plätze, und als die Blue Jays aufs Spielfeld stürmten, erhoben sich 39.999 Menschen von ihren Sitzen, zogen die Schildmützen ab, legten die rechte Hand aufs Herz und begannen zu singen. Nur ich war sitzen geblieben und betrachtete mit tiefem Erstaunen, was da vor sich ging. Tatsächlich dauerte es etwas bis mir klar wurde, dass diese Menschen ihre Nationalhymne sangen.

      Es hat mir das ganze Spiel und den damit verbundenen Spaß versaut. Nicht, dass diese Menschen ihren Nationalstolz so praktizierten und ausleben durften, sondern, dass sie so etwas haben. Aber, dass ich nicht mal sofort gewusst hatte, was da vor sich ging, gab mir den Rest.

      Vorbeugend darf ich an dieser Stelle betonen, dass ich kein Sympathiesand von nationalsozialistischen Ansichten, im Sinne des 3. Reichs, bin. Im Gegenteil lehne ich deren Ansichten und Taten zu tiefst ab.

      Allerdings habe ich mir dann ausgiebig Gedanken darum gemacht, was in der Folge von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg mit uns Deutschen, die wir als Nachkriegsgenerationen geboren worden sind, gemacht worden ist. Nun, es ist kein Zufall, dass wir geworden sind, was wir heute sind und die Siegermächte hätten es, meine ich, besser wissen sollen und müssen.

      In der Folge dieses Erlebnisses habe ich meine Kindheit bis zum Ende der Schulzeit überdacht und mit dem verglichen, was meinen eigenen Kindern in Kindergarten und Schulen beigebracht und vermittelt wird. Die gute Nachricht ist wohl, dass es zwischenzeitlich anders gemacht wird, die Schlechte, dass meine Generation derzeit die Mehrzahl der Führungspositionen in Deutschland ausmacht und das hat Folgen für uns alle.

      Am Ende meines Denkprozesses angekommen, kann ich heute, zumindest für meine Person, sagen, dass viele Probleme unserer Gesellschaft in Deutschland ganz offenbar daher rühren, dass wir, wie ich es nenne, entwurzelt sind.

      In ihrem Bestreben, den Nationalsozialismus in Deutschland keinen Boden mehr bieten zu wollen, haben die Siegermächte und die Politiker in der Zeit vom Ende des 2. Weltkriegs bis zumindest dem Fall der innerdeutschen Mauer dafür Sorge getragen, dass wir keinen Nationalstolz entwickelten. Diese Zeit war geprägt

       vom Aufzwängen der Schuldübernahme, für die Taten unserer unmittelbaren Vorfahren und haben selbst bei Personen wie mir, die sich diesen Schuh nicht anziehen wollten, erfolgreich funktioniert, wie man meiner Reaktion in Amsterdam entnehmen kann.

       von der Unterdrückung der Entwicklungsmöglichkeiten, zur Etablierung einer Verbundenheit mit der eigenen Heimat und Ächtung von Nationalstolz, was bis zum heutigen Tag anhält.

      Es ist überhaupt ein großes Missverständnis, den Stolz auf das eigene Vaterland mit der Gefahr des Nationalsozialismus gleichzusetzen. Kein Mensch sollte in einem Land leben, auf das er nicht auch stolz sein darf. Es ist natürlich richtig, dass wir auf die Taten der Deutschen nicht stolz sein dürfen und nicht stolz sind. Aber die Taten der Nationalsozialisten sind nicht mit der Verbundenheit zum eigenen Vaterland gleichzusetzen.

      In der Folge sind wir also meiner Meinung nach Entwurzelte. Menschen, die sich mit dem Land in dem sie aufgewachsen sind und in dem sie in der Regel auch ihr ganzes Leben verbringen, werden nicht verbunden, was, genauer betrachtet, die Ursache für vieles ist, dass uns heute so stören müsste, aber gar nicht wahrgenommen wird, weil wir es eben nicht mehr anders kennen.

      Betrachten wir nur mal unsere Nachbarn aus Frankreich. Wenn sich dort beispielsweise eine Obst verarbeitende Firma entschließt, die benötigten Äpfel in Spanien zu kaufen, weil das halt günstiger ist, als die heimischen Äpfel zu kaufen, so führt das dazu, dass die Obst anbauenden Bauern Frankreichs sich zusammenrotten und an der Spanisch-Französischen Grenze, in einem Akt der Selbstjustiz, Lkws der zuständigen Transportfirma aufhalten, eigenmächtig öffnen und die Waren auf die Straße kippen, um ihren Unmut zu demonstrieren und auf das vermeintliche Fehlverhalten der Obst verarbeitenden Firma hinzuweisen.

      Nun versuchen wir uns einfach mal vorzustellen, ob so etwas in Deutschland möglich wäre ... Richtig, ehr nicht, und wenn sich tatsächlich Deutsche finden würden, die das durchziehen, wären sie als Nächstes im Gefängnis und nicht vor der Kamera der Tagesschau.

      Warum das in Frankreich geht? Nur, weil die Franzosen Nationalstolz besitzen und die Bevölkerung den protestierenden Bauern den Rücken deckt und stärkt. Es geht mir hierbei nicht um die Frage des Rechts, denn auch nach meinem Dafürhalten haben sich die Bauern in meinem Beispiel ins Unrecht gesetzt, es geht darum zu verdeutlichen, was ich meine, wenn ich über den Nationalstolz schreibe, der uns vorenthalten worden ist und wird.

      Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass wir keinen Zusammenhalt haben? Und haben Sie darüber nachgedacht, warum das so ist? Und wenn ja welche Folgen das mit sich bringt?

      Heute ist sogar der Zusammenhalt in den Familien gestört und der Zusammenhalt außerhalb der Familien funktioniert so gar nicht.

      Folgen sind unter anderem meiner Meinung nach:

       Das schlechte Verhältnis und die übermäßigen Konflikte zwischen Nachbarn

       Das Desinteresse an Politikern, deren Handlungen und an der politischen Entwicklung Deutschlands in und mit Europa

       Die geringen Wahlbeteiligungen, vor allem auf Bundesebene

       Die Ohnmachts-Einstellung gegen alles, was